Mit der Forderung nach einem Kruzifix-Verbot in Schulen hat die künftige niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU) für Wirbel gesorgt. Das Kreuz im Klassenraum hat auch immer wieder die Gerichte beschäftigt. Ein Überblick.

Das Bundesverfassungsgericht verbietet die bayerische Volksschulordnung
Am 16. Mai 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss einen Teil der Bayerischen Volksschulordnung von 1983 für verfassungswidrig und nichtig erklärt, nach dem in jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern ein Kruzifix oder zumindest ein Kreuz aufzuhängen war. Der bayerische Landtag beschloss danach ein Gesetz, das auch nach dem Karlsruher Urteil Kreuze vorschreibt. Es enthält aber eine Regelung zum Umgang mit Konfliktfällen. Der Kruzifix-Streit begann 1986, als ein Vater einer Grundschülerin verlangte, dass sie diesen „männlichen Leichnam“ nicht mehr sehen müsse. Er zog durch sämtliche Instanzen, bis ihm schließlich das Bundesverfassungsgericht Recht gab.

Die CDU beharrt auf Kreuzen im öffentlichen Raum September 2007: CDU-Generalsekretär Roland Pofalla sagte der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, dass christliche Symbole wie das Kruzifix ihren Platz im öffentlichen Raum behalten sollten: „Als Partei, die das Christliche im Namen trägt, wollen wir, dass das Bekenntnis zum Christentum im öffentlichen Raum erhalten bleibt.“ Zum öffentlichen Raum gehörten sowohl Schulen als auch Gerichte oder Behörden. Pofalla sagte aber auch, dass die CDU eine steigende Zahl von Mitgliedern habe, die keiner der beiden großen Konfessionen in Deutschland angehören. „Meine Partei ist offen für jeden, der die Würde und die Freiheit aller Menschen anerkennt. Das ist die verbindende Klammer.“

Bayerns Grüne preschen vor – und rudern zurück
Juni 2008: Die bayerischen Grünen beschließen auf einem Parteitag, dass Symbole wie Kreuz, Kopftuch oder Nonnentracht aus bayerischen Schulen zu verbannen sind. „Wir erkennen darin einen Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Religionsfreiheit“, schrieben der evangelische Landesbischof Johannes Friedrich und die Synodalpräsidentin Dorothea Deneke-Stoll an die Grünen. Die Forderung müsse unverzüglich korrigiert werden. Vier Monate später ruderte die Parteispitze zurück: Grünen-Landeschef Sepp Daxenberger sagte, die Parteispitze könne den Beschluss nicht einfach stehen lassen. Das hätten gerade junge Grünen-Mitgliedern gesagt, bei den es einen „Aufschrei“ gegeben habe.

Ein schwäbischer Lehrer scheitert vor Gericht – die Kreuze würden ihn seelisch belasten
August 2008: Ein Lehrer scheiterte in Schwaben mit einer Klage gegen Kruzifixe in Klassenräumen. Der Mann, der seit sechs Jahren an der Volksschule Westheim in Neusäß unterrichtet, erlitt vor dem Verwaltungsgericht Augsburg eine Niederlage. Er konnte nicht nachweisen, dass er durch das Kreuz eine so schwerwiegende seelische Belastung erleidet, dass diese eine Ausnahme zu seinen Gunsten rechtfertige. Das Gericht verwies auf den gesetzlich festgelegten Bedeutungsgehalt des Schulkreuzes. Im Grundgesetz sei nicht nur die Glaubensfreiheit verankert, sondern auch die besondere Gehorsams- und Tolerierungspflicht des Beamten, hieß es zur Begründung. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) sagte: „Ich bin froh, dass sich damit die bisherige Rechtsprechung weiter fortsetzt.“ Das Kreuz stehe für die hiesigen christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerte. „Persönliche Geschmäcker eines Lehrers müssen sich dem unterordnen.“

Ein italienisches Gericht urteilt: Kreuz ab!
November 2008: Erstmals ordnete ein italienisches Verwaltungsgericht an, dass Kruzifixe aus einer öffentlichen Schule verschwinden müssen. Der Leitung der Schule Macías Picavea wurde auferlegt, die seit 1930 hängenden Kreuze von den Wänden zu nehmen. Zur Begründung führte der Richter an, dass ein Kruzifix an der Wand zwar weder mit Religionskunde noch mit Bekehrungseifer gleichzusetzen sei. Es verletze aber die Grundrechte der Gleichheit und Gewissensfreiheit. Ein Christenkreuz in einem staatlichen Bildungszentrum könne unter Minderjährigen „den Eindruck hervorrufen, dass der Staat der Konfession näher ist, mit der die Symbole in Verbindung stehen“. Es dürfe „keinerlei Konfusion zwischen den religiösen und den staatlichen Zielen“ geben, hieß es unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte fällt ein Grundsatzurteil: Ein Kreuz im Klassenzimmer verletzt die Religionsfreiheit
November 2009: Der Europäische Gerichtshofs für Menschenrechte hat in einem Urteil klargestellt, dass ein christliches Kreuz im Klassenzimmer einer staatlichen italienischen Schule die Religionsfreiheit der Schüler verletze. Mit seiner Entscheidung gab das europäische Gericht der Beschwerde einer Mutter zweier Kinder statt, die zuvor vor dem italienischen Verfassungsgericht gescheitert war. Die Regierung in Rom wurde zur Zahlung einer Entschädigung von 5000 Euro verurteilt. Das Gericht forderte allerdings nicht die Entfernung sämtlicher Kruzifixe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Vatikansprecher Federico Lombardi erklärte daraufhin, das Kruzifix sei ein elementares Zeichen für die Bedeutung der religiösen Werte in der italienischen Geschichte und Kultur. Er sprach dem Gerichtshof in Straßburg das Recht ab, sich in dieser Form in ureigenste italienische Angelegenheiten einzumischen. Anscheinend wolle das Gericht die Rolle, die das Christentum in der Identität Europas spiele, außer Acht lassen.

Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle sah für Bayern keine Konsequenzen: „In Bayern bleiben die Kruzifixe als überkonfessionelles Symbol für unser Wertesystem weiterhin hängen. Fühlt sich dadurch im Einzelfall jemand gestört, wird das untersucht und berücksichtigt. Das Kruzifix wird dann gegebenenfalls entfernt.“ In fünf Jahren sei dies weniger als 15-mal vorgekommen.