Eine Gruppe junger Parlamentarier von SPD, Linke und Grünen fordern: Rot-Rot-Grün müsse eine realistische Alternative zu Schwarz-Gelb werden.

Berlin. Der Rückzug von Linke-Chef Oskar Lafontaine aus der Bundespolitik hat die Debatte um eine Annäherung von SPD und Linke neu entfacht. Nach Überzeugung von SPD-Chef Sigmar Gabriel wird sich durch Lafontaines Verzicht auf den Parteivorsitz das rot-rote Klima nicht entspannen. Skepsis über ein baldiges Zusammenrücken äußerten weitere SPD-Vertreter und prominente Linke-Politiker. Für ihn sei „völlig unerheblich“, wer an der Spitze der Linken stehe, sagte Gabriel am Sonntag. Das gegenseitige Verhältnis hänge nicht von der Person Lafontaines ab, dem er gesundheitlich alles Gute wünsche. In Nordrhein-Westfalen, wo im Mai ein neuer Landtag gewählt wird, trete die Linkspartei unverändert mit einem „verrückten Programm“ an, kritisierte Gabriel. „Wenn die Partei Die Linke mit derart spinnerten Programmen antritt, verbietet sich eine Zusammenarbeit mit ihr aus inhaltlichen Gründen, völlig egal, wer dort Vorsitzender ist.“

+++ DAS JÜNGSTE ABENDBLATT-INTERVIEW MIT SIGMAR GABRIEL +++

Der scheidende Bundesgeschäftsführer der Linken, Dietmar Bartsch, wandte sich gegen die Einschätzung, Lafontaines Abgang werde Bündnisse mit der SPD leichter machen. „Das sehe ich ausdrücklich anders“, sagte er der „Ostsee-Zeitung“. „Es geht um inhaltliche Voraussetzungen. Im Moment lohnt es sich überhaupt nicht zu spekulieren, ob es irgendwelche Bündnisse auf Bundesebene gibt.“ Die SPD müsse erst einmal ihre Rolle in der Opposition finden. Die grundlegend unterschiedlichen Positionen zwischen Linker und SPD zu Hartz IV, Rente mit 67 sowie zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan blieben bestehen. Der stellvertretende Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, erklärte: „Im Moment gibt es mit der SPD einfach nicht genug Gemeinsamkeiten.“

Eine Gruppe junger Parlamentarier von SPD, Linke und Grünen hatte in einem Aufruf in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gefordert, darauf hinzuarbeiten, dass Rot-Rot-Grün eine realistische Alternative zu Schwarz-Gelb werde. Bartsch befürwortete im „Handelsblatt“ ausdrücklich solche Kontakte. Grünen-Chefin Claudia Roth meinte in der „Bild am Sonntag“, für SPD und Linkspartei bestehe nun die Möglichkeit, ihr Verhältnis zu klären. Der SPD-Linke Niels Annen sagte dem „Handelsblatt“: „Viele Politiker innerhalb der Linkspartei sind schon heute verlässliche Partner für Sozialdemokraten in den Ländern und wichtige Ansprechpartner im Bund.“

Dagegen sagte das SPD-Präsidiumsmitglied Joachim Poß: „Ein anderes Verhältnis setzt fundamentale Veränderungen der Linkspartei in der Außen- und Sicherheitspolitik und der Wirtschafts- und Finanzpolitik voraus.“ Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs warnte davor, Lafontaines Rückzug politisch überzubewerten. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“. „Es ist der falsche Zeitpunkt, über Rot-Rot im Bund zu reden.“ Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) forderte die Linke auf, eine Grundsatzentscheidung zu treffen „zwischen dem ideologischen linken Flügel und den Pragmatikern“. SPD-Vize Hannelore Kraft sagte der „Bild am Sonntag“: „Als SPD wollen wir Wähler von der Linkspartei zurückgewinnen und unsere Tür steht auch offen für die Rückkehr von Gewerkschaftlern und ehemaligen Sozialdemokraten.“

Der SPD-Linke Ottmar Schreiner forderte seine Partei zu Kurskorrekturen auf, um eine Annäherung an die Linke zu erreichen. „Die SPD muss ein Stück weit ihre eigene Programmatik korrigieren, die ursächlich für das sozialdemokratische Wahldebakel ist“, sagte der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels der „Saarbrücker Zeitung“. „Das Ergebnis könnte dann mehr Kompatibilität mit der Linkspartei sein, sofern es auch dort eine inhaltliche Bewegung gibt.“ Noch sei aber unklar, inwieweit Lafontaine die Programmatik seiner Partei noch beeinflussen werde, schränkte Schreiner ein.