Bis zum Wochenende sollen alle ihre Waffen niederlegen. Neue Berichte über Zusammenarbeit des Westens und Chinas mit Gaddafis Regime.

Tripolis/London. Um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, haben die libyschen Rebellen den Gaddafi-treuen Kämpfern im belagerten Bani Walid eine Gnadenfrist zur Kapitulation eingeräumt. Auch für die Wüstenstadt gelte das Ultimatum des Übergangsrats, wonach alle Anhänger des gestürzten Machthabers Muammar al-Gaddafi bis Samstag, 0 Uhr Ortszeit Zeit haben, aufzugeben, sagte der Chef des Rates, Mustafa Abdul Dschalil, am Montag der BBC. Unterdessen sieht sich nach dem US-Geheimdienst CIA nun auch der britische MI-6 Vorwürfen ausgesetzt, mit Gaddafis Diensten zusammengearbeitet zu haben. Medienberichten zufolge soll China dem Gaddafi-Regime noch in jüngster Zeit Waffen zum Kauf angeboten haben.

Um den Druck auf die Gaddafi-Loyalisten zu erhöhen, zog der Übergangsrat am Montag hunderte Kämpfer vor Bani Walid zusammen. Zuvor waren Verhandlungen über eine Aufgabe abgebrochen worden. Daraufhin hatten Rebellenkommandeure dem arabischen Fernsehsender Al-Dschasira gesagt, dass der Countdown für die Erstürmung der Stadt begonnen habe.

Milliardenhilfe für Libyen – Gaddafi droht mit langem Krieg

Nach Berichten eines Reporters des britischen Senders BBC befürchtet der Übergangsrat, dass die Gaddafi-Anhänger in Bani Walid Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbrauchen könnten. Bis zu 200 schwer bewaffnete Kämpfer des alten Regimes hätten sich in der Stadt rund 150 Kilometer südöstlich von Tripolis verschanzt. Sie sollen ebenso wie die Kämpfer auf Seiten der Aufständischen den Warfalla, dem größten libyschen Stamm, angehören. Die Mehrheit der Bewohner unterstütze aber die Revolution, berichtete am Montag der Rebellensender Libya TV.

Der BBC zufolge sollen Gaddafis Söhne Saif al-Islam und Mutassim eine friedliche Lösung in Bani Walid verhindert haben, ehe sie vor ein paar Tagen aus der Stadt abgezogen seien. Nach unbestätigten Meldungen soll sich Gaddafis Ex-Sprecher Ibrahim Mussa nach wie vor dort aufhalten und eine Kapitulation blockieren. Von Gaddafi selbst fehlt weiter jede Spur. Er hält sich nach Überzeugung der Rebellen nicht in Bani Walid auf.

Der Übergangsrat hatte Mitte vergangener Woche den letzten Gaddafi-Hochburgen eine Frist bis zum kommenden Sonnabend gesetzt, um sich zu ergeben. Neben der 80.000-Einwohner-Stadt Bani Walid betrifft das auch die Küstenstadt Sirte, den Geburtsort Gaddafis, und die südliche Wüstenstadt Sebha sowie mehrere Städte zwischen Sirte und Sebha.

Britischer Geheimdienst hat Gaddafi unterstützt

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen geht von einem baldigen Ende des Libyen-Einsatzes aus. „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Zivilbevölkerung nicht mehr bedroht ist, werden wird den Einsatz beenden“, sagte er am Montag in Brüssel. „Ich kann noch kein genaues Datum sagen, aber ich glaube, dass es bald sein wird."

Wie die „New York Times“ und die kanadische Zeitung „The Globe and Mail“ am Montag berichteten, haben staatlich kontrollierte Firmen in China dem Gaddafi-Regime noch vor kurzem Panzer, Raketenwerfer und Munition im Wert von 200 Millionen Dollar (141 Mio Euro) angeboten. Dies gehe nach Angaben des libyschen Übergangsrats aus Unterlagen hervor, die von einem kanadischen Journalisten entdeckt worden seien.

Die Dokumente seien zum Teil erst Mitte Juli verfasst worden. Ihnen zufolge sollten die Waffen über Südafrika oder Algerien an das Gaddafi-Regime geliefert werden – was einen klaren Bruch des von den Vereinten Nationen verhängten Embargos bedeutet hätte.

China bestreitet die Vorwürfe. Mitarbeiter der US-Regierung erklärten, sie wüssten nichts über einen solchen Handel und benötigten mehr Zeit, die Unterlagen zu prüfen. Ein Nato-Sprecher in Brüssel äußerte Zweifel an den Angaben, betonte aber, er kenne die Unterlagen nicht.

Andere in Tripolis aufgetauchte Dokumente des Gaddafi-Regimes belegen nach Berichten mehrerer britischer Medien eine Zusammenarbeit des britischen Geheimdienstes mit libyschen Diensten. So soll der MI-6 daran beteiligt gewesen sein, dass ein Terrorverdächtiger und dessen Familie nach Tripolis gebracht wurden. Dabei soll es sich um den neuen Militärkommandanten von Tripolis, Abdelhakim Belhadsch, handeln, der nach eigenen Angaben 2004 an Gaddafis Regime ausgeliefert und gefoltert worden war. Er fordert der Zeitung „The Times“ zufolge eine Entschuldigung von der britischen Regierung und droht mit einer Klage.

Premierminister David Cameron versprach die Aufklärung durch eine Kommission, die die britische Geheimdienstaktivität in Libyen untersuchen soll. „Das sind ernste Anschuldigungen, und wir werden ihnen nachgehen“, sagte Cameron am Montag vor dem britischen Unterhaus in London. Er warnte vor Vorverurteilungen. „Es ist aber klar, dass die britischen Geheimdienste unter keinen Umständen an Folter oder illegalen Auslieferungen beteiligt sein dürfen.“ Etwaiges Fehlverhalten müsse beendet werden.

Liveticker: So verlief der Tag in Libyen

18:01: Der Übergang zu einem demokratischen Rechtsstaat in Libyen werde mit einer „Befreiungserklärung“ beginnen, sagte ein Sprecher des oppositionellen Übergangsrates, Dschalal el Gallal, in Tripolis. Ab diesem Zeitpunkt habe der Rat acht Monate Zeit, Wahlen für eine Nationalversammlung vorzubereiten. El Gallal räumte ein, dass noch nicht ganz klar sei, was die Befreiung genau definiere – entweder der Zeitpunkt, an dem die Rebellen das gesamte Land kontrollierten, oder die Festnahme Gaddafis.

Ian Martin, Sonderberater der Vereinten Nationen für Libyen, sagte, die UN seien bereit, dem Land bei seinen nächsten Wahlen zu helfen. Gleichwohl gelte es große Hürden bei dessen Übergang zur Demokratie zu überwinden. Schließlich habe es praktisch seit Menschengedenken keine Wahlen mehr in dem nordafrikanischen Land gegeben, sagte Martin.

15.49 Uhr: Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat ein rasches Ende des Militäreinsatzes der Nato in Libyen angekündigt. „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die Zivilbevölkerung nicht mehr bedroht ist, werden wird den Einsatz beenden“, sagte er in Brüssel. „Ich kann noch kein genaues Datum sagen, aber ich glaube, dass es bald sein wird.“ Die Gefangennahme Gaddafis sei für das Ende des Einsatzes nicht entscheidend: „Einzelpersonen sind kein Ziel unseres Einsatzes.“

14.52 Uhr: Der Übergangsrat in Libyen will die belagerte Gaddafi-Hochburg Bani Walid bis zum Wochenende nicht stürmen lassen. Für alle noch verbliebenen Enklaven von Ex-Diktator Gaddafi gelte weiterhin die bis zum 10. September gesetzte Frist für eine Übergabe, sagte der Chef Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil dem britischen Sender BBC in Bengasi. Die Aufständischen hatten vor Bani Walid Hunderte Kämpfer zusammengezogen. Zuvor waren offizielle Verhandlungen zwischen den Rebellen sowie Stammesältesten und Anhängern Gaddafis ohne Ergebnis abgebrochen worden.

13.36 Uhr: Wie eng war die Zusammenarbeit zwischen Großbritannien und dem Gaddafi-Regime in Libyen? Nach dem Fund von Geheimdienstdokumenten in Tripolis kommen dazu immer mehr Details ans Licht. Britische Medien berichteten, dass die Geheimdienste beider Länder gemeinsam dafür gesorgt hätten, dass ein Terrorverdächtiger und dessen Familie nach Tripolis gebracht wurden. Dort habe ihnen Folter gedroht. Es soll sich um den heutigen Rebellenführer Abdel Hakim Belhadsch handeln, der nach eigenen Angaben 2004 von den Briten an das Regime Gaddafi ausgeliefert worden war. Er fordert einem Bericht der „Times“ zufolge eine Entschuldigung von der britischen Regierung. Er habe mit einer Klage gedroht.

13.11 Uhr: Die Rebellen haben ihre Belagerung einer der letzten Hochburgen des bisherigen Machthabers Gaddafi fortgesetzt. Nach dem Scheitern von Verhandlungen über eine friedliche Übergabe der Wüstenstadt Bani Walid warteten die Aufständischen nach eigenen Angaben auf den Befehl zum entscheidenden Angriff. Zugleich wollten die Rebellen der Stadt aber noch die Möglichkeit einräumen, sich zu ergeben und einen Kampf zu vermeiden.

11.49 Uhr: Der arabische Sender al-Dschasira berichtet, die Rebellen hoffen, dass sich die Bevölkerung in der Gaddafi-Hochburg Bani Walid auflehnen. Die Verhandlungen zwischen den Gaddadfi-Anhängern und den anrückenden Rebellen waren gescheitert.

10.50 Uhr: Die chinesische Regierung hat den Versuch des Gaddafi-Regimes bestätigt, sich in den letzten Wochen noch Waffen in China zu besorgen. Die Sprecherin des Außenministeriums, Jiang Yu, betonte, dass die Regierung in Peking nicht darüber informiert worden sei. Es seien auch keine Verträge unterzeichnet und keine Waffen geliefert worden. China befolge die Uno-Sanktionen und das Waffenembargo.

9.58 Uhr: Die Vereinten Nationen haben die massenhafte Verbreitung von Waffen in Libyen als eines der dringendsten Probleme nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Gaddafi bezeichnet. Auch für die Nachbarstaaten sei dies dringend, sagte der Uno-Sonderberater Ian Martin der Nachrichtenagentur Reuters. Er habe Gespräche mit dem Innenministerium der Übergangsregierung über die Herausforderungen bei der inneren Sicherheit geführt. Dazu gehöre der Neuaufbau der libyschen Polizei.