Firmen in Norddeutschland beschäftigen besonders wenige Frauen im Top-Management. Im Ländervergleich hinkt Hamburg hinterher.

Berlin. Noch ziert sich die Bundesregierung, der Wirtschaft eine verbindliche Frauenquote für Spitzenpositionen aufzuerlegen. Jetzt erhöht Hamburg massiv den Druck auf die Koalition in Berlin, eine gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. Gegenüber dem Abendblatt erteilte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) allen weiteren Selbstverpflichtungen der Wirtschaft eine klare Absage. "Dieser Ansatz ist gescheitert", sagte Schiedek dem Abendblatt. Damit stellt sich der neue Hamburger Senat an die Seite von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), die mit ihrer Forderung nach einer gesetzlichen Quote innerhalb der Bundesregierung jedoch weitgehend isoliert dasteht.

Schiedek forderte die Bundesregierung angesichts internationaler Vergleichswerte zum Handeln auf. "Der Anteil der Frauen in Führungspositionen großer deutscher Unternehmen ist mit weniger als drei Prozent in Vorständen und weniger als vier Prozent auf der Arbeitgeberseite der Aufsichtsräte beschämend gering", so die Senatorin. Deutschland hinke im internationalen Vergleich und im Vergleich mit anderen EU-Ländern hinterher, betonte Schiedek. Besonders in norddeutschen Unternehmen sind nach einem bundesdeutschen Vergleich auffallend wenige Frauen im Top-Management vertreten. Eine Datenauswertung des Informationsdienstleiters Hoppenstedt im Herbst 2010 ergab, dass Hamburg mit 18 Prozent weiblichen Führungskräften lediglich auf dem viertletzten Platz im Ländervergleich steht. Nur knapp schlechter schneiden Niedersachsen (17,9 Prozent), Nordrhein-Westfalen (17,6 Prozent) und Bremen (17,5 Prozent) ab. Dagegen weisen alle ostdeutschen Bundesländer mit jeweils rund 25 Prozent weiblichen Führungskräften in der Wirtschaft die besten Werte auf.

Die Zahlen der Handelskammer Hamburg, die neben den Vorstandsposten auch Prokuristen und Kleingewerbebetreibende einbeziehen, geben ein etwas positiveres Bild ab. Demnach sind 26 Prozent aller Führungskräfte in der Hamburger Wirtschaft weiblich.

Bisher plant die Koalition, noch in diesem Jahr einen Kompromissvorschlag von Familienministerin Kristina Schröder (CDU) umzusetzen. Dieser sieht vor, dass sich die Unternehmen bis 2013 verpflichten, sich selbst eine verbindliche Quote zu setzen. Arbeitsministerin von der Leyen hingegen hielt auch gestern an ihrem Ziel eines Gesetzes für eine 30-Prozent-Frauenquote bis 2018 fest. "Die anderen Länder schlafen nicht", betonte die Ministerin in einer Expertenanhörung der Justizministerkonferenz im Bundesrat. Von der Leyen kritisierte zudem die Erklärung der DAX-Konzerne vom März, ihre Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils in diesem Jahr noch öffentlich benennen zu wollen. Es gebe in dieser Erklärung keine einzige feste Zahl, keine einzige Zeitleiste und keinerlei Zielvorgaben, stellte die Arbeitsministerin fest.

Die FDP dagegen sträubt sich noch gegen jegliche gesetzliche Regelungen hin zu einer Quote. Hessens liberaler Justizminister und Vize-Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn forderte in der Expertensitzung, "den Weg des geringsten Eingreifens des Staates zu wählen". Auch die beamtete Staatssekretärin im FDP-geführten Bundesjustizministerium Birgit Grundmann gab zu bedenken, dass man den Unternehmen Zeit lassen solle, ihre selbst gesteckten Ziele zu erfüllen. Eine Überwachung einer Quote könne zudem zu einem "Bürokratiemonstrum" führen. Dabei trete doch die Regierung für Bürokratieabbau ein.

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) widersprach den Argumenten der Liberalen und forderte eine "verbindliche Ziellinie" für eine Quote. Anders als die FDP gehe sie davon aus, dass sowohl das Grundgesetz als auch die europäische Menschenrechtskonvention einen Handlungsauftrag gebe: "nämlich die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern sicherzustellen", sagte Merk dem Abendblatt. Von der Wirtschaft wünsche sie sich aktives, mutiges Unternehmertum, ergänzte die Staatsministerin. "Wo Frauen und Männer im Team zusammenarbeiten, kommen grundsätzlich die besten wirtschaftlichen Ergebnisse heraus." Das sei eine Win-win-Situation, "die jetzt nur noch genutzt werden muss".