Finanzminister Schäuble will neue Kredite von 100 Milliarden Euro aufnehmen. Die EU-Defizitgrenze wird 2010 voraussichtlich überschritten.

Berlin. Der Bund muss im kommenden Jahr voraussichtlich die Rekordsumme von 100 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen. Das prognostizierte der Finanzplanungsrat am Donnerstag in Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, die Krise sei „noch nicht überstanden“. Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) erklärte, obwohl inzwischen die Erwartungen nach oben korrigiert worden seien, gebe es eine „Wirkungsverzögerung bei den Steuern und bei der Arbeitslosigkeit“.

Schäuble muss nach einvernehmlicher Einschätzung des Rats allein für den Bundeshaushalt 2010 zusätzliche Kredite von 86 Milliarden Euro aufnehmen. Hinzu kommen Defizite von 14,5 Milliarden Euro in Nebenhaushalten des Bundes wie dem Investitions- und Tilgungsfonds, über den das Konjunkturprogramm abgewickelt wird.

2009 weniger Schulden als befürchtet

Der Bund plant für das nächste Jahr Ausgaben von 325,5 Milliarden Euro. Das sind 10,5 Prozent mehr als dieses Jahr. Den Ausgaben stehen regelmäßige Einnahmen von 239 Milliarden Euro gegenüber, sieben Prozent weniger als 2009. Damit ist der Finanzierungssaldo mehr als zweimal so groß wie dieses Jahr. In der nächsten Woche will das Bundeskabinett den Haushaltsentwurf beschließen.

Im Jahr 2009 muss Schäuble weniger neue Schulden machen als befürchtet. Er rechnet nur noch mit einem Defizit von 37,5 Milliarden Euro, eingeplant waren 49,1 Milliarden Euro. Es liegt damit unter der bisherigen Rekordverschuldung. Theo Waigel (CSU) nahm 1996 für umgerechnet gut 40 Milliarden Euro neue Kredite auf.

Für die Länder erwartet das Bundesfinanzministerium ein Defizit von 34 Milliarden Euro im Jahr 2010. Dieses Jahr rechnet es bei ihnen mit einer Lücke von 29,5 Milliarden Euro. Den Gemeinden wird vorhergesagt, dass ihr Defizit von 3,5 auf zwölf Milliarden Euro steigen wird.

Schäuble sagte, in diesem Jahr könne die EU-Verschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandprodukts möglicherweise gerade so gehalten werden. 2010 werde die Hürde mit weit über fünf Prozent aber deutlich gerissen.


Keine Zustimmung für Wachstumsbeschleunigungsgesetz

Kühn berichtete aus dem Finanzausschuss des Bundesrats, beim geplanten Gesetz zur Wachstumsbeschleunigung sei „praktisch kein Ergebnis“ erzielt worden. Es habe weder eine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses noch für die Zustimmung gegeben. Der niedersächsische Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) warf der SPD Verzögerungstaktik vor: „Wenn ich etwas ablehnen will, muss ich kein dreimonatiges Vermittlungsverfahren durchführen.“

Die Länder fürchten Mindereinnahmen in Millionenhöhe durch das Gesetz und feilschen um Kompensationen. Die schärfste Kritik an dem Gesetz kommt bisher aus Schleswig-Holstein. Am Sonntag ist zu dem Thema ein Sondertreffen geplant, an dem unter anderem Kanzlerin Angela Merkel, der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (alle CDU) teilnehmen.

Letzte Sitzung des Finanzplanungsrats

Das Gesetz soll zum 1. Januar 2010 steuerliche Entlastungen von 8,5 Milliarden Euro für Familien, Unternehmen und Erben bringen. Besonders umstritten ist die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotel-Übernachtungen von 19 auf sieben Prozent.

Im Gespräch ist eine einprozentige Umverteilung der Mehrwertsteuer vom Bund zu den Ländern. Schäuble sagte, er halte eine öffentliche Diskussion über die Mehrwertsteuer-Verteilung für nicht zielführend. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz sei „ein so gutes Gesetz“, das im gesamtstaatlichen Interesse einfach zustande kommen müsse.

Der Finanzplanungsrat aus Vertretern von Bund, Ländern und Gemeinen kam am Donnerstag zum 111. und letzten Mal zusammen. 2010 wird das Gremium von einem Stabilitätsrat abgelöst.