Amt und Würden werden weniger: Nach Doktortitel und Ministeramt will Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) auch sein Mandat im Bundestag aufgeben.

Berlin/Hamburg. Karl-Theodor zu Guttenberg will sich offenbar immer weiter aus dem politischen Geschäft zurückziehen: Nach seinem Rücktritt als Verteidigungsminister will der CSU-Politiker auch sein Mandat als Bundestagsabgeordneter abgeben. Guttenberg habe bei Bundestagspräsident Norbert Lammert eine entsprechende Erklärung abgegeben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Dienstagabend aus CSU-Kreisen. Guttenberg sitzt seit 2002 im Bundestag. Wegen der massiven Vorwürfe, er habe bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben, war er am Vormittag von seinem Ministeramt zurückgetreten. Anschließend sagte Guttenberg auch alle Wahlkampftermine in Baden-Würrtemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz ab.

Nach der Rücktrittserklärung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Guttenbergs Gegnern Scheinheiligkeit vorgeworfen. „Soviel Scheinheiligkeit und Verlogenheit war selten in Deutschland“, sagte Merkel bei einem Wahlkampfauftritt in Karlsruhe. Der Opposition gehe es nicht um den Erhalt der wissenschaftlichen Werte, sondern vor allem um die Schwächung der Union. „Wir müssen uns von niemandem erklären lassen, was Anstand und Ehre in unserer Gesellschaft sind.“ Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) sprach von einer Jagd auf Guttenberg. All jene, die jetzt geschossen hätten, müssten zeigen, ob sie in einer ähnlichen Situation ebenso viel Charakter hätten.

In Rheinland-Pfalz bleibt unterdessen eine besonders enttäuschte CDU zurück: Guttenberg sagte seine geplanten Auftritte im Landtags-Wahlkampf am 11. März in Worms, Ramstein-Miesenbach und Frankenthal sowie am 24. März in Cochem an der Mosel, Neuwied und Diez im Rhein-Lahn-Kreis ab. Dies bestätigte ein CDU-Sprecher in Mainz: „Die Termine werden als Wahlkampf-Veranstaltungen der Landtagskandidaten mit (der CDU-Spitzenkandidatin) Julia Klöckner stattfinden.“ Diese hatte bis zuletzt betont: „Wir halten bei unseren Wahlkampfauftritten an Karl-Theodor zu Guttenberg fest.“

In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird am 27. März ein neuer Landtag gewählt, in Sachsen-Anhalt eine Woche zuvor. Guttenberg sagte alle 15 Wahlkampftermine in den drei Bundesländern ab. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) bezeichnete den Rückzug als „überfällige Konsequenz“. Die Verzögerungen hätten zu einer schweren Belastung für die Bundeswehr geführt. „Die Kanzlerin ist offensichtlich völlig überrollt worden von diesen Geschehnissen. Sie hat ihre Personalpolitik in keiner Weise mehr selber in der Hand“, kritisierte der SPD-Spitzenkandidat.

Seine CDU-Gegenspielerin Klöckner sagte, Guttenberg bleibe für sie ein Freund. „Weil sich Freundschaft nicht nur an glücklichen Tagen beweist, sondern gerade an den schweren.“ Seine Entscheidung verdiene Respekt. „Ich denke, der Rücktritt schadet dem Wahlkampf nicht“, betonte Klöckner. Die rheinland-pfälzische Landtagswahl werde durch Landesthemen entschieden. Die CDU-Spitzenkandidatin sagte weiter über Guttenberg: „Er hat einen Fehler begangen. Aber er steht dazu und hat dafür um Entschuldigung gebeten.“ Das sei mehr „als die von Skandalen gebeutelten“ rheinland-pfälzischen SPD-Minister Heinz Georg Bamberger (Justiz) und Karl Peter Bruch (Innen) über die Lippen bekommen hätten. Beck müsse nun die Maßstäbe, die er an andere anlege, auch an sein Kabinett anlegen.

Der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Herbert Mertin, nannte den Rücktritt konsequent und angemessen. Er habe Respekt vor der Entscheidung Guttenbergs. Die gleiche Konsequenz vermisse er hingegen bei der SPD-Landesregierung. Nach dem Urteil der derzeit nicht im Landtag vertretenen Grünen war der Rückzug „überfällig“. Der Verteidigungsminister habe der Wissenschaft mit seiner Schummelei einen Bärendienst erwiesen. Seine Salamitaktik bei der Aufklärung der Vorwürfe habe dem Land und dem Ansehen der Politik insgesamt geschadet.

Unterdessn soll voraussichtlich bis zum Freitag Guttenbergs Nachfolger als Verteidigungsminister feststehen. Dann tagt die CSU-Spitze. Über mehrere Namen wird derzeit spekuliert, die meisten davon stammen aus der CSU. Denkbar ist aber auch eine größere Kabinettsumbildung. Auf den Nachfolger kommen große Aufgaben zu. In seinen 16 Monaten als Verteidigungsminister hat Guttenberg zwar viel in Bewegung gebracht. Er hat die Aussetzung der Wehrpflicht durchgesetzt, einen tiefgreifenden Umbau der Bundeswehr in die Wege geleitet und als erster Ressortchef klar und deutlich gesagt, dass sich die deutschen Soldaten in Afghanistan im Krieg befinden. Der CSU-Politiker hinterlässt aber auch viele Baustellen.

Abendblatt.de zeigt eine Übersicht über einige Namen, die als Nachfolger Guttenbergs genannt werden und führt die Hauptaufgaben an, die auf den neuen Verteidigungsminister warten.

Die möglichen Nachfolger:

Thomas de Maizière (57): Der Bundesinnenminister galt vor einigen Monaten schon als möglicher Nachfolgekandidat für Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), falls dieser aus Krankheitsgründen ausscheiden sollte. In seiner Zeit als Kanzleramtschef war de Maizière Strippenzieher im Hintergrund. Als Innenminister ist er für die innere Sicherheit zuständig. Aber auch Afghanistan hat er schon besucht, weil dort deutsche Polizisten im Ausbildungseinsatz sind. Allerdings ist de Maizière CDU-Mann – die CSU müsste dann auf das Verteidigungsressort verzichten und könnte ein anderes beanspruchen. Und ein neuer Innenminister müsste her.

Peter Ramsauer (57): Seit 2009 ist Ramsauer Verkehrs- und Bauminister. Der Oberbayer war von 2005 bis 2009 CSU-Landesgruppenchef. Sein Name fällt ebenfalls, wenn es um den Nachfolger von Guttenberg als Verteidigungsminister geht. Doch Ramsauer hat am Dienstag gleich abgewunken, mit Verweis auf seine Familie.

Hans-Peter Friedrich (53): Auch der Chef der CSU-Landesgruppe gilt als potenzieller Wechselkandidat. Vor allem als möglicher Verkehrsminister, wenn Amtsinhaber Ramsauer doch den Posten wechseln sollte. Friedrich war von 2005 bis 2009 Unions-Fraktionsvize und Verkehrspolitiker. Zu den Spekulationen über einen Wechsel sagte er am Dienstag nur, er habe von solchen Spekulationen gehört.

Christian Schmidt (53): Der CSU-Politiker ist seit 2005 Parlamentarischer Verteidigungsstaatssekretär. Er kennt sich in der Bundeswehr aus, hat viele internationale Kontakte und vertrat den Verteidigungsminister auch schon auf internationalen Gipfeltreffen. Und er ist Franke, wie Guttenberg. Falls die CSU das Ministerium weiter beanspruchen sollte, ist der Parteiproporz eines der Kriterien.

Hartmut Koschyk (51): Seit 2009 ist er Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Der CSU-Politiker war zuvor Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Koschyk ist zwar Major der Reserve, allerdings hat er nicht so viele Erfahrungen mit der Bundeswehr wie zum Beispiel Christian Schmidt. Auch er ist allerdings Franke.

+++ Guttenbergs Rücktritsserklärung zum Nachlesen +++

Die offenen Baustellen:

Bundeswehrreform: Bisher steht nur ein Reformgerüst. Selbst die Aussetzung der Wehrpflicht befindet sich noch im parlamentarischen Verfahren, obwohl bereits jetzt niemand mehr gegen seinen Willen eingezogen wird. Der nächste Reformschritt steht unmittelbar bevor: Der Umbau des Ministeriums und der Führungsstrukturen. Das Konzept dafür hat Guttenberg fertiggestellt, sein Nachfolger muss es umsetzen.

Standortschließungen: Der politisch heikelste Teil der Reform wird die Schließung von Standorten sein, die Mitte des Jahres ansteht. Damit wird sich der Nachfolger Guttenbergs reihenweise mit Ministerpräsidenten anlegen, die für die Kasernen in ihren Ländern kämpfen werden.

Spardiktat: Gut 8,3 Milliarden Euro sollen im Verteidigungsressort eingespart werden, eigentlich bis 2014. Vor wenigen Tagen hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Vorgabe um ein Jahr gestreckt. Die FDP ist aber strikt gegen einen Sparerlass für die Bundeswehr. Mitte März soll die Entscheidung im Kabinett fallen.

Afghanistan: Der Afghanistan-Einsatz befindet sich in der entscheidenden Phase. Noch im März sollen die ersten Provinzen in die Verantwortung afghanischer Sicherheitskräfte übergeben werden. Darunter wird möglicherweise auch eine Region im Zuständigkeitsgebiet der Bundeswehr sein. Ende des Jahres soll der Abzug der deutschen Kampftruppen beginnen – wenn die Sicherheitslage es zulässt.

Affären: Die Bundeswehr ist von drei Affären gebeutelt. Dabei geht es um geöffnete Feldpost und einen mysteriösen Schießunfall in Afghanistan. Der schwierigste Fall sind aber die Auseinandersetzungen auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“, nach dem Tod einer Kadettin, die aus der Tackelage stürzte. Der Untersuchungsbericht dazu soll an diesem Mittwoch an den Marineinspekteur Axel Schimpf übergeben werden.

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Mit Material von dpa