Volkswirtschaften ergeht es wie Privatleuten: Wenn sie permanent über ihre Verhältnisse leben, gibt ihnen niemand mehr Kredite

In dem Spaß-Western "Vier Fäuste für ein Halleluja" trifft Bambi (Bud Spencer) auf vier Banditen und schlägt dem einen derart auf den Kopf, dass der das Sprachvermögen verliert. Kurz darauf kommt Trinity (Terence Hill) und rät dem Bandenboss, dem Kranken noch mal eins auf den Schädel zu geben, das habe seinen Onkel sofort kuriert. Natürlich geht das schief: Der Geschlagene verliert vollends den Verstand. Ganz ähnlich wirken Euro-Bonds.

Die südlichen Euro-Länder haben viele Jahre über ihre Verhältnisse gelebt, mehr konsumiert als produziert und dafür im Ausland immer weitere Kredite aufgenommen. Fällige Kredite wurden durch neue ersetzt.

Volkswirtschaften ergeht es letztlich wie Privatpersonen: Wenn Sie permanent mehr ausgeben als einnehmen und den Fehlbetrag mit immer höheren Krediten decken, erodiert ihre Kreditfähigkeit. Irgendwann drehen die Kreditgeber den Geldhahn zu. Die Länder benötigen, wie Drogenabhängige, neue Kredite - nicht nur, um fällige Altkredite zu ersetzen, auch weil sie weiter mehr konsumieren als produzieren. Das marktwirtschaftliche Heilmittel wäre eine Rosskur, die Reformen erzwingt, indem sie die Regierungen der Disziplinierung durch den Markt aussetzt: keine Finanzhilfen, selbst auf das Risiko der Insolvenz. Wie wirksam das wäre, zeigt Italien: Als kürzlich die Finanzmärkte zuckten, wurden für undenkbar gehaltene Reformen schnell beschlossen. Dieses Mittel lehnen nordeuropäische Politiker ab, weil sie im Insolvenzfall Dominoeffekte im eigenen Land fürchten: Banken und Versicherungen könnten ihre Geldanlagen verlieren und ebenfalls Konkurs gehen.

Allerdings wäre es deutlich billiger, in diesem Fall die gefährdeten Finanzinstitute zu stützen, als das, was unsere Politiker als Alternativmedizin gewählt haben: den Rettungsfonds ESM, der Not leidenden Staaten Finanzhilfen gibt, wenn die sich zu Reformen verpflichten. Dieser Beschluss hat das Vertrauen der Kreditgeber nicht wiederhergestellt. Zu Recht. Erstens haben die Euro-Staaten in der Vergangenheit ihre bei Euro-Einführung gemachten Stabilitätsversprechen reihenweise gebrochen. Warum sollte es jetzt anders sein? Zweitens stehen so viele Länder auf der Kippe - nicht nur Griechenland und Portugal, auch Spanien, Italien, sogar Frankreich -, dass der ESM die zu erwartende Last nicht stemmen könnte.

Als dritter Weg werden jetzt Euro-Bonds gepriesen. Die sollen so funktionieren: Die Euro-Staaten schaffen eine Agentur, die bedürftigen Staaten Kredite zu politisch festgesetzten - niedrigen - Zinsen gibt. Das Geld beschafft sie sich durch Kredite am Kapitalmarkt. Das geht natürlich nur, wenn die Agentur größere Kreditwürdigkeit genießt als die Staaten, an die sie das Geld weiterleitet. Daher sollen alle Euro-Länder haften: Wenn die Agentur in Zahlungsschwierigkeiten gerät - etwa weil Italien seine Kredite nicht an sie zurückzahlt -, können sich die Gläubiger ihr Geld zum Beispiel von Deutschland zurückholen. Letztlich steht Deutschland für italienische Schulden gerade.

Kurzfristig kann das die Finanzmärkte beruhigen. Mittelfristig wird das Gegenteil eintreten. Denn Euro-Bonds sind ein süßes Gift: Die maroden Staaten werden noch weniger angehalten, ihr Haus in Ordnung zu bringen. Sie können weiter billig auf Pump leben. Warum also reformieren? Der Kreditbedarf dieser Länder wird von Jahr zu Jahr steigen. Die Agentur muss immer höhere Kredite aufnehmen. Heute noch solide Länder, allen voran Deutschland, zieht ihr Versprechen, für die anderen einzustehen, mit in den Strudel.

Der Vorschlag, die Finanzierung über Euro-Bonds auf 60 Prozent des Kreditbedarfs der maroden Staaten zu begrenzen, ist naiv. Er würde die Kapitalmärkte nicht mal kurzfristig beruhigen. Denn ein Schuldner, der wegen verschleppter Reformen seine Kreditwürdigkeit verloren hat, wird auch für 40 Prozent seines Kredithungers keinen privaten Geldgeber finden. Wenn Euro-Bonds eingeführt sind, würde der Druck übermächtig, diese Beschränkung zu kippen.

Glauben unsere Politiker wirklich, dass der "Vier Fäuste für ein Halleluja"-Trick funktioniert? Dass wir die kranken Staaten kurieren, indem wir ihnen mit weiteren Krediten gerade das geben, das zu ihrer heutigen Misere geführt hat?