Empörung über angebliche Strafen. Das Ministerium wiegelt allerdings ab, Hamburger Ärzte sprechen von Vernichtung der ambulanten Versorgung.

Hamburg/Berlin. Die Wartezeiten in Arztpraxen und mögliche Strafen für Bummel-Ärzte bringen die Hamburger Mediziner in Wallung: „Jetzt reicht’s!“, schimpfte Michael Späth, Vorsitzender der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg. „Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte reiben sich in ihren Praxen auf, auch wenn sie nur 70 Prozent ihrer Arbeit bezahlt bekommen – und dafür sollen sie jetzt auch noch bestraft werden?“, empört sich Späth. „Wenn das kommt, werden die Wartelisten erst so richtig lang.“

Ärzte und Bundesregierung streiten über Vorschläge, die langen Wartezeiten für Kassenpatienten zu verkürzen. Für Wirbel sorgten angebliche Pläne von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), den Ärzten bei zu langen Wartezeiten die Honorare zu kürzen. „Die Versorgung der Patienten wird doch nicht dadurch besser, dass den Ärzten auch noch die Honorare gekürzt werden“, kritisierte auch der Präsident der Bundesärztekammer, der Hamburger Radiologe Frank Ulrich Montgomery. Ein Sprecher des Gesundheitsministers stellte jedoch klar, dass es keine gesetzlich vorgeschriebenen Sanktionen bei zu langen Wartezeiten geben werde.

Das Ministerium will die „angemessene und zeitnahe“ Versorgung von Kassenpatienten durch Fachärzte gesetzlich verankern. Eine entsprechende Formulierung solle im Sozialgesetzbuch V eingefügt werden. Dabei sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen die „angemessene und zeitnahe“ Versorgung mit Fachärzten sicherstellen. Ärzte und Krankenkassen sollen zudem regeln, „welche Zeiten im Regelfall und im Ausnahmefall noch eine zeitnahe fachärztliche Versorgung darstellen“.

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Auch könnten die Kassenärztlichen Vereinigungen den Notdienst „durch die Kooperationen und eine organisatorische Verknüpfung mit Krankenhäusern sicherstellen“. Ob es Sanktionen gibt und in welcher Höhe diese liegen sollen, müsste ebenfalls die ärztliche Selbstverwaltung regeln, erläuterte der Sprecher.

Hintergrund der Pläne ist die Kritik von Versicherten an zu langen Wartezeiten, insbesondere beim Übergang vom Hausarzt zum Facharzt. Einer Studie des BKK Bundesverbandes zufolge beträgt die Wartezeit für Kassenpatienten durchschnittlich 20 Tage, für Privatversicherte hingegen 12 Tage.

Der Hamburger Arzt Michael Späth hält die Diskussion um Wartezeiten für völlig überzogen: „Im internationalen Vergleich belegt Deutschland bei Wartezeiten immer einen vorderen Platz. Das gilt ganz besonders für Hamburg.“ In dringenden Fällen gebe es immer einen kurzfristigen Termin. Anders sei es dagegen bei aufschiebbaren Fragestellungen: „Wenn der Arzt nur für 70 Prozent seiner Arbeit bezahlt wird, muss er sich seine Arbeitszeit einteilen, damit er wirtschaftlich nicht ruiniert wird“, so Späth. „Niemand arbeitet für 100 Prozent, wenn er ein Drittel nicht bezahlt bekommt!“

Späth sagte, dass die Ärzte in Hamburg zu massiven Protestmaßnahmen greifen würden, sollten die Pläne ernsthaft verfolgt werden: „Wenn die Politik die ambulante ärztliche Medizin vernichten will, dann können wir ja mal demonstrieren, wie die Versorgung in einem solchen Fall aussehen würde.“

Für Ärger bei den Ärzten sorgte auch eine Umfrage der AOK, wonach die langen Wartezeiten von Kassenpatienten vor allem auf zu geringe Arbeitsstunden zurückzuführen sind. Demnach entfallen bei Fachärzten 39 Stunden pro Woche auf die Behandlung von gesetzlich Versicherten, bei Hausärzten sind es 47 Stunden. Kalkulationsgrundlage der Vergütungsvereinbarungen zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen seien jedoch 51 Stunden pro Woche, die von den Krankenkassen auch bezahlt worden seien. Die Ärztevertreter wiesen die Kritik zurück. Der Ärztemangel, eine völlig veraltete Bedarfsplanung und die steigende Morbidität in der Bevölkerung seien die Gründe für volle Wartezimmer und nicht etwa zu geringe Arbeitszeiten der Ärzte, sagte Ärztepräsident Montgomery. Anstelle von Sanktionen schlug er vor, in Verträgen zwischen Ärzten und Kostenträgern entsprechende Konditionen für das Terminmanagement auszuhandeln. (abendblatt.de/dapd)