Das italienische Verfassungsgericht hat die Immunität des Regierungschefs Silvio Berlusconi teilweise aufgehoben. Das Gericht entschied, dass das umstrittene Immunitätsgesetz, das Berlusconi und seine Minister vor Strafverfolgung schützt, unrechtmäßig ist.

Rom. Am Donnerstag hat der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi eine Niederlage einfahren müssen. Das umstrittene Immunitätsgesetz ist von dem italienischen Verfassungsgericht teilweise aufgehoben worden. Das Gesetz schützt den Regierungschef Berlusconi und seine Minister vor einer Strafverfolgung. Die Richter können dem Urteil zufolge fortan von Fall zu Fall selbst entscheiden, ob Berlusconi vor Gericht erscheinen muss oder nicht – das könnte zur Wiederaufnahme von zwei Verfahren führen.

Der Kompromiss der 15 Verfassungsrichter sieht vor, dass der Anwendungsbereich des im April 2009 verabschiedeten Gesetzes deutlich einschränkt wird. Bisher erlaube die Regelung, dass Verfahren gegen Regierungsmitglieder für 18 Monate ausgesetzt werden können, sollten die Betroffenen wegen ihrer Amtspflichten nicht an einem Prozess teilnehmen können.

In der Entscheidung der Richter heißt es, dass diese “automatisch“ in Kraft tretende Klausel “unrechtmäßig“ sei. Ob wegen der Regierungsgeschäfte eine “legitime Verhinderung“ vorliege, entscheiden künftig die Richter.

Mehrere Gründe, die eine Abwesenheit rechtfertigen könnten, werden durch das Verfassungsgericht benannt: Unter anderem sind dies die Teilnahme an internationalen Gipfeltreffen, Kabinettssitzungen und “für das Amt des Regierungschefs unerlässliche Treffen“. Somit liegt die letzte Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Abwesenheit aber in jedem Fall beim Richter.

Dies könnte zu einer Wiederaufnahme von zwei Verfahren gegen Berlusconi führen, die wegen des Immunitätsgesetzes auf Eis lagen. “Die Prozesse werden fortgeführt und bei jeder Verhandlung wird entschieden, ob das vom Ministerpräsidenten angegebene Hindernis rechtmäßig ist oder nicht“, sagte Jura-Professor Giovanni Guzzetta von der Universität Tor Vergata in Rom. Die Zeitung “Corriere della Serra“ kommentierte indes, das die Verfahren durch das Immunitätsgesetz so weit zurückgeworfen worden seien, dass sie vor Ende der Verjährungsfrist kaum zum Abschluss gebracht werden könnten.

In einem Prozess geht es um den Vorwurf, Berlusconi habe seinem früheren Anwalt David Mills für Falschaussagen in Prozessen der 90er Jahre 600.000 Dollar gezahlt. In dem anderen Verfahren wegen Bilanzfälschung und Steuerhinterziehung wird Berlusconi zur Last gelegt, dass sein TV-Konzern Mediaset durch den überteuerten Handel mit Filmrechten schwarze Kassen im Ausland anlegte.

Am Mittwoch hatte sich Berlusconi selbst vor der Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts gelassen gezeigt. “Es lässt mich völlig kalt, ob diese Prozesse nun gestoppt werden oder nicht“, hatte der 74-Jährige am Rande der deutsch-italienischen Regierungskonsultationen in Berlin gesagt.(abendblatt.de/afp)