Regierungsgegner wollten den Rücktritt von Ministerpräsident Maruf Bachit erzwingen. Die Polizei löste die Veranstaltung gewaltsam auf.

Amman. Auch in Jordanien nehmen die Proteste gegen die Regierung zu: Regierungsgegner haben am Freitag vergeblich versucht, einen Platz in der Hauptstadt Amman zu besetzen. Damit wollten sie den Rücktritt von Ministerpräsident Maruf Bachit erzwingen. Die Polizei löste die Kundgebung am Nachmittag mit Schlagstöcken und Wasserwerfern auf. Rund 100 Demonstranten wurden verletzt, berichteten Augenzeugen. Die hauptsächlich jungen Leute hatten am Vorabend ihre Zelte auf dem Nasser-Platz aufgestellt.

Schon in der Nacht hatte sie ein Mob von Regierungsanhängern mit Steinen angegriffen, dabei waren 30 Demonstranten verletzt worden. Mit der Platz-Besetzung hatten die Regierungsgegner Druck auf die Regierung Bachit ausüben wollen – ähnlich wie die ägyptische Jugendbewegung auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die im Februar den Sturz von Präsident Husni Mubarak bewirkt hatte. Die jungen Leute gehörten keiner Partei oder politischen Gruppierung an. Sie hatten sich über Internet-Plattformen wie Facebook organisiert, um Neuwahlen unter demokratischen Bedingungen zu verlangen.

König Abdullah II. hatte den altgedienten Politiker Bachit am 1. Februar eingesetzt und mit der Ausarbeitung von Reformen beauftragt. Über diese wurde aber bislang wenig bekannt. Rund zehntausend jugendliche Anhänger von König Abdullah II. demonstrierten am Freitag in einer westlichen Vorstadt von Amman, um dem Monarchen ihre Unterstützung zu bekunden. Die Kundgebung war vom Unterrichtsministerium und anderen Regierungseinrichtungen organisiert worden.

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Das kleine Königreich Jordanien wird wie Marokko von seinem Monarchen politisch beherrscht, ist aber deutlich liberaler - obwohl auch hier keine Presse- und Meinungsfreiheit herrscht und der Geheimdienst allgegenwärtig ist. Der im Westen erzogene Berufsoffizier Abdullah II. - Sohn des verstorbenen Königs Hussein, der mit Israel Frieden schloss - ist zugleich Oberkommandeur der Armee, ernennt den Ministerpräsidenten und das Kabinett.

Nach Protesten von Oppositionellen hat König Abdullah II. nun den Regierungschef ausgetauscht. Samir Rifai werde durch Maruf Bachit ersetzt, der eine neue Regierung bilden solle, teilte das Königshaus am Dienstag in Amman mit. Die oppositionelle Islamische Aktionsfront (FAI), die eine neue Regierung gefordert hatte, kritisierte Bachits Ernennung: „Er ist nicht der Mann, der die Übergangsperiode gestalten und Jordanien aus der Krise führen könnte“, sagte FAI-Führungsmitglied Saki Bani Rscheid. Die FAI werde noch im Tagesverlauf mit der Führung der Muslimbrüderschaft zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen nach der Entscheidung des Königs zu beraten.

Wie Marokkos König soll der jordanische Monarch direkt vom Propheten Mohammed abstammen - was ihn in der islamischen Welt fast unangreifbar macht. Nach der Revolte in Tunesien kam es auch in Jordanien zu einzelnen Protesten Benachteiligter - ein sozialpolitischer Flächenbrand kündigt sich derzeit aber nicht an.

Jordaniens Wirtschaftsleistung basiert überwiegend auf Handel und Dienstleistungen. Ein großer Teil der Wirtschaft ist in der Hand von Palästinensern, die nach ihrer Vertreibung im Konflikt mit Israel in Jordanien geblieben waren. In der Industrie spielen vor allem die Textilwirtschaft und die Verarbeitung von Rohstoffen eine Rolle. Die ständigen politischen und militärischen Spannungen in der Region beeinträchtigen Jordanien trotz des Friedensschlusses mit Israel stark. Der Tourismus hat im Land zahlreiche antike Stätten zu bieten. Doch besonders die häufigen Gewaltausbrüche in den benachbarten Palästinensergebieten schädigen das Geschäft.

In Jordanien hatte es – inspiriert von dem Umsturz in Tunesien – zuletzt wiederholt Proteste gegen die Regierung von Ministerpräsident Samir Rifai gegeben. Die Demonstranten forderten auch eine Rücknahme von Wirtschaftsreformen, von denen nach Ansicht vieler Jordanier vor allem der reiche Teil der Bevölkerung profitiert. Das Land hat derzeit mit der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten zu kämpfen.

(dpa/abendblatt.de)