Das Verhältnis in der FDP zwischen dem Chef und dem Außenminister soll schwer belastet sein. Kleine Partei, großer Machtkampf.

Bensberg. Wer hat den Kurs festgelegt, wer ist ihm gefolgt? Nachdem Rösler Westerwelle gestern Rückendeckung gegeben hat, beschwert sich der Außenminister heute, dass der FDP-Chef ihn düpiert habe: Rösler hatte gesagt, er habe den Libyen-Kurs vorgegeben, Westerwelle sei ihm gefolgt.

Die FDP hat die Debatte über die Zukunft von Außenminister Guido Westerwelle vorerst beendet und die politischen Weichen der nächsten zwei Jahre gestellt. Auf ihrer Herbstklausur in Bergisch Gladbach verlangte die Fraktion am Mittwoch, dass alle in Europa zu fällenden Entscheidungen zur Euro-Rettung unter einen Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestages gestellt werden. In Berlin wurde Parteichef Philipp Rösler indirekt in die Schranken gewiesen.

Der FDP-Vorsitzende hatte am Dienstag gesagt, dass er in der Diskussion über den Militäreinsatz in Libyen den Kurs vorgegeben habe. Und Westerwelle sei „dieser Linie klar gefolgt“. Der Außenminister war in die Kritik geraten, weil er den Fall des Regimes von Muammar al Gaddafi vor allem auf die von Deutschland unterstützten Sanktionen zurückführte und den NATO-Einsatz zunächst nicht ausdrücklich würdigte. Als erstes Mitglied der Bundesregierung dankte schließlich Rösler USA, Großbritannien und Frankreich für ihren Kampf gegen Libyens Machthaber.

Merkel nahm ihren Chefdiplomaten in Schutz und betonte in der „Berliner Morgenpost“: „Wir treffen außenpolitische Entscheidungen gemeinsam und wir vertreten sie auch gemeinsam.“ Westerwelles Einschätzung zum NATO-Einsatz in Libyen decke sich mit ihrer und der von Rösler.

Ein Außenamtssprecher stellte mit Blick auf die jüngste Äußerung des FDP-Chefs klar, dass die Richtlinienkompetenz in der Regierung bei der Kanzlerin liege. Der Außenminister wiederum „führt das Auswärtige Amt eigenverantwortlich mit allem was dazugehört“. Regierungssprecher Steffen Seibert pflichtete ihm bei. Die Minister leiteten ihre Geschäftsbereiche wie im Grundgesetz vorgesehen „selbstständig und eigenverantwortlich“.

Westerwelle und Rösler waren beide am Mittwoch von Bergisch Gladbach zur Kabinettssitzung nach Berlin gereist. Beide nahmen Linienflüge, ob sie gemeinsam flogen, konnten ihre Sprecher nicht sagen.

Bei der Klausur der Liberalen auf Schloss Bensberg in Nordrhein-Westfalen spielte die Diskussion über Westerwelle zumindest in der Öffentlichkeit keine Rolle mehr. Fraktionschef Rainer Brüderle sagte: „Das Thema ist beendet.“ Aus dem Umfeld des Ministers hieß es dazu: „Der Außenminister ist nicht glücklich über die Debatte der vergangenen Tage, aber über ihren Ausgang und den Rückhalt aus der Fraktion und von der Basis zufrieden.“ Westerwelle sei nun „fest entschlossen, das Blatt wieder zu wenden“.

Die 93 FDP-Abgeordneten beschlossen eine „Bensberger Erklärung“, in der sie ihre Forderung nach weiteren Steuerentlastungen bekräftigten. Diese soll notfalls durch einen Abbau des Solidaritätszuschlages erreicht werden, sollte eine Neuordnung der Einkommensteuer im Bundesrat an Rot-Grün scheitern. Ein solches Vorgehen wäre nicht von der Zustimmung der Länderkammer abhängig.

Bei den anstehenden Beratungen zum erweiterten Euro-Rettungsschirm EFSF im Bundestag wollen die Liberalen ihre Zustimmung davon abhängig machen, ob ein sogenannter Parlamentsvorbehalt gesetzlich verankert wird. Damit müssten alle Entscheidungen zuvor von den Gremien des Bundestages ausdrücklich bestätigt werden, einen Ermessensspielraum des Finanzministers würde es nicht mehr geben.

Brüderle bekräftigt: Wir senken die Steuern

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler hatte versprochen, dass die FDP von nun an „liefern“ wolle. Als er Guido Westerwelle im Amt ablöste, war das seine Formulierung dafür, dass der kleine Koalitionspartner die Wähler nicht enttäuschen wolle, die Rösler, Westerwelle und Co. Ins Amt hievten. Nun bekräftigt der von Rösler aus dem Wirtschaftsministerium zum Fraktionsvorsitzenden „weiterempfohlene“ Rainer Brüderle (FDP): Die FDP liefert, sie will die Steuern senken. Eine Entlastung der Bürger soll spätestens 2013 erreicht werden.

Darauf verständigte sich die Bundestagsfraktion der Liberalen auf ihrer Klausurtagung in Bergisch Gladbach. Nach Angaben von Fraktionschef Rainer Brüderle soll der Rentenversicherungsbeitrag um „mindestens“ 0,8 Prozentpunkte reduziert und eine Steuerentlastung notfalls durch einen Abbau des Solidaritätszuschlages erreicht werden.

In der „Bensberger Erklärung“ für Stabilität in Deutschland und Europa sprechen sich die Liberalen ferner gegen Euro-Bonds und für die Gründung einer europäische Ratingagentur aus und wollen angesichts des drohenden Fachkräftemangels den Zuzug von ausländischen Fachkräften erleichtern. (abendblatt.de/dapd)