Der Textentwurf der dänischen Präsidentschaft für die abschließenden und entscheidenden Verhandlungen steht noch immer aus.

Kopenhagen. Mit bedrohlichem Rückstand geht der Weltklimagipfel in die entscheidende Schlussrunde. Am letzten Tag vor der Ankunft der Staats- und Regierungschefs haben die dänischen Gastgeber am Mittwoch in Kopenhagen keine Einigung auf eine Verhandlungsgrundlage erzielt. Vor Donnerstagmorgen werde es wohl keine weiteren Fortschritte geben, hieß es aus deutschen Delegationskreisen.

Verhandlungsführer aus Brasilien, China, dem Senegal und dem Sudan kritisierten auf dem Podium offen die dänischen Gastgeber, denen sie mangelnde Transparenz und geheime Absprachen vorwarfen.

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In dieser aufgeheizten Atmosphäre wurde die bisherige Konferenzchefin Connie Hedegaard vom dänischen Regierungschef Lars Løkke Rasmussen abgelöst. Sie soll jetzt hinter den Kulissen die eigentlichen Arbeitsverhandlungen weiterführen. Eine von tausenden Demonstranten angekündigte Erstürmung des Kongresszentrums wurde von der dänischen Polizei mit der inzwischen gewohnten Härte verhindert. Immer mehr Spitzenpolitiker wie der britische Premierminister Gordon Brown und der norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg äußerten sich wegen der Verzögerungen und fehlender Fortschritte bei den Gesprächen skeptisch über die Erfolgsaussichten. „Ich bin beunruhigt, weil es noch zu viele ungelöste Fragen gibt“, sagte Stoltenberg. „Bringt uns das ein schwaches Abkommen, muss man dazu vielleicht besser Nein sagen.“

Die Gruppe der Entwicklungsländer G77, vor allem aber auch aufstrebende Volkswirtschaften wie China und Brasilien warfen Dänemark Einseitigkeit zugunsten der Industriestaaten vor.

Rasmussen rief Unterhändler von fünf Verhandlungsgruppen, darunter die EUund die Entwicklungsländer, zusammen, um das weitere Vorgehen zu beraten und die Blockade zu lösen. In der Zwischenzeit kann Dänemark auch kein Plenum einberufen. Dieses müsste die Abschlussberichte der beiden Haupt-Arbeitsgruppen offiziell abnicken. Dann auch erst kann Rasmussen einen Vorschlag für die Verhandlungsgrundlage der Staats- und Regierungschefs vorlegen. Besonders umstritten ist offensichtlich auch die Zusammensetzung einer neuen Gruppe aus 25 Ländern, die über die Verhandlungsgrundlage beraten sollen. Insgesamt verhandeln in Kopenhagen 192 Länder. Bis diesen Freitag sollen sie sich über die Eckpfeiler eines neuen Weltklimaabkommens einigen, das 2013 an die Stelle des Kyoto- Protokolls zur Senkung der gefährlichen Treibhausgase treten soll.

Nach derzeitigem Verhandlungsstand dürften die beiden bisherigen Verhandlungsstränge der Konferenz auch in zwei getrennte Abkommen münden – einer setzt das Kyoto-Abkommen fort, dem die USA nie beigetreten sind und das verpflichtende Reduzierungen von Treibhausgasen für die Industriestaaten vorsieht. Der andere Strang beruht auf der Klimakonvention von Rio de Janeiro von 1992, die alle Länder umfasst, aber noch keine bindenden Verpflichtungen enthält.

Die Abschlusspapiere, die der Deutschen Presse-Agentur dpa vorliegen, sind wesentlich schwammiger als die vorangegangenen Entwürfe. Das Papier des maltesischen Klima-Experten und UN- Urgesteins Michael Zammit Cutajar zur Konvention enthält nun die Ziele von 1, 1,5 oder 2 Grad für die maximale Erderwärmung. Die Industrieländer sollen ihre Treibhausgase um 75 bis über 95 Prozent von 1990 bis 2050 reduzieren, oder aber – das steht in einer weiteren Klammer – um über 100 Prozent von 1990 bis 2040.

UN-Klimachef Yvo de Boer sieht ungeachtet der Schwierigkeiten beim Gipfel in Kopenhagen noch Chancen für einen Erfolg. Dafür seien aber die nächsten 24 Stunden absolut entscheidend, sagte de Boer. Es habe auf der Reise einen „unerwarteten Halt“ gegeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Donnerstag erwartet, US-Präsident Barack Obama am Freitag.

Die dänische Polizei blieb bei ihrer harten Linie und stoppte den Versuch eines „Sturms“ von 2500 Demonstranten auf das Konferenzgebäude. Nach Behördenangaben wurden 250 Teilnehmer festgenommen, in Fesseln gelegt und in Massenzellen gebracht. Die Gesamtzahl der Festgenommenen seit Beginn der Demonstrationen zum Klimagipfel mit vergleichsweise wenig Krawallen ist damit auf mehr als 1500 gestiegen.