Niedersachsens Innenminister und der Bund Deutscher Kriminalbeamter wollen die Bundeswehr bei der Terrorbekämpfung einschalten.

Berlin. Vor vier Jahren zog das Bundesverfassungsgericht einen Strich unter die Fragen, ob die Bundeswehr in Deutschland zum Kampf gegen den Terror eingesetzt werden darf: Im Jahr 2006 verwarfen die Richter das Luftsicherheitsgesetz, das den Abschuss entführter Flugzeuge gestattete.

Jetzt hat der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann angesichts der erhöhten Terrorgefahr die Debatte über die Bundeswehr im Inneren neu entfacht. Der CDU-Politiker forderte von der Bundesregierung, eine gesetzliche Grundlage für solche Militäreinsätze zu schaffen, die die Verfassung derzeit verbietet. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sprach sich für diese Möglichkeit aus. Vertreter aller Fraktionen lehnen den Einsatz der Armee im Inneren allerdings vehement ab.

Schünemann begründete seinen Vorstoß mit einer Sicherheitslücke im Falle terroristischer Anschläge. "Es gibt zwei Situationen, in denen nur die Bundeswehr die Kompetenz hat - in der Luftabwehr und bei der Seesicherheit", sagte er. In Deutschland sei nicht festgelegt worden, "was bei einem vergleichbaren Fall geschehen soll: abdrängen oder abschießen?".

Nach Einschätzung des BDK-Vorsitzenden Klaus Jansen wird "der polizeiliche Ausnahmezustand durch die akute Terrorgefahr bis weit in das nächste Jahr dauern". Das sei mit dem vorhandenen Personal aber nicht durchzuhalten. Jansen schlug vor, insbesondere auf polizeilich geschulte Feldjäger zurückzugreifen.

Auf Ablehnung stießen die Forderungen dagegen bei Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Wolfgang Bosbach (CDU), erteilte den Vorschlägen eine deutliche Absage. Dem Hamburger Abendblatt sagte Bosbach, der Einsatz der Bundeswehr im Inneren zur Gefahrenabwehr oder allgemeinen Kriminalitätsbekämpfung sei nicht von der Verfassung gedeckt. Das gelte auch für die Feldjäger der Bundeswehr, die zwar polizeiliche Aufgaben wahrnähmen, aber eben keine Polizisten, sondern Soldaten seien. "Wir wollen auch nicht, dass die Bundeswehr zu einer Art Hilfspolizei umfunktioniert wird, die immer dann gerufen werden kann, wenn die Polizeibehörden des Bundes und der Länder überlastet sind. Die Gefahrenabwehr muss grundsätzlich Aufgabe der Polizei bleiben." Auch Verteidigungsexperte Andreas Schockenhoff (CDU) bezeichnete die Debatte gegenüber dem Abendblatt als "zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich".

FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte Schünemann für seine Forderung: "Für uns ist klar, innere und äußere Sicherheit bleiben getrennt. Für die innere Sicherheit wird die Polizei eingesetzt, für die äußere Sicherheit haben wir die Bundeswehr."

SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte es "erschreckend", dass der BDK die Forderung nach dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren ebenso erhebe wie Schünemann. "Ich sage Ihnen eindeutig: Wir sind hier nicht im Krieg - auch nicht in einem psychologischen. Garant der Gefahrenabwehr in unserer Demokratie ist eine gut ausgestattete und gut ausgebildete Polizei", sagte er auf dem Kongress der Gewerkschaft der Polizei.

Unterdessen plant die Regierungskoalition offenbar einen umfassenden Umbau der Sicherheitsbehörden. So stellt die FDP den Militärischen Abschirmdienst (MAD) infrage.

Eine von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) eingesetzte Expertenkommission soll Anfang Dezember Vorschläge zu einer Reform der Geheim- und Sicherheitsdienste machen. Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Angesichts der zugespitzten Sicherheitslage müssen wir uns auf die zentralen Herausforderungen konzentrieren, anstatt ineffektive Dreifachstrukturen zu unterhalten." Verteidigungsminister Guttenberg äußerte sich allerdings skeptisch zu einer MAD-Auflösung. Es gebe bislang kein kluges Alternativkonstrukt.

Nach einem Bericht der "Welt" werden zudem mehrere Reformalternativen für die Polizeibehörden diskutiert. So könnte eine Finanzpolizei gegründet werden, man könnte die Bundespolizei mit dem Bundeskriminalamt und Teilen des Zolls zusammenlegen oder eine erweiterte Bundeskriminalpolizei schaffen. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Stefan Paris, bezeichnete den Bericht allerdings als "Spekulation und redaktionelle Fantasie".