Nach dem Rückzug der pro-iranischen Hisbollah aus dem libanesischen Kabinett bleibt es denoch unklar, wie es in Beirut politisch weitergeht.

Beirut. Die politische Zukunft im Libanon bleibt ungewiss, doch für die Gegenwart scheint sich eine Lösung anzubahnen: Die geplatzte Regierung in Beirut soll vorerst ihre Geschäfte fortsetzen. Der libanesische Präsident Michel Suleiman forderte Ministerpräsident Saad Hariri am Donnerstag auf, kommissarisch im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung gebildet sei. Am Mittwoch hatten elf von der Hisbollah und ihren Verbündeten gestellten Minister den Rücktritt erklärt.

Vorausgegangen war ein Streit über die in Kürze erwartete Anklage gegen Hisbollah-Anhänger wegen des Attentats auf den früheren Regierungschef Rafik Hariri. Der Vater des jetzigen Ministerpräsidenten war 2005 bei einem Bombenanschlag getötet worden. Die radikale Schiitengruppe bestreitet, in den Mord verwickelt zu sein und hat das Hariri-Tribunal der UN als israelisches Vorhaben kritisiert. Libanesischen Politikern zufolge gelang es Saudi-Arabien und Syrien vor den Ministerrücktritten nicht, zwischen den verschiedenen Lagern zu schlichten. Saudi-Arabien und die USA unterstützen Hariri, während die Hisbollah Rückendeckung von Syrien und dem Iran erhält.

Hariri soll am Donnerstag zu Gesprächen mit dem franzsösischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in Paris zusammenkommen. Die Minister hatten ihren Rücktritt während eines Besuchs Hariris in den USA erklärt. Dort hatte er Präsident Barack Obama getroffen.

Der Rückzug der pro-iranischen Hisbollah-Bewegung aus der libanesischen Regierung ist von den USA und der UN heftig kritisiert worden. Nach nur gut einem Jahr erklärten zehn Hisbollah-Minister und ein Minister, der von Präsident Michel Suleiman ernannt worden war, am Mittwoch ihren Rücktritt aus dem Kabinett von Ministerpräsident Saad Hariri. Sie wollen ihn dafür bestrafen, dass er sich nicht von dem UN-Tribunal für die Aufklärung des Mordes an seinem Vater, Rafik Hariri, distanzieren will.

Der Rückzug aus der Regierung sei ein Akt der Angst, der den Willen der Bürger in dem Land unterlaufe, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses in Washington. „Die Bemühungen ... zeigen nur ihre Entschlossenheit, die Regierung davon abzuhalten, ihrer Aufgabe nachzugehen und die Hoffnung des libanesischen Volkes zu erfüllen.“

Bei einem Treffen am Mittwoch in Washington hatten sich US- Präsident Barack Obama und Saad Hariri gemeinsam für die Unabhängigkeit des Libanon von iranischer und syrischer Einflussnahme ausgesprochen. Beide Staaten unterstützen die Hisbollah. Das US-Außenministerium nannte den Schritt der Hisbollah eine „durchsichtige Bemühung“, um „die Stabilität und den Fortschritt im Libanon zu untergraben“. Das Hariri-Tribunal sei unabhängig und sollte nicht für politische Ziele oder zur Einschüchterung missbraucht werden, betonte Außenamtssprecher Philip Crowley.

Die UN mahnten Respekt für die Untersuchung an. Die Kommission sei ein unabhängiges Gremium und müsse respektiert werden, sagte ein UN- Sprecher in New York. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zu einer Fortsetzung des Dialogs zwischen allen Parteien auf und verlangte Respekt vor der Verfassung und den Gesetzen des Landes. Mit dem Ausscheiden von 11 der 30 Kabinettsmitglieder ist die erst vor 14 Monaten vereidigte Regierung gescheitert. Was nun passiert, ist noch unklar. Elektrizitätsminister Dschubran Bassil forderte Präsident Suleiman auf, einen neuen Ministerpräsidenten zu benennen. Die zurückgetretenen Minister, unter denen auch Anhänger des mit der Hisbollah verbündeten christlichen Generals Michel Aoun sind, hatten Hariri zuvor aufgefordert, eine Kabinettssitzung einzuberufen. Dabei wollten sie ihre Forderungen in Bezug auf das Tribunal vorbringen. Hariri habe sich jedoch geweigert, hieß es aus dem Regierungspalast.

Saad Hariri war bereits am Wochenende mit UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zusammengetroffen. Anschließend hatte der UN-Chef noch einmal unterstrichen, dass die Ermittlungen zu dem politischen Mord unbedingt und unabhängig weitergehen müssten. Die Anklageschrift des Tribunals in Den Haag wird noch in diesem Monat erwartet. Darin sollen angeblich mehrere Hisbollah-Mitglieder als Tatverdächtige genannt werden. Der Milliardär und frühere libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri war vor sechs Jahren bei einem Bombenattentat in Beirut ums Leben gekommen. Der Mord hatte damals eine Protestwelle ausgelöst, die schließlich zum Abzug der syrischen Schutzmacht aus dem Libanon führte. Politische Beobachter befürchten, dass die schiitische Hisbollah nun nicht nur auf der politischen Ebene, sondern auch auf der Straße die Konfrontation mit dem pro-westlichen Hariri-Lager suchen könnte. Denn sollte das von der Hisbollah als „israelisches Projekt“ geschmähte Tribunal Hisbollah-Mitglieder anklagen und verurteilen, so würde dies dem Ruf der Hisbollah als Widerstandsbewegung gegen Israel schaden. (dpa)