Libyens gesuchter Diktator meldet sich in einer Audiobotschaft zu Wort. Zwei Gebäude in Tripolis umlagert. Entführte Journalisten wieder frei.

Tripolis/London/Paris. 21.48 Uhr: In Tripolis und anderen Landesteilen Libyens haben sich Truppen des gestürzten Despoten Muammar al-Gaddafii am Abend weiter teils erbitterte Kämpfe mit den Rebellen geliefert. Zugleich mehren sich die Hinweise auf Gräueltaten auf beiden Seiten.Ein Reporter der britischen BBC berichtete, in ein Krankenhaus im Bezirk Mitiga seien die Leichen von 17 Rebellen eingeliefert worden. Ein Arzt habe angegeben, die Männer seien in einer Schule, die von den Gaddafi-Truppen als vorübergehendes Gefängnis genutzt worden sei, gefoltert und dann getötet worden. Ein weiterer Korrespondent der BBC entdeckte im Zentrum der Hauptstadt zwei Leichen von Gaddafi-Kämpfern, deren Hände auf dem Rücken zusammengebunden waren.

21.22 Uhr: Uhr: Mit mehr als 200 Flüchtlingen an Bord hat ein Schiff zur Rettung von Ausländern vom Hafen der libyschen Hauptstadt Tripolis abgelegt. Unter den Passagieren seien Deutsche, Italiener und Kanadier, teilte eine Sprecherin der UN-Organisation für Migration (IOM) in Genf weiter mit. Die Ankunft des Schiffes hatte sich wegen der andauernden Kämpfe zwischen Rebellen und Regierungstruppen um mehrere Tage verzögert.

20.22 Uhr: Reporter der Nachrichtenagentur AP berichteten aus dem Stadtviertel Abu Salim, es habe schwere Explosionen gegeben. Mindestens drei Gebäude stünden in Flammen. Die Anhänger Gaddafis seien schwer bewaffnet und hätten möglicherweise sogar einen Panzer zur Verfügung, sagte einer der Rebellen, Mohammed Karami.

18.12 Uhr: Muammar al-Gaddafi hat die Bevölkerung erneut zum Widerstand gegen die Rebellen aufgerufen. Auch Frauen und Kinder sollten am Kampf teilnehmen, sagte Gaddafi nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al Dschasira in einer kurzen von Gaddafi-treuen Sendern ausgestrahlten Audiobotschaft. Diese sei von einem regimetreuen Sender ausgestrahlt worden. In der Botschaft habe Gaddafi seine Anhänger aufgerufen, all jene aus der Hauptstadt zu vertreiben, die Schande gebracht hätten.

In der Botschaft rief Gaddafi seine Landsleute auf, gegen die „ausländische Intervention“ in seinem Land zu kämpfen. Er forderte seine Anhänger zum Marsch auf Tripolis auf, um sie von den Rebellen zu „reinigen“. Die Aufständischen, die er als „Ratten, Kreuzfahrer und Ungläubige“ bezeichnete, müssten „bekämpft und vernichtet„ werden. Seine Anhänger stellten die übergroße Mehrheit. Für die Rebellen werde es keinen sicheren Ort im Land geben.

17.41 Uhr: Etwa 1000 Kämpfer der Aufständischen haben in Tripolis zwei Gebäude umstellt, in denen sich Anhänger Gaddafis aufhalten sollen. Reporter der Nachrichtenagentur AP berichten von Gewehrfeuer und einer schweren Explosion. Ein Kommandeur der Rebellen, Mahmud Bakusch, sagte, Gerüchten zufolge halte sich möglicherweise einer von Gaddafis Söhnen in den Gebäuden auf. Eine Bestätigung dafür gab es zunächst aber nicht.

17.32 Uhr: Nach einem Bericht des französischen Magazins „Paris Match“ konnte Muammar al-Gaddafi am Mittwochmorgen nur knapp seiner Festnahme entgehen, als eines seiner Verstecke nach einem Hinweis „einer glaubwürdigen Person" gestürmt worden sei. Es lägen Beweise vor, dass Gaddafi mindestens eine Nacht in dem Unterschlupf verbracht habe.

17.04 Uhr: Der türkische Außenminister hat bei einem Treffen der Libyen-Kontaktgruppe die Freigabe von eingefrorenen libyschen Vermögenswerten und ein weiteres Engagement der Nato gefordert. Bei dem Treffen in Istanbul sagte Ahmet Davutoglu, die UN müsse das Vermögen unverzüglich freigeben. Der Nato-Einsatz müsse solange aufrechterhalten werden, bis „physische Sicherheit“ gewährleistet werden könne, sagte der Außenminister.

16.17 Uhr: In einem Triumphzug ist die Hälfte der Minister des libyschen Übergangsrates in einem Konvoi in den Westen von Tripolis eingefahren. Entlang der Straße sei den politischen Führern des Aufstandes zugejubelt worden, berichtete eine dpa-Korrespondentin, die die Fahrt begleitete. Der Verantwortliche des Übergangsrates für das Ölgeschäft, Ali al-Tarhuni, sagte: „Endlich sind wir da.“ Eine zunächst geplante Pressekonferenz wurde verschoben, weil sie aus symbolischen Gründen im Stadtzentrum stattfinden solle.

15.41 Uhr: In der Nähe der von Rebellen gestürmten Residenz Gaddafis in Tripolis wird heftig gekämpft. Das berichtete ein dpa-Mitarbeiter in der libyschen Hauptstadt. Unklar war, ob sich Gaddafi und möglicherweise seine Familie dort aufhalten. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders al-Dschasira gibt es in der Stadt Gerüchte, Gaddafi sei von den Rebellen aufgespürt worden.

15.17 Uhr: Drei Monate nach Anerkennung des Nationalen Übergangsrates durch Deutschland weht über der libyschen Botschaft in Berlin jetzt die neue Flagge. Vom Übergangsrat sei bereits der künftige diplomatische Vertreter benannt worden, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes der Nachrichtenagentur dapd.

14.51 Uhr: Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle warnt vor Massenvernichtungswaffen in Libyen. Dort lagerten mindestens elf Tonnen Senfgas, sagte Westerwelle. Es müsse ausgeschlossen werden, dass diese hochgefährlichen Chemiewaffen in einem möglichen irrationalen Akt zum Einsatz kämen. Deutschland sei bereit, bei der Beseitigung des Kampfgases zu helfen. Der frühere Chefinspekteur der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Olli Heinonen, hatte auf radioaktives Material hingewiesen, das in den falschen Händen eine große Gefahr darstellen würde. Der Stoff befinde sich in libyschen Laboratorien. 2003 hatte Libyen sein Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen aufgegeben.

14.42 Uhr: Aufständische in Libyen glauben, dem früheren Machthaber Gaddafi auf der Spur zu sein. „Gaddafi ist nicht in Tripolis. Er ist an einem Ort ungefähr 150 Kilometer von Tripolis entfernt mit einem seiner Söhne“, sagte Atman Ibrahim Mleita, Kommandeur der Rebelleneinheit al-Karkar, im Westen der Hauptstadt.

14.22 Uhr: Angesichts der unübersichtlichen Lage in Libyen hat die Unesco vor Plünderungen und einer Zerstörung des kulturellen Erbes des Landes gewarnt. Auch internationale Antiquitätenhändler und Galerien sollten „angesichts der Umstände bei Objekten aus Libyen besonders vorsichtig sein“, sagte Unesco-Direktorin Irina Bokowa. Bei Kunstgegenständen aus dem nordafrikanischen Land könnte es sich um Diebesgut handeln. In Libyen gibt es fünf als Welterbe klassifizierte Stätten, darunter römische Ruinen.

13.47 Uhr: Italien gibt 505 Millionen Dollar (350 Millionen Euro) an eingefrorenem libyschen Vermögen frei. Das kündigte Ministerpräsident Silvio Berlusconi in Mailand an. Das Vermögen lagert bei italienischen Banken.

13.44 Uhr: Der untergetauchte Diktator Gaddafi kann nach einem Fernsehbericht ein gut verzweigtes Tunnelsystem für seine Flucht nutzen. Die unterirdischen Gänge reichten bis zu 30 Kilometer aus der Hauptstadt Tripolis heraus, berichtete ein Korrespondent des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira. Der Reporter hatte Rebellen in einen Bunker Gaddafis im Militärkomplex Bab al-Asisija begleitet und Aufnahmen von mehreren Tunnel gemacht. Der Reporter sprach von einem Labyrinth mit Kurven und Abzweigungen. Es sei nicht beleuchtet. In dem System gebe es auch klimatisierte Schlafräume. An anderer Stelle würden Gasmasken oder Lebensmittelvorräte aufbewahrt. Die Gänge seien so breit, dass auf ihnen auch Fahrzeuge fahren könnten. Rebellen waren auch in Privathäuser Gaddafis eingedrungen und hatten sich triumphierend mit Gaddafis zurückgelassenen Wertsachen fotografieren lassen.

12.38 Uhr: Die vier in Libyen entführten italienischen Journalisten sind frei. Die Reporter seien am Donnerstag in einem Haus in der Hauptstadt Tripolis befreit worden, berichtete die Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ auf ihrer Internetseite. Wer den Einsatz durchgeführt hatte, war zunächst unklar. Die Journalisten waren am Mittwoch von Anhängern des bisherigen Machthabers Gaddafi auf der Straße von Sawija nach Tripolis entführt worden. Ihr libyscher Fahrer war bei dem Überfall getötet worden. Zwei der Korrespondenten arbeiten für „Corriere della Sera“, einer für das Turiner Blatt „La Stampa“ und einer für die katholische Tageszeitung „Avvenire“.

12.02 Uhr: Die libyschen Rebellen haben nach eigenen Angaben bei ihrem Vordringen in Tripolis etwa 20.000 politische Häftlinge befreit. Die Häftlinge seien am Mittwoch im Stadtteil Bu Salim befreit worden, berichtete al-Dschasira. Die Rebellen würden den von Gaddafi nachsetzen, die in Richtung Sirte – Gaddafis Geburtsstadt – und Saba fliehen würden.

11.41 Uhr: Die Nato hilft den Rebellen in Libyen nach Angaben des britischen Außenministers Liam Fox bei der Suche nach Gaddafi und Anhängern seines Regimes. Die Nato stelle dem Übergangsrat in Libyen sowohl Geheimdienstinformationen als auch Mittel zur Aufklärung und Erkundung zur Verfügung, sagte Fox in einem Interview des Senders BBC. Die Mission in Libyen sei noch nicht vorbei, da es weiterhin einige Herde gewalttätigen Widerstands im Süden von Tripolis gebe.

10.42 Uhr: Der entmachtete Diktator Gaddafi verfügt nach Angaben seines früheren Zentralbankchefs über Goldreserven in Milliardenhöhe und könnte diese einsetzen wollen, um Chaos zu säen. Das sagte Farhat Bengdara der Mailänder Zeitung „Corriere della Sera“. Aus seiner Sicht könnte Gaddafi einen Teil des Goldes im Wert von insgesamt zehn Milliarden Dollar (knapp sieben Milliarden Euro) mit auf die Flucht genommen haben, auch um einige libysche Stämme und Milizen zu bestechen und für seinen Schutz zu gewinnen. „Es gibt zwei Möglichkeiten: Er könnte entweder nach Sebha (südlich von Tripolis) geflohen sein, wo er eine logistische Basis hat, oder er ist auf dem Weg zur algerischen Grenze“, meinte der frühere Gouverneur der libyschen Zentralbank in dem Interview. „Zuvor hat er allerdings verzweifelt versucht, das Gold zu verkaufen“, fügte Bengdara hinzu.

10.37 Uhr: Der bisherige libysche Botschafter in Deutschland, Dschamal al-Barag, hat sich nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ ins Ausland abgesetzt. Dies berichtete die Zeitung ohne Angaben von Quellen. Im Auswärtigen Amt und bei der Botschaft war dafür zunächst keine Bestätigung zu erhalten. Man habe zu al-Barag bereits seit längerer Zeit keinen Kontakt mehr, hieß es im Ministerium. Der Diplomat hatte sich bis zuletzt nicht von Gaddafi distanziert.

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10.14 Uhr: Trotz des allmählich zu Ende gehenden Konflikts in Libyen fliehen die Bewohner weiter über die Grenze nach Tunesien. Die tunesischen Streitkräfte haben nach Angaben der staatlichen tunesischen Nachrichtenagentur TAP mittlerweile eine Infrastruktur zur Versorgung aufgebaut. Auch in zivilen Krankenhäusern werden Verwundete versorgt.

9.12 Uhr: Die Aufständischen in Libyen haben mehrere weitere Häuser des Gaddafi-Clans gestürmt. Etwa 200 Menschen plünderten die Strandvilla des Gaddafi-Sohnes Al Saadi. Sie fuhren mit vier seiner Autos davon, wie einer der Kämpfer mitteilte. Nach einem fünfstündigen Feuergefecht mit Wachleuten stürmten sie auch das Haus von Gaddafis Tochter Aisha. Zuvor hatten die Aufständischen bereits die frühere Residenz des bisherigen Machthabers weitgehend erobert.

8.37 Uhr: Angesichts des Umsturzes in Libyen planen die Aufständischen nun die Bildung eines Kabinetts. Das sagte Rebellenführer Mahmud Dschibril nach einem Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy in Paris. Geplant sei außerdem die Einrichtung eines Nationalkongress, der wiederum ein Komitee zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden solle, sagte der Vorsitzende des Exekutivausschusses des Übergangsrats. Zuerst solle ein Parlament gewählt werden, später werde eine Präsidentenwahl folgen.

Nach der Eroberung der Hauptstadt Tripolis durch die Rebellen laufen immer mehr Vertraute des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi zu den Aufständischen über. Die Nummer zwei des libyschen Geheimdienstes, Chalifah Mohammad Ali, erklärte im Fernsehsender al-Arabija, er stelle seine Dienste der Revolution vom 17. Februar zur Verfügung. Zugleich rief er alle weiteren Geheimdienstmitarbeiter und Soldaten auf, seinem Beispiel zu folgen. Auch Gaddafis Gesundheitsminister Mohammed Hidschasi wechselte die Seiten und begründete den Schritt mit der Eroberung der Hauptstadt. Trotz dieses Erfolgs ermahnte er die Aufständischen zur Vorsicht: „Das Gaddafi-Regime hat so seine Tricks und Taktiken. Man muss mit allem rechnen. Ich warne die Rebellen, bleibt wachsam.“

In Tripolis hielten die Gefechte zwischen Aufständischen und Regierungstruppen auch in der Nacht auf Donnerstag an. Rebellen machten Jagd auf Vertraute und Verwandte des einstigen Revolutionsführers. Im Hotel Corinthia gingen Kämpfer von Zimmer zu Zimmer auf der Suche nach Gaddafis Sohn Saadi.

Schwere Kämpfe brachen nach Rebellenangaben auch rund um ein Anwesen in Tripolis aus, auf dem sich der Militärchef Abdul Rahman al-Syd verschanzt haben soll. Nahe des gestürmten Gaddafi-Komplexes Bab al-Asisijah kam es ebenfalls zu Gefechten. Die Gegner von Gaddafi hatten zuvor ein Kopfgeld auf den langjährigen Machthaber ausgesetzt.

Ein Geschäftsmann aus Bengasi habe eine Belohnung von umgerechnet etwas mehr als einer Million Euro für die Ergreifung Gaddafis ausgesetzt, sagt der Chef des Übergangsrats der Rebellen, Mustafa Abdel Dschalil, vor Journalisten. Außerdem versprachen die Aufständischen denjenigen aus Gaddafis Umgebung eine Amnestie, die ihn gefangen nehmen oder töten. Es wird vermutet, dass sich Gaddafi noch in Tripolis oder in der Nähe der Hauptstadt befindet. Seinen Rückzug aus Bab al-Asisijah hatte Gaddafi nur als „taktisches Manöver“ bezeichnet.

In den Krankenhäusern werden derweil die Medikamente knapp. Ärzte sprechen von chaotischen Zuständen. Unterdessen bemühte sich die Regierung in Rom um die Freilassung von vier in Libyen entführten italienischen Journalisten. Wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete, habe ein Krisenstab des Außenministeriums alle diplomatischen Hebel in Bewegung gesetzt. Die Entführten seien offenbar in einer Wohnung in Tripolis nahe dem Hotel Rixos untergebracht. Nach dem Fastenbrechen am Abend hätten sie Nahrung und Wasser von ihren Kidnappern bekommen, berichteten die Entführten telefonisch in die Heimat.

Bei den Verschleppten handelt es sich um zwei Journalisten des „Corriere della Sera“ sowie um je einen Vertreter der katholischen Zeitung „Avvenire“ und von „La Stampa“. Vermutlich Gaddafi-Milizen hätten die Journalisten auf dem Weg nach Tripolis angehalten und den Fahrer erschossen, teilte der regionale italienische Journalistenverband von Latium mit. Das habe einer der Entführten per Telefon mitgeteilt. Pariser Medien berichteten, dass in Tripolis zwei französische Reporter durch Schüsse verletzt worden seien.

Die Übergangsregierung läutet bereits eine neue Ära ein. Sie legte einen Zeitplan für das Libyen nach Gaddafi vor und kündigte Wahlen binnen acht Monaten an. In Paris kündigte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy eine Libyen-Aufbaukonferenz für den 1. September in der französischen Hauptstadt an. „In voller Übereinstimmung mit (dem britischen Regierungschef) David Cameron haben wir beschlossen, eine große internationale Konferenz zugunsten des freien Libyen von morgen einzuberufen – um zu zeigen, dass wir uns nun mit der Zukunft befassen“, sagte Sarkozy nach einer Unterredung mit dem Chef der Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, im Élysee-Palast. (dpa/rtr/dapd/abendblatt.de)