Der Bundestag hat für die Erweiterung des Rettungsschirms EFSF gestimmt. Der Steuerzahler bürgt so mit 211 Milliarden Euro für klamme Länder.

Berlin/Hamburg. Erleichterung für Bundeskanzlerin Angela Merkel. Im Bundestag wurde der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms EFSF mit der sogenannten Kanzlermehrheit zugestimmt. Damit wurde ein deutliches Signal der Solidarität mit überschuldeten Euro-Staaten gesetzt. Der Steuerzahler bürgt demnach mit 211 Milliarden Euro für klamme Länder der Währungsgemeinschaft.

Insgesamt stimmten 523 Abgeordnete von Union, FDP, SPD und Grünen für das Gesetz. CDU/CSU und FDP kamen auf 315 Stimmen – also vier mehr, als für die Kanzlermehrheit notwendig gewesen wären. Zuvor hatte es eine kontroverse Debatte gegeben.

Eine einfache Mehrheit der Stimmen hätte für die Verabschiedung des Gesetzes auch ausgereicht. Das Erreichen der Kanzlermehrheit war zuvor aber als Gradmesser für den Zusammenhalt der Koalition und als Prüfstein für die Autorität von Kanzlerin Merkel hochstilisiert worden.

Allerdings stimmten SPD und Grüne geschlossener ab als die Regierungskoalition. Bei ihnen gab es jeweils nur eine Nein-Stimme, während bei der Union zehn, bei der FDP drei Abgeordnete mit Nein stimmten – bei jeweils einer Enthaltung. Gegen die Ausweitung des EFSF stimmten 85 Abgeordnete, darunter 70 der Linksfraktion.

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Am Freitag soll auch der Bundesrat in einer Sondersitzung über die EFSF-Erweiterung befinden, eine Mehrheit gilt als sicher. Wichtiger ist: In allen 17 Euro-Ländern müssen die nationalen Parlamente dem Plan zustimmen, bevor die Erweiterung wirksam wird. In mehreren Staaten wird aber erst frühestens im Oktober entschieden. Das knappste Ergebnis wird in der Slowakei erwartet. Das Land wird voraussichtlich als letztes über den EFSF abstimmen.

EU erfreut, Börse kaum beindruckt

Die EU-Kommission zeigte sich erfreut. „Wir sind froh und begrüßen die Ratifizierung“, sagte Kommissionssprecher Amadeu Altafaj Tardio. Nach der Zustimmung in Slowenien am Dienstag und in Finnland am Mittwoch sei man weiter zuversichtlich, dass bis Mitte Oktober alle Euro-Staaten die neuen Aufgaben für den EFSF verabschiedeten und der Fonds damit genug Feuerkraft zur Eindämmung der Schuldenkrise erhalte.

Die Börse zeigte sich vergleichsweise unbeeindruckt. Der DAX stieg mit dem Votum des Bundestages zwar auf ein Tageshoch von 5.642 Punkten. Er gab anschließend aber seine Gewinne wieder ab. Gegen 12.45 Uhr – etwa eine halbe Stunde nach Bekanntgabe des Ergebnisses - stand der Leitindex praktisch unverändert bei 5.576 Punkten.

Der EFSF soll mit einem Volumen von 440 Milliarden Euro klamme Staaten der Euro-Zone vor Zahlungsschwierigkeiten schützen. Neben der Erhöhung des Garantierahmens ist vorgesehen, seine Instrumente zu erweitern. So soll der Schirm künftig auch Staatsanleihen von Schuldenländern aufkaufen können. Das Gesetz schreibt außerdem fest, dass der Bundestag allen wichtigen Entscheidungen, vor allem neuen Zahlungen, vorab seine Zustimmung erteilt.

Gysi kritisiert Parlamentsbeteiligung

Vor der Abstimmung debattierten Abgeordnete der Fraktionen zweieinhalb Stunden lang kontrovers über den EFSF-Schirm. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle warf der früheren rot-grünen Regierung vor, Schuld an der derzeitigen Krise in Europa zu sein. Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Dagegen beschuldigte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin die Bundesregierung, zu zögerlich zu agieren.

Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) bezeichnete die Abstimmung als „wichtige Entscheidung für die Zukunft unseres Landes und die Zukunft Europas“. Der SPD-Abgeordnete und ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück kritisierte, es gebe viele Vorurteile gegen das Projekt Europa, die von der Regierung „durch die ein oder andere unbedachte Äußerungen“ noch geschürt worden seien.

Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte die vorgesehene Parlamentsbeteiligung, die ansonsten breites Lob der Redner fand. Er halte es für einen Skandal, dass „schon wieder ein Geheimausschuss gebildet werden soll“, der über die Auszahlung von Tranchen entscheide, sagte Gysi. Er spielte damit auf den Sonderausschuss an, der in eiligen Fällen Entscheidungen zum EFSF-Schirm treffen soll.

Das sind die Ergebnisse im Einzelnen:

CDU/CSU: Zehn Nein-Stimmen und eine Enthaltung. Nicht zugestimmt haben die Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Thomas Dörflinger, Herbert Frankenhauser, Alexander Funk, Peter Gauweiler, Josef Göppel, Manfred Kolbe, Carsten Linnemann, Thomas Silberhorn und Klaus-Peter Willsch. Enthalten hat sich Veronika Bellmann.

FDP: Drei Nein-Stimmen kamen von Jens Ackermann, Frank Schäffler und Torsten Staffeldt. Sylvia Canel enthielt sich.

SPD: Nur Wolfgang Gunkel stimmte gegen das Gesetz, Ottmar Schreiner enthielt sich.

Grüne: Hier stimmte allein Hans-Christian Ströbele mit Nein.

Linke: Die Links-Fraktion stimmte komplett mit Nein.