Husni Mubarak bleibt vorerst im Amt. Die Ägypter sind noch wütender als zuvor. US-Präsident Obama gibt eine scharfe Stellungnahme ab.

Kairo//Washington. Die Menschen in Ägypten kochen vor Wut, nachdem Präsident Husni Mubarak mitgeteilt hat, nicht sofort zurückzutreten. Neue Massenproteste am heutigen Freitag sollen ihn aus dem Amt treiben. Die Opposition hofft auf bis zu 20 Millionen Teilnehmer im ganzen Land. Die Demonstrationen enttäuschter, wütender und frustrierter Regimegegner in Kairo dauerten die ganze Nacht an, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira weiter. Die Menschen hatten am Donnerstagabend aus Vorfreude jubelnd den Rücktritt des Staatschefs erwartet. Für einen Rückzug Mubaraks gab es auch Anzeichen. Doch als es dann ganz anders kam, fühlten sich viele von Mubarak, der seit 30 Jahren an der Macht ist, verraten und betrogen.

Der Aufruf von Vizepräsident Omar Suleiman nach einem Ende der Proteste verpuffte. Suleiman hatte an die Unzufriedenen appelliert, nach Hause und wieder an die Arbeit zu gehen. Auf dem Tahrir-Platz in Kairo, dem Zentrum der Demokratiebewegung, waren am Morgen immer noch Zehntausende Demonstranten versammelt. Viele standen vor dem Präsidentenpalast und dem Gebäude des staatlichen Rundfunks und Fernsehens.

US-Präsident Barack Obama zeigte sich enttäuscht über die Rede Mubaraks. In einer schriftlichen Erklärung sagte Obama am Donnerstagabend (Ortszeit), dem ägyptischen Volk sei eine "Übertragung der Macht“ versprochen worden, aber es sei bisher nicht klar, dass dieser Übergang "unverzüglich, bedeutungsvoll und ausreichend“ sei. Obama rief die ägyptische Führung auf, sich "klar“ gegenüber dem eigenen Volk und der Welt zu äußern. Das sei ihre Verantwortung. US-Fernsehkommentatoren sprachen von der bisher schärfsten Washingtoner Stellungnahme seit Beginn der Unruhen in Ägypten.

Obama ging nicht direkt darauf ein, dass Mubarak entgegen allgemeiner Erwartungen nicht seinen Rücktritt erklärte, sondern stattdessen lediglich Machtbefugnisse an Suleiman übertrug. Obama sagte jedoch, die ägyptische Regierung müsse einen "glaubwürdigen, konkreten und unmissverständlichen Pfad in Richtung einer echten Demokratie einschlagen, und sie haben diese Gelegenheit noch nicht beim Schopf ergriffen“.

Friedensnobelpreisträger Mohammed el Baradei befürchtete, dass "Ägypten explodiert. Die Armee muss das Land jetzt retten“, forderte er via Kurzmitteilungsdienst Twitter. Ägypten werde weder Mubarak noch Suleiman akzeptieren, sagte er dem US-Sender CNN. "Sie sind Zwillinge.“ Keiner von beiden sei für das Volk akzeptabel. Es sei an der Armee, in den kommenden Stunden für Ruhe zu sorgen. Die Menschen hätten es immer für ausgemacht gehalten, dass das Militär an ihrer Seite stehe. Falls die Armee nicht Partei für das Volk ergreife, dann, glaube er, gebe es größere Zusammenstöße "zwischen der Armee und dem Volk“.

Ein Mitglied der oppositionellen Muslimbruderschaft und andere Regimegegner äußerten sich ebenfalls enttäuscht: "Die Rede ist frustrierend und missachtet den Willen des Volkes.“

“Der Vizepräsident der Republik hat seine Aufgaben gemäß der Verfassung übernommen“, sagte Mubarak. Zugleich verbat sich der 82-Jährige jede Einmischung aus dem Ausland. Suleiman versicherte ebenfalls in einer Fernsehansprache, er wolle eine friedliche Übergabe der Macht ermöglichen. "Die Tür für den Dialog ist noch immer offen“, sagte er. Nach Angaben des ägyptischen Botschafters in den USA hat Mubarak alle Macht im Rahmen der Verfassung an Suleiman abgegeben. Suleiman sei jetzt der "De-Facto-Präsident“ Ägyptens und damit auch Chef der Streitkräfte, sagte Sameh Shoukry am Donnerstagabend dem Sender CNN in einem Telefon-Interview.

Nach Ansicht der EU ist die Zeit für einen Wandel in Ägypten nun angebrochen. Sie werde den Machthabern dort weiter übermitteln, dass "ein geordneter, aussagekräftiger und dauerhafter demokratischer Übergang“ nötig sei, teilte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in Brüssel mit.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) äußerte sich enttäuscht über die Rede Mubaraks. "Diese Rede hat keine neuen Perspektiven aufgezeigt. Sie war nicht der erhoffte Schritt nach vorn“, sagte Westerwelle in New York. Die Sorgen der Bundesregierung seien "eher größer und nicht kleiner“ geworden.