Uhrlau nennt Touristen als mögliches Ziel von Geiselnahmen. Die Umbrüche in der arabischen Welt bedrohten die Sicherheit Israels.

Hamburg. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Ernst Uhrlau, warnt vor einer Stärkung der Terror-Organisation Al-Qaida durch die Umbrüche in der arabischen Welt. Dem Hamburger Abendblatt (Montag-Ausgabe) sagte Uhrlau, die regionalen Al-Qaida-Gruppierungen seien zwar von den Entwicklungen in Nordafrika überrascht worden, würden aber jetzt trotzdem erwarten, von der Situation profitieren zu können: „Zum einen, weil staatliche Sicherheitsstrukturen desolat wurden. Zum anderen, weil etwa in Libyen Waffendepots geplündert wurden und die Waffen nicht nur an Aufständische gingen, sondern auch in den Süden des Landes wanderten – und damit in den Einflussbereich von Al-Qaida im Maghreb", so Uhrlau.

Vermutlich werde die Handlungsfähigkeit Al-Quaidas im Maghreb und in Westafrika zunehmen. Auch Nord-Nigeria könnte als Schauplatz eine Rolle spielen, sagte Uhrlau. „Zu erwarten ist, dass die Organisation versucht, in weiteren afrikanischen Ländern Muslime für den bewaffneten Kampf zu gewinnen, durch Geiselnahme von Touristen Lösegelder zu erpressen und durch andere Aktionen über die Region hinaus auf sich aufmerksam zu machen.“

Für den Westen entstehe daraus noch keine direkte Gefahr. „Ich sehe momentan keine Stärkung von Al-Qaida bezogen auf Europa“, sagte Uhrlau. Auch kämen mit den Flüchtlingen aus Afrika keine Terroristen auf den Kontinent. „Wenn Terroristen etwas in Richtung Europa unternehmen wollen, gibt es für sie weniger riskante und etablierte Schleusungswege dafür. Dann müssen sie nicht den sehr gefährlichen Weg als Boat People auf sich nehmen.“ Flüchtlinge würden zudem in Europa erfasst und registriert.

Zugleich wächst laut Uhrlau die Gefahr für die Sicherheit Israels. Durch die Revolutionen in Nordafrika sei die Welt unkalkulierbarer geworden, sagte er. „Anders als noch vor zwei Jahren sind die Akteure im Nahen Osten für Israel im Moment weniger berechenbar“, sagte Uhrlau. Die derzeitige Sicherheitssituation des israelischen Staates bewertet der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes als kritisch: „Israel muss zum einen weiterhin die Auseinandersetzung mit der Hamas im Gazastreifen fürchten.“ Im Norden habe das Land es zum anderen mit einer neuen libanesischen Regierung zu tun, die die Interessen der Hisbollah und damit des Irans stärker miteinbeziehe. „Dazu kommen die aktuellen inneren Auseinandersetzungen im südlichen Teil Syriens, die die Gegnerschaft zu Israel unberechenbarer machen“, fügte Uhrlau hinzu.

Nach Ansicht Uhrlaus wirkt vor allem der Sturz Mubaraks vorübergehend destabilisierend auf die Region. Ägypten sei ein wichtiger Träger für die Sicherheit in Nahost gewesen. „Es hatte eine wichtige Vermittlerrolle zwischen Palästinensern und Israel und zwischen Hamas und Fatah. Diese Vermittlung hat das Land nun erst mal zurückgegeben.“ Nun gebe es für Israel eine Reihe von offenen Fragen, die für die nächsten Jahre kaum beantwortet werden könnten. Dazu würden die Fragen gehören, wie man jetzt mit der Hamas umgehe und welchen Stellenwert wird Ägypten im Umgang mit dem Iran oder mit Saudi-Arabien haben werde.