Hamburg. Im neuen Abendblatt-Podcast erklären Ärzte von Asklepios einmal pro Woche ein Krankheitsbild und geben Tipps. Folge 2: Darmkrebs.

Verdacht auf Darmkrebs – es ist eine Diagnose, die Angst macht. Allerdings handelt es sich um eine der wenigen Arten von Krebs, bei der die Chance auf Heilung bei mehr als 90 Prozent liegt. Vorausgesetzt, die Erkrankung wird früh genug erkannt.

Deshalb wirbt Professor Dr. Carolin Tonus, Chefärztin der Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Asklepios Klinik St. Georg, in der „Digitalen Sprechstunde“, dem neuen Gesundheitspodcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios, leidenschaftlich für die Vorsorge.

Professor Dr. Tonus: Darmkrebs lässt sich verhindern

„Es treibt mich persönlich richtig um, dass bisher leider nur jeder Fünfte zur Darmspiegelung geht.“ Und das trotz teurer bundesweiter Kampagnen und prominenter Fürsprecher wie Boxchampion Vitali Klitschko oder Schauspielerin Uschi Glas. „Dabei lässt sich dieser Krebs wirklich verhindern.“

Ab dem 50. Lebensjahr sollte jeder die Kassenleistung in Anspruch nehmen und einmal im Jahr beim Hausarzt eine Stuhlprobe abgeben. „Ist Blut darin, dann ist das ein Warnsignal“, sagt die habilitierte Medizinerin, die sich 2002 in ihrer Professurschrift mit Darmkrebs beschäftigt und zuvor an renommierten Kliniken zwischen New York und Sydney zu dieser Krebsart geforscht hat.

Darmspiegelung spätestens ab 55

„Der Goldstandard bei der Vorsorge ist aber natürlich die Darmspiegelung“, sagt die Chefärztin und rät jedem ab dem 55. Lebensjahr eindringlich zu dieser Untersuchung, die auch von der Krankenkasse übernommen wird und nur alle zehn Jahre wiederholt werden muss, sofern es keine Auffälligkeit gibt.

Die Spiegelung, bei der kleine Polypen, also Wucherungen in der Darmschleimhaut, aus denen womöglich Darmkrebs entstehen könnte, sanft abgetragen werden, dauere im Schnitt knapp 30 Minuten und der Patient spüre dank einer Schlafspritze nichts davon.

„Aber ich weiß“, schiebt die Chirurgin im Gespräch sofort nach, „das Schlimmste ist die Vorbereitung. Davor scheuen sich einfach sehr viele.“ Denn bis zu vier Liter einer wenig schmackhaften Flüssigkeit muss der Patient am Tag vor der Spiegelung zu sich nehmen, damit die Darmschleimhaut ordentlich durchgespült wird.

"Vorbereitung muss man sich schöntrinken"

„Das muss man sich quasi schöntrinken, da spreche ich aus Erfahrung“, sagt die gebürtige Hessin ganz pragmatisch. „Ich habe das Getränk schon mit verschiedenen Fruchtsäften verdünnt. Und offen gestanden habe ich für den Geschmack auch schon mal ein Schüsschen Likör reingekippt.“

Prof. Dr. Carolin Tonus im Abendblatt-Podcast-Studio
Prof. Dr. Carolin Tonus im Abendblatt-Podcast-Studio © Andreas Laible | Andreas Laible

Mittlerweile werde teilweise auch nur noch verlangt, dass der Patient ein bis zwei Liter vorab trinke. „Da haben wir aber die Erfahrung gemacht, dass die Schleimhaut oft nicht sauber genug ist.

Also: Lieber einmal Augen zu und durch und mehr trinken als ein zweites Mal zur Untersuchung zu müssen.“ Sollte in der Familie schon jemand erkrankt sein, sollte man früher zur Vorsorge gehen, rät die Expertin. „Wir wissen, dass etwa jeder vierte Fall von Darmkrebs durch eine familiäre Disposition kommt.“

Kaffee? Rotes Fleisch? Vorbeugung kennt viele Mythen

Doch lässt sich das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, auch aktiv minimieren? Helfen drei Tassen Kaffee pro Tag oder der Verzicht auf rotes Fleisch, wie vermeintliche Studien beweisen wollen? „Da gibt es viele Mythen“, sagt Professor Dr. Carolin Tonus.

„In 26 Jahren Medizin habe ich schon so einiges an mir vorbeischwimmen sehen, aber wissenschaftlich bewiesen ist davon wenig.“ Sport und gesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Fisch seien natürlich hilfreich. „Aber ehrlich gesagt lässt sich das auf alles anwenden“, sagt die mit einem Chirurgen verheiratete Mutter eines 17-jährigen Sohnes.

Sollte sich ein Tumor entwickelt haben, dann sei eine zügige Operation „die Therapie der ersten Wahl“. Allerdings sei zu unterscheiden zwischen dem Dickdarmkrebs, dem sogenannten Kolonkarzinom, und dem eher seltener auftretenden Enddarmkrebs, bei dem die letzten 16 Zentimeter des Organs betroffen seien.

In jenem Fall werde der OP meist eine Bestrahlung/Chemotherapie vorgeschaltet, um den Tumor zu schrumpfen und einen künstlichen Darmausgang zu verhindern. Fünf Jahre dauere die Nachsorge nach dem Entfernen des Tumors.

Ab Mitte 2019 gibt es eine neue Therapie

Für den Darm, auch unter Medizinern „das schwarze Schaf unter den Organen“, habe sie sich schon während des Studiums interessiert. „Ich habe in den Bauch reingeguckt und der Darm war mir gleich sympathisch“, sagt die Ärztin aus Leidenschaft, die schon als Sechsjährige wusste, dass sie später im Krankenhaus arbeiten wollte.

Ab der zweiten Jahreshälfte bietet sie in St. Georg die intraoperative Bestrahlung am offenen Bauch an. „Das richtet sich an Patienten mit fortgeschrittenen Tumoren und an jene, bei denen der Krebs zurückgekehrt ist.“

Die Strahlentherapie sei sehr effektiv, schone aber benachbarte Organe, sagt Professor Tonus, die eine Dauerkarte für den HSV besitzt. Den 19. Mai, den Tag des möglichen Aufstiegs, hat sie sich schon frei genommen. Vorsorge ist alles.

Darmkrebs: Das sind mögliche Symptome

  • Blut im Stuhl
  • Verstopfung und Durchfall im Wechsel
  • starker Stuhldrang, aber keine Entleerung
  • Stuhl ist bleistiftdünn
  • häufige krampfartige Bauchschmerzen
  • ständige Müdigkeit und starker Leistungsabfall
  • merklicher Gewichtsverlust

Gesundheits-Podcast mit Asklepios

Die "digitale Sprechstunde" ist die neue Gesundheits-Gesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche erklärt ein Experte im Gespräch mit Vanessa Seifert ein Krankheitsbild und gibt Auskunft über Vorsorge und Möglichkeiten der Therapie.

In der nächsten Folge klärt Dr. Susanne Huggett, Ärztliche Leiterin der Krankenhaushygiene bei Asklepios, über Masern auf.