Warum wurde Kanzlerin Merkel der Überflug über den Iran zunächst verweigert? Teheran gibt dem Piloten die Schuld, Berlin den iranischen Behörden.

Berlin/Teheran. Das vorübergehende Flugverbot im Iran für die Maschine von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schlägt weiter hohe Wellen. Deutschland und der Iran weisen sich gegenseitig die Schuld für den Eklat zu.

Teheran machte am Mittwoch einen Pilotenfehler dafür verantwortlich, dass Merkel auf ihrem Weg nach Indien von den iranischen Behörden gestoppt und in den türkischen Luftraum zurückverwiesen wurde. Die Bundesregierung weist diese Darstellungen zurück. Die Bewilligung Irans für den Überflug des Regierungs-Airbus habe vor dem Start vorgelegen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch in Berlin. Als sich der Airbus A340 der iranischen Grenze vergangenen Montag genähert habe, sei der Überflug zunächst freigegeben, ein paar Minuten später aber widerrufen worden.

Von deutscher Seite seien alle üblichen Verfahrensweisen eingehalten worden, sagte der Sprecher weiter. Der iranische Botschafter in Berlin hatte dagegen erklärt, der Pilot der Regierungsmaschine habe falsche Rufzeichen gesendet. "Es war der Fehler des Piloten. Er hat den Code für die Rückkehr angegeben, nicht den für den Eintritt in den Luftraum“, sagte Ali Resa Scheikh Attar der "Financial Times Deutschland“. Es sei ein rein technisches Problem gewesen.

Merkel kam am Dienstag wegen des zunächst verweigerten Überflugs mit zwei Stunden Verspätung zu den ersten deutsch-indischen Konsultationen in Neu Delhi an. Das Auswärtige Amt bestellte den iranischen Botschafter ein, um zu protestieren. Außenminister Guido Westerwelle sprach von einem "Verstoß gegen alle internationalen Gepflogenheiten“ und einer "Respektlosigkeit gegenüber Deutschland, die wir nicht hinnehmen können“.

"Wir sollten so etwas nicht politisieren“, sagte der Gesandte Scheikh Attar der "Financial Times". Bedauerlich sei, dass "gewisse Nachrichtensender“ einen Vorfall komplizieren würden, bei dem es sich lediglich um menschliches Versagen gehandelt habe. Er erwarte zwar keine Entschuldigung Deutschlands wegen der Anschuldigungen aus Berlin. "Aber es sollte eine Klarstellung geben, dass es nur ein technisches Problem war.“

Irans Amtskollege Ali Akbar Salehi blies am Mittwoch zur diplomatischen Gegenoffensive. "Es war nur ein technischer Irrtum des deutschen Piloten, der beim Kontakt mit der iranischen Seite einen falschen Signalcode eingegeben hatte“, sagte er in Teheran. Der Irrtum habe schnell ausgeräumt werden können. "Es war definitiv keine Absicht im Spiel“, betonte Salehi. Ähnlich hatte sich zuvor schon der iranische Botschafter in Berlin in einem Zeitungsinterview geäußert.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte, man habe den Botschafter in aller Deutlichkeit auf internationale Gepflogenheiten bei Überflügen hingewiesen. Man wolle sich aber nicht an Spekulationen über die Hintergründe für das Vorgehen Irans beteiligen. Die Europäische Union (EU) hatte vor einer Woche die Sanktionen gegen den Iran ausgeweitet. Unter anderem wurden Konten und Vermögen der Europäisch-Iranischen Handelsbank in Hamburg eingefroren. Das Institut war die einzige iranische Bank im Ausland, deren Konten noch nicht eingefroren waren. Durch den wirtschaftlichen Druck soll die Regierung in Teheran dazu gebracht werden, ihr Atomprogramm einzustellen. Die Islamische Republik steht im Verdacht, unter dem Deckmantel des Forschungsprogramms Nuklearwaffen zu entwickeln, was das Land bestreitet.

Die Bundesregierung wies den Vorwurf gegen den Piloten zurück. Die Flugbereitschaft der Bundeswehr habe bei der Vorbereitung und Durchführung des Fluges alle Vorschriften „korrekt eingehalten“, sagte der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Christian Dienst, in Berlin. Der Überflug sei bereits am 27. April fristgerecht beantragt worden. Bei Erreichen des iranischen Luftraums sei der Airbus A340 mit dem Rufzeichen "German Airforce 901“ zunächst zugelassen, nach "wenigen Minuten“ aber dann doch wieder zurückgewiesen worden.

Eine andere Maschine mit deutschen Delegationsmitgliedern an Bord hatte den iranischen Luftraum eine Stunde zuvor ungehindert passiert. Das Auswärtige Amt wollte sich an Spekulationen über Motive für den Stopp des Regierungsfliegers nicht beteiligen. "Was geschehen ist und welche Gründe dahinter liegen, das ist eine Frage, die Sie an die zuständigen iranischen Behörden richten müssen“, sagte ein Außenamts-Sprecher zu Journalisten. Das Ziel der Einbestellung des iranischen Botschafters sei es gewesen, eine Wiederholung zu vermeiden. "Wir haben keinen Anlass davon auszugehen, dass diese Botschaft nicht angekommen wäre.“

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Flugverbot über Iran: Merkel hat den Eklat verschlafen

Der Sprit-Frage entkommt Angela Merkel nicht einmal an Bord der „Konrad Adenauer“. Eigentlich war in dem neuen Regierungs-Airbus A340 auf seinem ersten offiziellen Flug alles bestens organisiert, damit die Kanzlerin rechtzeitig zu den deutsch-indischen Regierungskonsultationen kommen würde. Relativ schnell legt sie sich nach dem zweitägigen anstrengenden Abstimmungsmarathon zur Energiewende in Berlin schlafen. Doch als das Flugzeug den iranischen Luftraum erreicht, wird es unerwartet hektisch. Denn die Iraner entziehen plötzlich die bereits erteilte Überflugerlaubnis, die „Konrad Adenauer“ schwenkt zurück auf Kurs in die Türkei. Und während die Passagiere auf ihren Bordcomputern nur seltsame Flugbewegungen angezeigt bekommen, entwickeln sich vorne im Flugzeug wilde Aktivitäten.

Merkels außenpolitischer Berater Christoph Heusgen wird geweckt. Als die Gespräche mit den Iranern keinen Erfolg bringen, werden die türkischen Behörden eingeschaltet, die ihrerseits Kontakt nach Teheran aufnehmen. Dann werden zu nächtlicher Stunde auch das Lagezentrum im Auswärtigen Amt und die neue Staatssekretärin Emily Haber alarmiert.

An Bord der „Konrad Adenauer“ muss der Pilot derweil die Sprit-Frage erörtern. Denn die Schleifen über türkischem Luftraum verbrauchen so viel Kerosin, dass der Weiterflug nach Neu Delhi gefährdet scheint. Die Kanzlerin müsste dann in Ankara landen. Dann endlich kommt der erlösende Anruf, Iran gibt nun doch grünes Licht. Die „Konrad Adenauer“ dreht und nimmt wieder Kurs auf Indien.

„Das hat es noch nicht gegeben“, staunt Regierungssprecher Steffen Seibert später. Offene Kritik an Iran will er nicht äußern. Aber es scheint klar, dass die Überflugverweigerung ein diplomatisches Nachspiel haben wird. „Das ist eine Respektlosigkeit gegenüber Deutschland, die wir nicht hinnehmen werden“, kommentiert Außenminister Guido Westerwelle das iranische Verhalten. Die Behinderung der Reise sei „absolut inakzeptabel“. Der iranische Botschafter wird ins Auswärtige Am einbestellt.

Ohnehin sind die Beziehungen zwischen Deutschland und der Führung in Teheran angespannt. Gerade die Kanzlerin gilt als harte Verfechterin scharfer Sanktionen im Streit über das Atomprogramm der Islamischen Republik. Merkel selbst wirkt nach den Turbulenzen um den Iran-Überflug entspannt. Die Folgen für die Kanzlerin sind überschaubar. Zwar muss ein bilaterales Treffen mit dem indischen Ministerpräsidenten Manohman Singh in den Abend verlegt werden. Aber im Grunde genommen haben die Iraner Merkel sogar einen Gefallen getan – sie konnte im Flugzeug eineinhalb Stunden länger schlafen. Von der Hektik hatte die schlafende Kanzlerin nämlich nichts mitbekommen.

Mit Material von dpa und rtr