Geißler kritisiert Koalitionspartner FDP. Kauder verweist auf “gute Lage Deutschlands“. Die Berliner CDU pflichtet Teufel bei.

Berlin. Die CDU streitet weiter über ihr Profil. Die Parteiführung bemühte sich am Donnerstag, die öffentliche Debatte zu beenden. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte in der ARD,seiner Meinung nach sollte diese Diskussion «in der Familie» gehalten werden. «Es hilft überhaupt nichts, wenn da in der Öffentlichkeit große Diskussionen geführt werden.» Der frühere baden-württembergische Regierungschef Erwin Teufel (CDU) hatte die Debatte mit harscher Kritik am Kurs der CDU-Vorsitzenden, Bundeskanzlerin Angela Merkel, angestoßen.

Teufel hatte kritisiert, die CDU-Stammwähler könnten die Alleinvertretungsmerkmale der Partei und ihre Kernkompetenzen nicht mehr erkennen. Der Union fehle ein wirtschaftspolitisches Gesicht. Auch in der Europapolitik habe die Partei ihr Profil verloren.

Kauder räumte ein, dass das Erscheinungsbild der Koalition in der ersten Halbzeit der Legislaturperiode «nicht besonders gut» war. «Wir müssen in der zweiten Halbzeit besser spielen.» Jedoch sollten die positiven Ergebnisse der Regierungsarbeit hervorgehoben werden. «Deutschland geht es gut. Das hätte man auch mal sagen können.»

Auch der CDU-Europapolitiker Elmar Brok bemängelte, er finde es nicht «sonderlich lustig, dass Teile der CDU hier ein Sommertheater inszenieren». Die Einheit einer Partei sei «ein wichtiges Kriterium für die Wählbarkeit. Der Eindruck von innerparteilichen Auseinandersetzungen ist nicht gerade überzeugend», sagte er «Focus online». Seiner Ansicht nach habe Merkel die Kritik erkannt und werde sich bei den Regionalkonferenzen im Herbst der Basis stellen. Die Veranstaltungen werden in Hamburg, Düsseldorf, Wiesbaden und Berlin stattfinden. Die Kanzlerin ist derzeit im Urlaub in den Südtiroler Bergen.

Der Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler sieht ein anderes Problem der CDU: «Die CDU hat den falschen Koalitionspartner. Leider kann man daran nichts ändern. Aber das Problem heißt ganz klar FDP», sagte der ehemalige CDU-Generalsekretär der Zeitung «Die Welt». Fast alle Probleme der CDU in der Vergangenheit seien von der FDP verursacht, «von der Hoteliersteuer angefangen bis hin zu der ständigen Steuersenkungsdebatte und der Verhinderung der internationalen Finanztransaktionssteuer». Als Alternative empfiehlt er eine Koalition mit den Grünen. «Es gab Hindernisse, aber die sind beseitigt.»

Zugleich stellte sich Geißler vor Merkel. Die Kritik am Kurs der CDU-V orsitzenden sei «Gedankenfaulheit» solcher Parteimitglieder, die «nach dem Zusammenbruch des Sozialismus kein Feindbild mehr haben». Merkel versuche, die «sozialpolitische Schlagseite» der CDU im vergangenen Jahrzehnt zu korrigieren. Die Energiewende sei «die beste Entscheidung» gewesen, «die eine deutsche Regierung in den letzten Jahren gefällt hat».

Der CDU-Spitzenkandidat für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Frank Henkel, unterstützte dagegen die Anmerkungen Teufels. «Es ist völlig legitim, dass ein langjähriger und erfolgreicher Ministerpräsident über den Kurs seiner Partei nachdenkt», sagte Henkel auf dapd-Anfrage. «Bei aller Öffnung der Partei müssen wir darauf achtgeben, dass auch die Stammwähler nicht zu kurz kommen und schwierige Entscheidungen verständlich kommuniziert werden», fügte Henkel hinzu. Teufel habe «viel Richtiges» angesprochen.

Auch der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, nannte es «sehr verdienstvoll» von Teufel, diese Grundsatzdebatte angestoßen zu haben. Trotz der Sorge um die Zukunft der Union hätten sich viele Mitglieder lange mit Kritik an der Parteiführung zurückgehalten. Teufel sei dagegen ein Mann, dem man weder eine Dolchstoßlegende anhängen noch eigene Ambitionen nachsagen könne.

(dapd/abendblatt.de)