Prominente Vermögende wollen freiwillig mehr zahlen. Experten haben ausgerechnet, dass höhere Steuern für Millionäre dem Staat viel einviel bringen.

Hamburg. Die Kritiker pesten schon: Alles Gutmenschen, die sich da zu Rettern der Staatskasse und des Euro aufschwingen. Und: Sollen die Millionäre ihre Steuern doch erst einmal ehrlich zahlen. Dennoch hat das Bekenntnis von Superreichen wie Michael Otto, Marius-Müller-Westernhagen, Jürgen Hunke und anderen, mehr Steuern zahlen zu wollen, eine neue Diskussion ausgelöst. Denn viele von Deutschlands Vermögenden spenden bereits – oft über Stiftungen – enorm viel Geld für wohltätige oder künstlerische Zwecke. Hamburg im Besonderen ist Hauptstadt der Stiftungen. Popstar Marius Müller-Westernhagen hatte der „Zeit“ gesagt: „Ein paar Prozentpunkte mehr Steuern machen Wohlhabende nicht arm. “ Der Hamburger Versandhändler Michael Otto, selbst ein großer Stifter, sagte: „Ich hätte kein Problem, wenn der Spitzensteuersatz angehoben würde.“ Das bringe viel mehr, als Diskussionen um eine Vermögenssteuer wieder aufzuwärmen.

Der Hamburger Ver.di-Chef Wolfgang Rose hält die Bereitschaft von Michael Otto und anderen für unterstützenswert: „Unterstützt die Millionäre“, teilte er mit,. „Es besteht in Hamburg wie in der gesamten Gesellschaft mittlerweile ein Konsens, dass die sozialen Brandherde und Schieflagen nur durch eine gerechte Steuerpolitik beseitigt werden können.“

Neu ist die Debatte über höhere Abgaben für Betuchte nicht: 49 Millionäre fordern seit zwei Jahren vom Staat: Nehmt mehr von unserem Geld! Experten sehen ein Steuersystem, das Reiche stärker in die Pflicht nimmt, als den sinnvollsten Weg aus der Schuldenkrise. Peter Vollmer zum Beispiel hat mehr Geld, als er braucht. Der Berliner Millionär hat deshalb schon vor Jahren eine Stiftung gegründet, in die er einen großen Teil seines Geldes steckt. „Es reicht aber nicht, wenn ein paar Gutmenschen so etwas machen“, sagt der 71-Jährige. „Alle Reichen sollen einen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland sich nicht kaputtspart.“

Eine Vermögensabgabe und dann eine dauerhafte Vermögenssteuer fordert Vollmer zusammen mit 48 anderen Millionären, die sich in der Initiative „Vermögende für eine Vermögensabgabe“ zusammengeschlossen haben. Jeder mit mehr als 500.000 Euro Vermögen soll zwei Jahre lang fünf Prozent davon als Abgabe an den Staat zahlen. „Das wären zusammen 100 Milliarden Euro“, sagt Vollmer. Danach soll die Vermögenssteuer wieder eingeführt werden, die seit 1997 nicht mehr erhoben wird.

„Die Kluft zwischen Arm und Reich nimmt in Deutschland immer mehr zu“, sagt Vollmer. Dass der Staat an Sozialleistungen spart, statt mehr Steuern einzunehmen, ist für Vollmer absurd: „Ich zahle immer weniger Steuern. Angefangen habe ich mit 56 Prozent Einkommenssteuer, jetzt sind es 45 Prozent.“

Die Millionärsinitiative gründete sich, als 2009 ein einheitlicher Steuersatz für Einkommen aus festverzinslichen Papieren und Sparguthaben eingeführt wurde. „Darauf zahlen wir seitdem nicht mehr die Reichensteuer von 45 Prozent, sondern nur 25 Prozent. Es ist Wahnsinn, wie viel Geld der Staat Wohlhabenden schenkt.“

Wie viel Geld sich Deutschland durch Steuerreformen seit dem Jahr 2000 entgehen lässt, haben die Wirtschaftsforscher des gewerkschaftsnahen Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) ausgerechnet. „Allein dieses Jahr hätte der Staat 51 Milliarden Euro mehr“, sagt IMK-Leiter Gustav Horn. „Profitiert haben von der massiven Senkung des Spitzen- und Unternehmenssteuersatzes überproportional die Besserverdiener.“ Allerdings ist viel von dem freiwerdenden Geld auch investiert worden: in Unternehmen, in Arbeitsplätze.

Die obersten zehn Prozent der Bevölkerung besitzen 67 Prozent des Volksvermögens, zeigen die aktuellen Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Der DIW-Steuerexperte Stefan Bach sagte: „Würde man alle Vermögen über eine Million Euro mit einem Prozent Steuer belasten, hätte der Staat neun Milliarden Euro jährlich.

Nach Ansicht von SPD-Chef Sigmar Gabriel zeigt der Appell der Millionäre, dass es mehr sozialen Patriotismus gebe, als die „Steuersenkungs-Fanatiker“ immer behaupteten. Es sei gut, dass sich ähnlich wie in den USA jetzt auch Vermögende in Deutschland zu Wort melden, erklärte er. (abendblatt.de/epd)