Sie legen Websites lahm und mischen Kreditkartenfirmen auf. Die Sympathisanten von WikiLeaks sprechen vom Krieg um Informationen.

Washington/Hamburg. Nach mehreren Cyber-Angriffen auf Gegner der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks ist in der Nacht zum Donnerstag offenbar auch die Website der schwedischen Regierung vorübergehend lahmgelegt worden. Wie die Zeitung „Aftonbladet“ berichtete, war die Internetseite einige Stunden lang offline, funktionierte am Morgen aber wieder normal. Auf einer von Hackern eingerichteten Website mit dem Namen der schwedischen Justizministerin Beatrice Ask wurden Internet-Nutzer auf die Wikileaks-Seite umgeleitet. Ein schwedischer Regierungssprecher wollte die Angaben auf Anfrage nicht kommentieren.

Bereits am Dienstag hatten Hacker nach der Festnahme des Wikileaks-Mitbegründers Julian Assange die Website der schwedischen Staatsanwaltschaft lahmgelegt. Der 39-jährige Australier hatte sich am Dienstag in London gestellt und befindet sich seitdem in Haft. Ihm werden Sexualdelikte in Schweden zur Last gelegt. Die britische Justiz muss über Assanges Auslieferung entscheiden.

Der Online-Zahlungsdienst PayPal hat nach massiven Protesten der WikiLeaks-Anhänger beschlossen, eingefrorene Spenden an die Enthüllungsplattform auszuzahlen. In der Nacht zum Freitag attackierten WikiLeaks-Unterstützer auch die Website des Kreditkartenunternehmens Visa und legten diese zeitweise lahm. PayPal-Justiziar John Muller erklärte im Firmenblog: „Wir verstehen, dass die Entscheidung von PayPal zum Gegenstand einer größeren Geschichte geworden ist, bei der es rund um die Aktivitäten von WikiLeaks auch um politische und juristische Debatten und um die Meinungsfreiheit geht.“ Das Spendenkonto sei allein wegen der Verletzung der Geschäftsbedingungen gesperrt worden. Grundlage sei ein Brief des US-Außenministeriums an WikiLeaks, wonach das Internet-Projekt im Besitz von Dokumenten sein könnte, die unter Verletzung von US-Gesetzen beschafft worden seien.

Die zu den wichtigsten Spendensammlern von WikiLeaks zählende Wau-Holland-Stiftung will nach eigenen Angaben rechtlich gegen die unangekündigte Sperrung ihres Kontos bei PayPal vorgehen. Die Stiftung bezifferte die Höhe der zeitweise eingefrorenen Spenden auf rund 10.000 Euro.

Derzeit gibt es vermutlich Tausende mehr oder weniger amateurhafte Hackern, die sich berufen fühlen, Vergeltung für die Festnahme des WikiLeaks-Gründers Assange zu üben und Website-Attacken im großen Stil zu starten. „Der erste ernst zu nehmende Krieg um Informationen ist entbrannt“, twitterte der frühere Grateful-Dead-Songtexter John Perry Barlow. „Das Schlachtfeld ist WikiLeaks. Ihr seid die Soldaten!“ Barlow ist Mitbegründer der Electronic Frontier Foundation, einer nichtstaatlichen Organisation, die sich mit Bürgerrechten im Cyberspace beschäftigt.

Einige militantere Mitglieder der Internet-Community nahmen ihn beim Wort. Die Gruppe „Anonymous“ setzte das Zitat ganz oben auf die Website „Operation Rache für Assange“. Die Gruppe versucht offenbar, mit sozialen Netzwerken wie Twitter Angriffe auf Internet-Seiten zu koordinieren.

Barlow selbst ist angesichts der Resonanz auf seine „Unabhängigkeitserklärung für den Cyberspace“ überrascht. Er betrachte das Lahmlegen von Websites als Eingriff gegen die Meinungs- und Redefreiheit, schrieb er in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur Reuters. „Ich unterstütze eine freie Meinungsäußerung, egal von wem“, erklärte Barlow. Website-Angriffe seien „das Giftgas im Cyberspace“, kritisierte er.

Abgesehen vom finanziellen Schaden wirken derartige Attacken auch rufschädigend: MasterCard wird im Netz derzeit mit einer Verunglimpfung seines Werbeslogans verspottet: „Redefreiheit: kann man nicht kaufen, für alles andere gibt es MasterCard“. „Dies beweist zweifellos die Macht, die die Menschen an den Tastaturen haben – das Internet birgt große Risiken und Schadenspotenzial“, sagt John Walker von der Internet-Sicherheitsfirma Secure Bastion. „Wenn die Seite eines großen Unternehmens wie MasterCard lahmgelegt werden kann, was ist dann mit kleinen Organisationen oder ganz normalen Leuten?“

Während Hacker bislang oft Botnetze zum Angriff auf Websites nutzten, war es im jüngsten Fall nach Einschätzung von Experten anders. Botnetze bestehen aus infizierten Computern, die ohne Wissen ihrer Besitzer zu einem bestimmten Zeitpunkt im Internet aktiv werden. Im aktuellen Fall agierten die Nutzer selbst von ihren eigenen Computern aus – und mit heruntergeladener Software von Anonymous. Bis Mittwochnachmittag waren die entsprechenden Programme bereits rund 6000-mal heruntergeladen worden. „Das alles erzeugt einen Schneeball-Effekt“, sagte Noa Bar Yosef von Imperva, einem Anbieter von Internet-Sicherheitslösungen.

WikiLeaks selbst war Ziel ähnlicher Angriffe auf seine Website, nachdem es US-Diplomatendepeschen ins Netz gestellt hatte. Während WikiLeaks die USA hinter den Angriffen sieht, gehen einige Experten davon aus, das andere dahinter stecken. Auch aus russischen Behörden war etwa verlautet, dass die Cyberangriffe auf Estland 2007 und auf Georgien während des Kriegs mit Russland 2008 nicht von Russland selbst sondern vermutlich von „patriotischen Hackern“ verübt wurden.