Im europäischen Vergleich sei Deutschland Schlusslicht bei der Gleichstellung. Frauen würden ein knappes Viertel weniger verdienen als Männer.

Schwerin/Hamburg/Berlin. Mit der Frauenquote nimmt es Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) nach Ansicht der Linken in Mecklenburg-Vorpommern nicht wirklich ernst. Landeschef Steffen Bockhahn sagte am Montag: „25 000 Euro Strafe bei Nicht- Einhaltung der Frauenquote sind ein Witz.“ Börsennotierte Unternehmen hätten diese Summe in der Kaffeekasse. Der Gesetzentwurf des Familienministeriums sieht vor, dass unter anderem börsennortierten Unternehmen jährlich die Geschlechterverteilung in Vorstand und Aufsichtsrat veröffentlichen müssen. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sprach dagegen vor einem Spitzentreffen mit den Personalvorständen der 30 Dax-Unternehmen am Montag von einer gesetzlichen Quoten-Regelung.

Bockhahn warf auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) vor, sich mit „Frauenpower“ schwer zu tun. „Statt des von ihm angekündigten gleichstellungspolitischen Paukenschlags werden nur drei von neun Kabinettsposten an Frauen gehen“, monierte Bockhahn. Er forderte ein Gleichstellungsgesetz für die private Wirtschaft: „Unternehmen, in welchen Frauen oder Männer bei Bezahlung, Aufstieg und Verantwortung benachteiligt sind, sollen verbindliche Gleichstellungsmaßnahmen einführen.“

Weiter sagte Bockhahn: „Die größte Gefahr für die Gleichstellung ist die Annahme, wir hätten sie schon.“ Im europäischen Vergleich sei Deutschland Schlusslicht bei der Gleichstellung. Frauen würden bei gleicher Qualifikation im Durchschnitt ein knappes Viertel weniger verdienen als Männer. „Obwohl Frauen in der Bildung aufgeholt und überholt haben, führen sie weit seltener in Unternehmen, Politik und Gesellschaft.

Streit geht quer durch die Bundesregierung


Der Streit geht quer durch die Bundesregierung und durch die deutsche Wirtschaft: Wie viele Frauen brauchen DAX-Konzerne und andere Unternehmen in der Spitze, wenn eine Frauenquote per Gesetz kommt? Was bedeutet die sogenannte Flexi-Quote und wie viel Zwang muss sein, damit deutsche Firmen in der Spitze genauso weiblich werden wie das Vorzeigeland Norwegen. Dort gab es eine Frauenquote und heute einen Anteil von über 30 Prozent Frauen in den Top-Etagen der Wirtschaft. Angesichts der Diskussion um mehr Frauen in Chefetagen hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) von den DAX-Unternehmen eine eindeutige Aussage verlangt. „Wie Frauen dort in Führungspositionen kommen, mit welcher Quote und in welcher Zeit diese erreicht werden soll – das muss klar sein“, sagte sie im ZDF-„Morgenmagazin“ vor dem Spitzentreffen der Konzerne mit der Bundesregierung. Die Ministerin bekräftigte ihre Forderung nach einer Frauenquote von 30 Prozent bis 2018.

„Ich bin der festen Überzeugung, ohne Gesetz wird es nicht gehen“, sagte von der Leyen. Das hätten die „frustrierenden Erfahrungen in den letzten zehn Jahren“ gezeigt. Die DAX-Konzerne hätten fast nichts bewegt. Per Gesetz müssten vor allem Sanktionen definiert werden, „wenn wieder nichts passiert“, sagte die Ministerin.

Die SPD attackiert derweil Familienministerin Kristina Schröder (CDU). Die angekündigten Selbstverpflichtungen der Firmen, mehr Frauen in Top-Positionen zu hieven, seien lächerlich gering, sagte SPD-Vizechefin Manuela Schwesig. Schröder lasse sich von den DAX-Firmen vorführen. Auch Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) hält Schröders Kurs für zu lax und forderte schärfere gesetzliche Regelungen.

Schwesig nannte das Treffen der Regierung mit den DAX-30-Konzernen an diesem Montag eine Schaufensterveranstaltung. „Wenn Unternehmen wie VW oder BASF ankündigen, den Frauenanteil in ihren Führungsetagen bis 2020 gerade mal auf 11 beziehungsweise 15 Prozent erhöhen zu wollen, dann ist das ein schlechter Witz.“ Am Ende werde die EU wohl eine verbindliche Quote aufzwingen müssen.

Ministerin Schröder hatte erklärt, sie arbeite an einem Gesetz zur Einführung einer flexiblen Frauenquote. Das Gesetz soll am 1. Juli in Kraft treten. Der Gesetzentwurf sieht demnach vor, dass alle börsennotierten und mitbestimmten Unternehmen jährlich die Anzahl von Frauen und Männern in Vorstand und Aufsichtsrat veröffentlichen müssen. Sie sollen obendrein auch erklären, welchen Geschlechteranteil sie bei der nächsten Bestellung der Gremien anstreben.

Entspricht die Zusammensetzung eines Vorstands nicht der Selbstverpflichtung, wird seine Bestellung unwirksam. Entspricht das Männer-Frauen-Verhältnis des Aufsichtsrats nicht den Ankündigungen, kann seine Wahl angefochten werden. Für den Fall, dass die Selbstverpflichtung nicht oder falsch abgegeben wird, droht Schröder in ihrem Entwurf mit einer Geldbuße bis zu 25.000 Euro.

„Die Flexi-Quote, wie ich sie mir für Vorstände und Aufsichtsräte vorstelle, lässt Unternehmen den vollen Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum bei größtmöglicher rechtlicher Verbindlichkeit“, sagte Schröder der „Wirtschaftswoche“. Schröder erwartet, dass auf der Liste der Selbstverpflichtungen, die ihr die Unternehmen präsentieren, keine einstellige Zahl stehen wird.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt eine Quote jedoch ab. „Eine gesetzliche Quote ist unsere Sache nicht“, sagte er dem Magazin. „Es kann ja auch heute schon jeder freiwillig sagen, welche Quote er erreichen und erfüllen will und daran gemessen werden.“

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat sich gegen eine schnelle gesetzliche Regelung zu einer Frauenquote für Vorstände und Aufsichtsräte ausgesprochen. „Bis 2013 werden weitere Aufsichtsratsmandate und Vorstandsposten neu zu besetzen sein, bis dahin müssen die Unternehmen noch Taten folgen lassen und die Zahl der Frauen in den Führungsebenen angemessen erhöhen“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger der „Passauer Neuen Presse“. Erst dann entscheide sich, ob doch noch gesetzliche Vorgaben nötig seien.

Solange Selbstregulierung erfolgversprechend sei, bedürfe es gerade keiner gesetzlichen Quoten, sagte die Ministerin. Die FDP-Politikerin verwies auf den „Corporate Governance Kodex“, der seit Mai 2010 empfehle, Frauen angemessen zu berücksichtigen. Seitdem seien bei Nachwahlen von einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern neun von 23 Posten mit Frauen besetzt worden. „Das sind fast 40 Prozent“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. (abendblatt.de/dpa/rtr/dapd)