Der künftige FDP-Chef Philipp Rösler übernimmt auch die Vizekanzlerschaft. Staatssekretär Daniel Bahr soll Gesundheitsminister werden.

Berlin. Philipp Rösler hat sich durchgesetzt: Mit einer personellen Neuaufstellung in Fraktion und Regierung will der künftige FDP-Chef die Partei aus der Krise führen. Rösler selbst wechselt an die Spitze des Wirtschaftsministeriums. Vorgänger Rainer Brüderle wurde am Dienstag mit großer Mehrheit zum neuen Fraktionschef gewählt. Röslers Posten als Gesundheitsminister übernimmt sein bisheriger Staatssekretär Daniel Bahr. Bundespräsident Christian Wulff wird am Donnerstag die Entlassungs- und Ernennungsurkunden überreichen. Damit sind die wichtigsten Personalien vor dem am Freitag beginnenden FDP-Parteitag geklärt.

Die bisherige Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger (46) verzichtete auf eine erneute Kandidatur erst, nachdem ihr Rösler zusagte, sie beim Parteitag am Wochenende in Rostock als seine erste Stellvertreterin im Vorsitz vorzuschlagen. Nach der FDP-Satzung gibt es keine Rangordnung unter den Vize-Parteichefs.

Rösler sagte, von Rostock könne jetzt ein „klares Signal des Aufbruchs“ ausgehen. Zugleich erklärte er die Personaldebatten für beendet. Auch Brüderle erwartet jetzt ein Ende der Personalquerelen. „Wir sind fest entschlossen, das Blatt zu wenden“, sagte er nach seiner Wahl.

NRW-Landeschef Bahr soll offenbar auf eine Kandidatur zum Parteivize verzichten. Außer Homburger sollen auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow Röslers Stellvertreter Röslers werden. Der hessische FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn hält an seiner Kandidatur für einen Vize-Posten fest. Er hat aber allenfalls bei der Wahl des erweiterten Parteipräsidiums eine Chance.

Mit der neuen Aufgabenverteilung reagieren die Freien Demokraten auf mehrere verlorene Wahlen und einen beispiellosen Einbruch in den Meinungsumfragen. Mit derzeit nur noch vier Prozent kämen sie nicht einmal mehr in den Bundestag. Nach viel Kritik auch aus den eigenen Reihen hatte der bisherige Parteichef Guido Westerwelle schon vor einem Monat erklärt, nach zehn Jahren abzutreten.

Für den neuen Fraktionschef Brüderle votierten 86 Abgeordnete bei zwei Gegenstimmen und zwei Enthaltungen. Der 65-Jährige soll der Fraktion wieder mehr Profil verschaffen, auch im Verhältnis zum Koalitionspartner CDU/CSU. Auch die anderen Personalien wurden von der Fraktion mit großer Mehrheit abgesegnet.

Homburger erhielt viel Applaus für ihren Rückzug, den sie mit der „schwierigen Lage“ der Partei begründete. Auch künftig wird sie für die FDP im schwarz-gelben Koalitionsausschuss dabei sein. Mit der Neuaufstellung ist Rösler auf einen Schlag fast alle Personalsorgen los.

Auf dem Parteitag in Rostock kann der Niedersachse mit einer großen Mehrheit rechnen. Vorgänger Westerwelle soll Außenminister bleiben. Auch Leutheusser-Schnarrenberger und Entwicklungsminister Dirk Niebel behalten ihre Ämter.

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßte die rasche Neuwahl der FDP-Fraktionsspitze. Dies sei ein wesentlicher Beitrag dazu, dass sich die Koalition wieder voll der Sacharbeit widmen könne. „Das empfinde ich als ein sehr hilfreiches Vorgehen“, sagte die CDU-Vorsitzende vor dem Verein der Auslandspresse. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sprach der FDP die Regierungsfähigkeit ab.

Die Personalprobleme der FDP sind noch nicht alle geklärt. Nach Informationen des Berliner „Tagesspiegels“ (Mittwoch) droht der FDP-Europaabgeordneten Silvana Koch-Mehrin der Verlust ihres Doktortitels. Die Universität Heidelberg wolle den Titel wegen mehrerer festgestellter Plagiate aberkennen, schrieb das Blatt unter Berufung auf Universitätskreise. Koch-Mehrin ist auch – allerdings nicht gewähltes – Mitglied des FDP-Präsidiums. (dpa)