Er war der Überflieger – und scheiterte an persönlichen Verfehlungen. Die Reaktionen zu Guttenbergs Rücktritt fallen heftig aus.

Berlin/Hamburg. Ausgerechnet eine neu aufgewärmte Affäre um eine unpolitische Sache hat Deutschlands beliebtesten Bundespolitiker sein Amt gekostet. Doch die Folgen der abgeschriebenen Doktorarbeit waren selbst für einen Polit-Star, einen „Überflieger“ und „Medienliebling“ zu viel. Wortreich, gestenreich und voller Leidenschaft erklärte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) seinen Rücktritt. Man hatte den Eindruck, auch dieser Rücktritt ist inszeniert. Der vermögende Adelige aus Franken war und ist auch deshalb so beliebt, weil er auf den Politikbetrieb nicht angewiesen ist, mehr für als von ihm lebt. Pathetisch sagte er: „Wenn es auf dem Rücken der Soldaten nur noch um meine Person gehen soll, kann ich dies nicht mehr verantworten.“ Und: „Ich war immer bereit zu kämpfen. Aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht.“

Dabei hatte die Universität Bayreuth ihm bereits den Doktortitel aberkannt. Zu groß waren die Vorwürfe, als dass die Arbeit noch irgendwelchen wissenschaftlichen Ansprüchen genügt hätte. Noch vor wenigen Wochen war Guttenberg als möglicher künftiger Kanzler oder CSU-Vorsitzender im Gespräch gewesen. Guttenberg war selbst verwundert über die „enorme Wucht der medialen Betrachtung“ seiner Person. Guttenberg will sich schnell staatsanwaltlichen Ermittlungen zu den Plagiatsvorwürfen gegen ihn stellen. Er habe Respekt vor all jenen, die die Vorgänge strafrechtlich überprüft sehen wollen. „Es würde daher nach meiner Überzeugung im öffentlichen wie in meinem eigenen Interesse liegen, wenn auch die staatsanwaltlichen Ermittlungen etwa bezüglich urheberrechtlicher Fragen nach Aufhebung der parlamentarischen Immunität, sollte dies noch erforderlich sein, zeitnah geführt werden können.“

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Dabei war die Plagiatsaffäre nicht die erste Krise für den Verteidigungsminister. Die Bewertung des Luftangriffs im nordafghanischen Kundus, die jüngsten Affären um geöffnete Feldpost oder die Vorkommnisse auf dem Marineschulschiff „Gorch Fock“ – all das brachte ihn in Erklärungsnot. 16 Monate war der 39-Jährige Jurist Chef im Verteidigungsressort. Doch hat er in dieser kurzen Zeit die Bundeswehr umgekrempelt wie kaum einer seiner Amtsvorgänger. Wichtigster Punkt: die Abschaffung der Wehrpflicht nach über 50 Jahren. Zudem werden überflüssige Rüstungsvorhaben gekippt und die Armee von 250.000 Mann auf maximal 185.000 Soldaten verkleinert. „Das bleibt das politische Erbe des Freiherrn zu Guttenberg“, hieß es in Berlin.

Nach einer kurzen Karriere als einfacher CSU-Abgeordneter im Bundestag und außenpolitischer Experte wurde Guttenberg im November 2008 für kurze Zeit CSU-Generalsekretär. Im Februar 2009 übernahm er das Amt des Bundeswirtschaftsministers von Michael Glos, der amtsmüde war. Schon in diesem Job war er der jüngste Wirtschaftsminister in der deutschen Geschichte – und deutlich schillernder als seine Vorgänger. Er ließ sich am Times Square in New York fotografieren, als er mit Opel-Managern in den USA verhandelte. Populär machte ihn auch seine Rücktrittsdrohung in der Debatte um die Opel-Rettung. Er war gegen Staatshilfen, die dann ohnehin nicht mehr fällig wurden. Anders sah er die Subventionen dann bei angeschlagenen Unternehmen aus Franken. Das waren immer die zwei Gesichter des Karl-Theodor zu G.

Mit nur 37 Jahren wechselte der CSU-Mann im Oktober 2009 in das Wehrressort und wurde der jüngste Verteidigungsminister der Bundesrepublik. Viel Sympathie schlug ihm bei der Truppe entgegen, hatte Guttenberg doch selbst gedient und es im Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald zum Unteroffizier der Reserve gebracht. „Er ist einer von uns“, sagten die Soldaten. Oft besuchte er die Truppe in Afghanistan. Das kam an. Einmal allerdings nahm er seine Frau Stephanie mit, die in einer zweifelhaften TV-Serie sich dem ehrenwerten Kampf gegen Kinderschänder verschrieben hat. Außerdem ließ Guttenberg den TV-Talker Johannes B. Kerner mitreisen. Ein Fehler, wie viele befanden.

In der Kundus-Affäre warf Guttenberg seinen Staatssekretär und den Generalinspekteur raus. Zum Selbstverteidigungsminister sei er nicht bestimmt worden, sagte Guttenberg bei seinem Rücktritt.

Reaktionen auf den Rücktritt:

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): „Ich habe den Rücktritt schweren Herzens angenommen. Die Bundeswehrreform wird mit aller Entschlossenheit weiter umgesetzt."

Jürgen Flimm , früherer Hamburger Intendant und jetzt Intendant der Staatsoper Berlin: „Er hat sich mit dieser Sache wahnsinnig geschadet. No way back, würde ich sagen. Zur Tragödie fehlt ihm alles. Guttenberg kam mir vor wie ein verirrter Held, der den Abgang von der Bühne nicht finden kann und immer wieder auf Tapetentüren trifft. Das hatte schon eine gewisse Komik."

CSU-Chef Horst Seehofer: „Das ist ein schmerzlicher Schritt auch für die CSU. Guttenberg ist ein herausragender Politiker und war ein ausgezeichneter Verteidigungsminister.“

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi: „Das war die logische Konsequenz eines vorsätzlichen Fehlverhaltens bei der Erarbeitung und der Abgabe seiner Dissertation. Immer, wenn man im Leben die Konsequenzen aus eigenen Fehlern zieht, kommt man ein bisschen zur Besinnung, denkt über sich und andere anders nach und kann danach auch wieder neu starten.

Kurt Beck (SPD) , rheinland-pfälzischer Ministerpräsident: Der Rücktritt war eine überfällige Konsequenz. Sein zögerliches Verhalten nach der Plagiatsaffäre war eine Belastung besonders für die Bundeswehr. Die Kanzlerin ist offenbar völlig überrascht worden von der Entwicklung.“

Grünen-Chefin Claudia Roth: „Bis zuletzt verweigert er sich aber den kritischen Fragen der Medien. Sein Versuch, Medien und Öffentlichkeit für den Rücktritt in Haftung zu nehmen, ist unredlich. Ich persönlich finde es außerdem unanständig, dass Guttenberg bis zuletzt versucht, seine Plagiats-Affäre und das Wohl der Soldatinnen und Soldaten bis hin zu den in Afghanistan getöteten Soldaten gegeneinander auszuspielen.“

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) zu Spekulationen, er werde Guttenbergs Nachfolger: „Das mute ich meiner Familie nicht zu. Meine Kinder sind zu klein, um jetzt nur noch in gepanzerten Wagen herumzufahren.“

Stefan Mappus , Ministerpräsident von Baden-Württemberg (CDU): „Er ist den Weg gegangen. Er verdient großen Respekt.“

Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion: „Für die Kanzlerin kommt dieser Rücktritt zu spät. Sie hat sich kräftig blamiert, ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt, sie hat dem Ruf der Politik Schaden zugefügt.“

Elke Hoff, FDP-Verteidigungspolitikerin: „Karl-Theodor zu Guttenberg wird eine politische Zukunft haben – allerdings wird dies noch einige Zeit brauchen.“

Rainer Arnold, SPD-Verteidigungsexperte : „Als Trickser und Betrüger kann man nicht Minister sein.“

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU): „Ich habe den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg mit Bedauern und Respekt zur Kenntnis genommen.“

Schleswig-Holsteins CDU-Chef Christian von Boetticher: „Mit zu Guttenberg verliert das Bundeskabinett einen schwer zu ersetzenden Leistungsträger. Die Kritik an von ihm selbst eingeräumten Fehlern, die weit vor seiner Amtszeit lagen, haben in den vergangenen Tagen ein unerträgliches Ausmaß angenommen.

Der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann sagte: „Der Minister hat die Verantwortung für ein persönliches, früheres Fehlverhalten übernommen. Wir sind dankbar für die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den vergangenen 16 Monaten und für das Verständnis, das er den seelsorgerlichen Anliegen der Kirche unter den Soldaten entgegengebracht hat."