Hamburg. Was lesen? Abendblatt-Redakteur Thomas Andre und Literaturhaus-Chef Rainer Moritz über aktuelle Bestseller, die es in sich haben.

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„Vom Winde verweht“ heißt jetzt „Vom Wind verweht“: Das klingt prosaischer und weniger pathetisch. Und entspricht dem Geist der Neu-Übersetzung von Andreas Nohl und Liat Himmelheber, sie will die erste und bislang einzige Übertragung der Südstaatensaga von 1937 (das Original erschien ein Jahr vorher) einerseits sprachlich entstauben, andererseits näher ans Original bringen. Das ist, bei allem Herzeleid, eher sachlich und nüchtern geschrieben. Gelingt das? Und wie aktuell ist Margaret Mitchells historische Schwarte eigentlich? Ist „Vom Wind verweht“ im 21. Jahrhundert eine lohnenswerte Lektüre? All das besprechen Thomas Andre und Rainer Moritz in dieser Folge von Next Book Please.

Beide Kritiker lesen den berühmten Stoff nicht allein als Liebesroman; „Vom Wind verweht“ ist in ihren Augen ein großer Panoramaroman über das Amerika des Bürgerkriegs und der nachfolgenden Reconstruction, der meisterlich konstruiert ist und in die Kategorie des klassischen realistischen Romans gehört. Ein Roman über weibliche Selbstermächtigung, mit Hauptfiguren, die keineswegs nur sympathisch sind. Bei den erotisch aufgeladenen Dialoge zwischen Scarlett O’Hara und Rhett Butler darf man an den Film denken, an Vivien Leigh und Clark Gable.

Aber in der Verfilmung, die noch berühmter ist als die literarische Vorlage, fällt garantiert nicht der so weise Satz, der, würde er befolgt werden, den ganzen Plot zerstörte, fällt also nicht der von Rhett lässig dahingeworfene Satz: „Entspann dich, Scarlett“. Mindestens einmal also sind die Übersetzer sehr forciert im Hier und Heute verankert – es schadet dem Text keineswegs.