Libyens Hauptstadt Tripolis ist nach dem Einmarsch der Rebellen, nach eigenen Angaben, vollständig erobert. Von Gaddafi keine Spur.

Kairo/Tripolis/New York. Tripolis ist nach Angaben der Rebellen, sechs Tage nach dem Einmarsch der Aufständigen, vollständig erobert worden. Am Sonnabend bemühten sich die Rebellen darum, die Kontrolle über eine wichtige Zufahrtsstraße zu gewinnen, um die angespannte Versorgungslage mit Lebensmitteln und Treibstoff in den Griff zu bekommen. In Tripolis war die Lage weiter prekär: Weite Teile der Hauptstadt hatten kein fließendes Wasser und keinen Strom. Bewohner berichteten, das Benzin werde knapp.

Die Aufständischen hätten am Samstag die Truppen des langjährigen Machthabers Muammar al Gaddafi im Vorort Kasr bin Ghaschir von Tripolis besiegt, sagte Rebellenoffizier Omar al Ghusajl. Von Kasr bin Ghaschir aus hatten Gaddafis Truppen den Flughafen der Hauptstadt beschossen.

Einen Großteil der Zufahrtsstraße, die Tripolis mit der tunesischen Grenze verbindet, hatten die Rebellen nach Angaben ihres Informationsministers Mahmud Schammam bereits unter Kontrolle. Regimetreue Truppen bombardierten jedoch ein Gebiet etwa auf halber Strecke nahe der Stadt Swara, sagte Schammam.

Um die Benzinknappheit in der Hauptstadt lindern zu helfen, soll eine Ölraffinerie bei Tripolis am Montag wieder die Produktion aufnehmen. Zunächst solle in der Raffinerie gelagertes Öl verarbeitet werden, sagte Manager Mohammed Asis am Samstag in Sawija. In zwei Tagen sollte dann Nachschub aus Ölfeldern im Süden eintreffen. Für 20 Liter Benzin müssen derzeit 100 Dollar (69 Euro) bezahlt werden, das ist das 28-fache des Preises vor Beginn des Aufstands gegen Gaddafi vor einem halben Jahr.

Mit Unterstützung von Nato-Kampfflugzeugen konzentrierte sich die Suche nach dem untergetauchten Machthaber auf dessen Heimatstadt Sirte, die letzte große Bastion der loyal zu Gaddafi stehenden Truppen. Die Aufständischen bemühten sich, die regimetreuen Kämpfer in Verhandlungen zur Kapitulation zu bewegen. „Wir wollen kein weiteres Blutvergießen“, sagte Schammam. Rebellenkommandeur Fald-Allah Haron erklärte jedoch, die Gespräche seien gescheitert. Die Kämpfer hätten sich östlich von Sirte positioniert und warteten auf weitere Luftangriffe der Nato.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zollte dem Einsatz der Nato-Verbündeten in Libyen ihre Anerkennung. Sie habe dafür "tiefen Respekt“, sagte die CDU-Politikerin der "Bild am Sonntag“ laut Vorabbericht vom Sonnabend. Die Teilnahme Deutschlands an einer möglichen UN-Mission in Libyen will Merkel prüfen.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte die Rebellen gegenüber der Zeitung "Die Welt“ (Sonnabendausgabe) zur Einhaltung der Menschenrechte auf. Der Justizminister der Aufständischen, Mohammed al Egeli, erklärte, gefangene Gaddafi-Kämpfer würden im Einklang mit den internationalen Menschenrechten behandelt. Er verwies jedoch darauf, dass man sich noch immer im Kriegszustand befinde und es bei den Kämpfen Opfer auf beiden Seiten gebe.

Von Hadeel Al-Shalchi und Paul Schemm