Finanzielle Entschädigungen wären nach Ansicht der Justizministerin ein Stück Gerechtigkeit gegenüber den Missbrauchsopfern.

Berlin. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat zu einer finanziellen Entschädigung von Missbrauchsopfern an Schulen als symbolische Wiedergutmachung aufgerufen. „Es braucht ein klares Signal an die Opfer, wie zum Beispiel das Gespräch über freiwillige Wiedergutmachungen in den Fällen, in denen die rechtliche Verjährung eingetreten ist“, sagte die Ministerin der „Süddeutschen Zeitung“. Dies wäre „ein Stück Gerechtigkeit gegenüber der Opfer, auch wenn sich das erlittene Unrecht materiell nicht aufwiegen lässt“, sagte sie weiter.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles unterstützt die Forderung. Die praktizierende Katholikin richtete ihren Appell aber nicht nur an die Kirche, sondern auch an Träger weltlicher Einrichtungen wie etwa die Odenwaldschule, wo es in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls zahlreiche Missbrauchsfälle gab. „Überall dort, wo systematischer Missbrauch über längere Zeit systematisch vertuscht wurde, muss Aufklärung geschaffen werden, damit sich das nicht wiederholt.“ Eine symbolische Entschädigung „wäre ein angemessenes Angebot an die Opfer von damals“, sagte Nahles der „SZ“.

Leutheusser-Schnarrenberger plädierte in der „Passauer Neuen Presse“ zudem dafür, die zivilrechtlichen Verjährungsfristen zu verlängern. Der Parlamentarische Staatssekretär in ihrem Ministerium, Max Stadler (FDP), äußerte sich in einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ ähnlich. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren für Ansprüche auf Schmerzensgeld und Schadenersatz sei deutlich zu kurz. Diese knappe Frist sei für die Opfer kaum zumutbar. Der FDP-Rechtsexperte Hartfrid Wolff will die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche daher auf 30 Jahre anheben.

Skeptisch zeigte sich Leutheusser-Schnarrenberger hingegen zu Forderungen nach einer Verlängerung der strafrechtlichen Verjährungsfristen. Diese beträgt zurzeit bei schwerem Kindesmissbrauch 20 Jahre. Allerdings beginnt die Frist erst mit dem vollendeten 18. Lebensjahr des Opfers und kann damit theoretisch bis zu 38 Jahre dauern. Damit soll es den unmündigen Opfern ermöglicht werden, später als Volljährige innerhalb der Verjährungsfrist selbst Anzeige erstatten zu können.

Anders als die Justizministerin zeigten sich CDU und CSU offen für längere strafrechtliche Verjährungsfristen. Viele Opfer seien erst nach vielen Jahren in der Lage, sich mit ihrem Leid auseinanderzusetzen, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Auch CSU-Chef Horst Seehofer und seine Justizministerin Beate Merk sprachen sich nach Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) für eine längere Verjährungsfrist aus. Sie sollte mindestens 30 Jahre betragen. Merk forderte zudem, die Mindeststrafe zu erhöhen. „Jeder sexuelle Missbrauch muss wieder als das Verbrechen gebrandmarkt werden, das es nach früherem Recht war und im Verständnis der Bürger immer geblieben ist. Das heißt: Die Mindeststrafe muss von zurzeit sechs Monaten auf ein Jahr angehoben werden“, sagte die CSU-Politikerin der Tageszeitung „Die Welt“.

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx begrüßte unterdessen den von der Bundesregierung angestoßenen Runden Tisch zum sexuellen Missbrauch an Schulen. Es sei gut, Vertreter aller relevanten Gruppen von Familienverbänden, Schulträgern, Ärzten und natürlich auch die Kirchen dazu einzuladen, sagte Marx dem „Münchner Merkur“. Dem Skandal des Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen müsse auf breiter Front entgegengetreten werden.

Auf die Frage, warum die Bischöfe so lange gebraucht hätten, um Stellung zu beziehen, verwies Marx auf eine Absprache unter den Bischöfen. Auf der Bischofskonferenz hätten alle noch einmal ausgiebig mit Fachleuten darüber reden wollen. Danach sollte eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden. „Im Nachhinein weiß ich nicht, ob das richtig war“, räumte der Erzbischof ein.

Zugleich warte Marx davor, angesichts der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche, Priester und Mitarbeiter unter Generalverdacht zu stellen. Er müsse auch die vielen im Blick haben, die eine gute und engagierte Arbeit machten. Die Übergriffe auf Kinder und Jugendliche seien „erschreckend und entsetzlich“. Zuallererst fühle er sich daher den Opfern verbunden. „Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen und so weit wie möglich den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen.“