Der serbische Ex-General soll als Zeuge zu möglichen muslimischen Verbrechen unter Kommandeur Oric während des Bosnienkriegs aussagen.

Belgrad/Den Haag. Der in Serbien für die Verfolgung von Kriegsverbrechen zuständige Staatsanwalt will den vom UN-Tribunal in Untersuchungshaft genommenen früheren bosnisch-serbischen General Ratko Mladic vernehmen. Dazu werde in Den Haag ein Antrag eingereicht, erklärte die Staatsanwaltschaft in Belgrad am Samstag. Die angestrebte Vernehmung sei Teil der Ermittlungen zu Gräueltaten gegen Serben während des Bosnienkriegs von 1992 bis 1995.

Mladic gelte als möglicher Zeuge bei Ermittlungen zu Verbrechen, die im Osten Bosniens von muslimischen Truppen unter der Führung von Naser Oric, dem seinerzeitigen Kommandeur von Srebrenica, begangen worden sein sollen. Das UN-Tribunal hat Oric freigesprochen. Nach Angaben der serbischen Staatsanwaltschaft umfasst ihr Fall aber mögliche Verbrechen, die nicht Teil der UN-Anklage waren.

Nach serbischen Angaben wurden im Großraum Srebrenica Tausende Serben getötet, bevor Mladics Truppen die Stadt im Juli 1995 überrannten. Beim Massaker von Srebrenica wurden rund 8.000 Menschen getötet.

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"Ich bin General Mladic und habe mein Volk verteidigt"

Fast 16 Jahre lebte der mutmaßliche serbische Kriegsverbrecher Ratko Mladic im Verborgenen. Gestern gab er sich bei der ersten Anhörung vor dem Uno-Tribunal in Den Haag kämpferisch "Ich will nicht, dass man mir die Anklage vorliest", sagte der ehemalige Militärchef der bosnischen Serben im Bürgerkrieg (1992-1995).

Doch der Vorsitzende Richter, der Niederländer Alphons Orie, bestand auf der Verlesung einer Zusammenfassung der elf Anklagepunkte. Dem Angeklagten werden "Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen die Gesetze und Regeln der Kriegsführung" vorgeworfen.

Der Richter beschrieb Fälle von "Mord und Deportation", berichtete über Massengräber, aus denen die Leichen zur Vertuschung wieder herausgeholt und zerstückelt in neuen "Sekundärgräbern" verscharrt wurden. Er sprach von Zwangslagern und massenhafter sexueller Gewalt. "Ich muss das gut durchlesen", reagierte Mladic auf die Vorwürfe. Es seien "monströse Worte" gefallen, "von denen ich noch nie gehört habe". "Ich habe mein Volk und mein Land verteidigt", sagte er. "Ich habe keine Muslime und keine Kroaten umgebracht."

Mladic antwortete auf Fragen nach seiner Person mit: "Ich bin General Ratko Mladic. In der ganzen Welt weiß man, wer ich bin: Ich bin General Ratko Mladic“. Er zeigte sich überzeugt, seine Unschuld beweisen zu können: "Ich will noch meine Freiheit erleben“, sagte er. Die Verhandlung wurde auf den 4. Juli (1000 Uhr) vertagt, damit sich der Angeklagte auf seine Verteidigung vorbereiten kann.

Mladic wird vor allem für das Massaker von Srebrenica verantwortlich gemacht. Dabei wurden rund um den 15. Juli 1995 bis zu 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet. Auch in Sarajevo herrschte Terror: drei Jahre wurde die bosnische Hauptstadt von den umliegenden Bergen mit schweren Waffen beschossen. Tausende kamen ums Leben.

"Ich bin ein schwer kranker Mann“, berichtete der Ex-General zu Beginn des Prozesses mit schwerer Stimme. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit äußerte sich Mladic vor den Richtern über seinen Gesundheitszustand. Sein Belgrader Anwalt hatte behauptet, Mladic leide an Lymphdrüsenkrebs und könne die Verhandlung nicht überleben, das Tribunal bestritt diese Angaben.

"Im Augenblick gibt es keine Hinweise, dass der Gesundheitszustand Mladic hindern wird, am Gerichtsverfahren teilzunehmen“, sagte der Sekretär des Tribunals, John Hocking, der Belgrader Zeitung "Blic“ (Freitag). Auch Mladic-Sohn Darko betonte in Belgrad, sein Vater fühle sich gut. Das habe er selbst aus dem Gefängnis des Tribunals seiner Familie berichtet. Er sei zuversichtlich, seine Unschuld beweisen zu können.

Während die serbische Regierung die Finanzierung der Mladic-Verteidigung ablehnt, hat die Regierung der bosnischen Serbenrepublik 50.000 Euro als Soforthilfe bereitgestellt. Als Pflichtverteidiger wurde ihm zunächst der Anwalt Aleksandar Aleksic zugewiesen, bis er sein eigenes Verteidigerteam zusammengestellt hat. Aleksic hatte vor dem Tribunal schon zwei andere serbische Angeklagte vertreten. Wegen des besonderen Falles wird die Anklage vom Chefankläger, Serge Brammertz, persönlich vertreten. (abendblatt.de/dpa)