Abgewimmelte Versicherte: Minister Bahr droht, Ärzte-Funktionär Montgomery spricht von der „unmenschlichen Seite des Gesundheitssystems.

Hamburg. Das Chaos um die Insolvenz und Auflösung der Krankenkasse City BKK ruft auch die Hamburger Gesundheitssenatorin auf den Plan. Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sagte nach den Versuchen anderer Kassen, alte und kranke Versicherte der City BKK abzuwimmeln, zu abendblatt.de: „Ich hoffe sehr, dass die gesetzlichen Kassen aus den Vorgängen gelernt haben. Denn es war und ist die Stärke der gesetzlichen Krankenversicherung, dass sie alle aufnimmt und aufnehmen muss ohne Prüfung der Gesundheit. Das Verhalten der Kassen hat hier bereits einen Image-Schaden herbeigeführt und ich hoffe, dies geschieht nicht noch einmal.“

Die Versicherten sollten „von ihrem Recht Gebrauch machen, eine neue Krankenkasse frei zu wählen“. Prüfer-Storcks hat selbst an verantwortungsvoller Position der AOK gearbeitet und kennt deshalb das Gesundheitssystem aus dem Effeff. Niemand müsse Panik haben, keine Kasse zu finden. „Nur wenn die Versicherten ihr freies Wahlrecht nicht nutzen, dann werden sie, zum Beispiel durch ihren Arbeitgeber, bei einer Kasse angemeldet“, so Prüfer-Storcks. „Es sind noch einige Wochen Zeit bis klar ist, wie viele Versicherte ihr freies Wahlrecht nicht nutzen. Deshalb besteht aktuell kein Grund zur Hektik.“

Das ist auch ein Argument gegen die Hektik, die offenbar in Berlin vom neuen Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verbreitet wird. Mit einer Frist bis zum Wochenende drängt Bahr (FDP) die Krankenkassen zum Aufheben der Blockaden für City-BKK-Versicherte. Bei einem Krisentreffen in Berlin soll es noch an diesem Donnerstag um Lösungen für die City BKK gehen. „Ich erwarte, dass das jetzt zügig zu konkreten Lösungen kommt“, sagte Bahr. „Wenn aber die Kassen nicht in dieser Woche in der Lage sind, dann muss die Politik nächste Woche in der Koalition darüber beraten, ob wir und wenn ja welche Konsequenzen wir daraus ziehen.“ Kassenchefs, die Interessierte in Telefonschleifen abwimmelten oder die ihre Geschäftsstellen plötzlich schlössen, müssten „persönlich haften“, sagte der Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) der „Financial Times Deutschland“.

Mit der anstehenden Auflösung der City BKK verlieren etwa 170.000 Versicherte ihre Krankenkasse. Dabei sollten sie unproblematisch in jede andere der rund 150 gesetzlichen Kassen wechseln können. Doch mit allerlei Tricks wurden vor allem ältere oder chronisch kranke sowie pflegebedürftige Versicherte von anderen Kassen abgewimmelt. So wurden plötzlich Hotlines abgeschaltet, Geschäftsstellen geschlossen oder Aufnahmeanträge aus dem Internet genommen. Die Ärzteorganisation Marburger Bund sprach von einem Skandal. Wenn Krankenkassen „ältere Versicherte abwimmeln, weil sie ihnen zu teuer sind, verspielen sie jede Glaubwürdigkeit“, sagte der Vorsitzende Rudolf Henke. Die Hospiz Stiftung forderte einen Sanktionskatalog gegen Kassen, Ärzte und Apotheker, die Patienten abwimmeln.

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Der Präsident der Hamburger Ärztekammer, Frank Ulrich Montgomery kommentierte: „Da diskutieren wir über ein Patientenrechtegesetz, das die Rechte von Patienten gegenüber den Ärzten stärken soll. Gleichzeitig verweigern Krankenkassen kranken Menschen aus Kostengründen den Versicherungsschutz. Das ist demütigend. Das ist die unmenschliche Seite in einem auf Wettbewerb getrimmten Gesundheitssystem.“ Die Kostenträger hätten eine „wirkliche Aufgabe“, nämlich den Versicherungsschutz zu gewährleisten. Dabei gebe es ein „völliges Fehlversagen“, so Montgomery.