Lage im Jemen eskaliert. Angriff auf den Palast von Präsident Saleh. Unklar, von wem. Salehs Zustand wird unterschiedlich propagiert.

Sanaa. Ali Abdullah Saleh lebt und ruft die Streitkräfte in einer Audiobtoschaft dazu auf, gegen die "bewaffneten Banden“ vorzugehen, die seinen Palast beschossen hätten. Zuvor waren unterschiedliche Berichte veröffentlicht wurden, die berichteten, dass der Machthaber Jemens bei den Angriffen auf seine Residenz ums Leben gekommen sei. Andere vermeldeten, dass der Präsident lediglich leicht verletzt sei.

Das Sprechen bereitete Saleh hörbar Mühe und er atmete teilweise schwer. Ursprünglich hieß es, der Präsident werde eine Pressekonferenz geben. Allerdings wurden zu der Audiobotschaft keine Livebilder von Saleh ausgestrahlt.

Daher ist das Schicksal von Jemens Machthaber Ali Abdullah Saleh nach einem Angriff auf seinen Palast weiter unklar. Nach Angaben eines westlichen Diplomaten wurde der Präsident dabei leicht verletzt. Der arabische Fernsehsender Al-Arabija berichtete unter Berufung auf einen Vertreter der Regierungspartei, Saleh werde in einem Militärkrankenhaus behandelt. Die staatliche Nachrichtenagentur Saba meldete, dem Präsidenten gehe es gut. Ein Fernsehsender der Opposition hatte zunächst berichtet, Saleh sei bei dem Angriff ums Leben gekommen.

Der Jemen, der seit Monaten Schauplatz überwiegend friedlicher, von den Revolutionen in Tunesien und Ägypten inspirierter Proteste ist, droht seit einigen Tagen in einen Bürgerkrieg abzugleiten. Heftige Kämpfe begleitet von mehreren Explosionen tobten wie bereits die gesamte Woche in Jemens Hauptstadt zwischen Anhängern und Gegnern Salehs. Sanaa ist de facto geteilt zwischen Stammeskämpfern und abtrünnigen Militärs im Norden sowie Saleh-Anhängern im Süden, der am Freitag erstmals von den Kämpfen erfasst wurde. Bewohner trauten sich nicht aus ihren Häusern. Auch aus anderen Landesteilen wurden Auseinandersetzungen gemeldet.

Was genau Saleh zustieß, war stundenlang nicht klar. Von offizieller Seite hieß es wiederholt, der Präsident sei wohlauf. Eine Ansprache an die Nation, die Saleh nach Angaben eines Regierungsvertreters kurz nach den Angriff halten wollte, blieb jedoch aus. Stunden später hieß es, in einiger Zeit werde eine Mitteilung herausgegeben. Ob diese von Saleh selbst oder lediglich in seinem Namen verfasst werde, war jedoch ebenfalls nicht klar.

Saleh und Spitzenvertreter der Regierung hätten sich anlässlich des Freitagsgebets in der Palast-Moschee befunden, als eine Granate dort eingeschlagen sei, meldete Saba. Drei Wächter seien getötet worden. Angaben, wonach auch ein Imam ums Leben gekommen sei, korrigierte die staatliche Agentur jedoch wenig später. Aus dem Umfeld Salehs verlautet, mehrere Regierungsvertreter seien verletzt worden. Details wurden nicht bekannt.

Auch wer den Angriff auf den Präsidentenpalast verübte, blieb zunächst unklar. Die Regierung bezichtigte die Mitstreiter von Stammensanführer Sadek al-Ahmar, was dieser aber zurückwies. Saleh selbst habe den Angriff inszeniert, um zu rechtfertigen, dass die Regierung die Straßenkämpfe in Sanaa eskaliert habe, sagte Ahmar. In Verdacht geriet auch der abtrünnige General Ali Mohsen, der Saleh im April seine Loyalität aufgekündigt hatte und seine Soldaten nach Sanaa geschickt hat, um die Anti-Saleh-Demonstranten zu schützen.

Mehr als 370 Menschen sind seit Ausbruch der Proteste im Januar gegen die fast 33-jährige Herrschaft Salehs inzwischen getötet worden, mindestens 155 davon in den vergangenen zehn Tagen. Der Präsident hat ungeachtet des wachsenden internationalen Drucks und schwindenden Rückhalts im eigenen Land drei Vermittlungsversuche der Golfstaaten abgelehnt, die ihm im Gegenzug für einen Rücktritt Immunität zusicherten. Durch sein stures Festhalten an der Macht hat er es sich inzwischen auch mit den einstigen Verbündeten USA und Saudi-Arabien verscherzt.

Experten befürchten, dass der verarmte Jemen zum gescheiterten Staat und so zum Sicherheitsrisiko für die gesamte Region werden könnte. „Die Gefahren, die von einem zusammengebrochenen Jemen für die Region ausgehen würden, sind zu schrecklich, als dass man darüber nachdenken will“, sagte Ghanem Nuseibeh von der Denkfabrik Political Capital. Es drohten sowohl sicherheitspolitische wie auch wirtschaftliche Konsequenzen. Der jemenitische Flügel der radikal-islamischen Al-Kaida könne sich breitmachen. „Das hätte Folgen für die Piraterie im Golf von Aden.“ (rtr/dapd/abendblatt.de)