Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.
Haider: Lieber Christoph, in deinem Urlaub ist in Hamburg Historisches passiert: Die Grünen haben angekündigt, Peter Tschentscher als Bürgermeister ablösen zu wollen. Zum ersten Mal bewirbt sich mit Katharina Fegebank eine Frau um den höchsten Posten. Was sagst du dazu?
Schwennicke: Das passt ins allgemeine Bild. Und scheint bei euch da oben ein großes Desiderat zu sein. Hat nicht ein Hamburger Magazin Robert Habeck zum nächsten Bundeskanzler ausgerufen?
Haider: Was würde es für die Grünen bundesweit bedeuten, wenn sie eine Stadt wie Hamburg regieren würden?
Schwennicke: Sie haben bereits einen etablierten Ministerpräsidenten. Bei allem Respekt also vor Hamburg: nicht viel. Was würde es denn für Hamburg bedeuten?
Haider: Eine Sensation. Anderes Thema: Was hörst du vom SPD-Casting? Wolfgang Kubicki wünscht sich, dass Ralf Stegner neuer SPD-Chef wird ...
Schwennicke: Kubicki ist immer für einen Spruch gut. Ich finde die Prozedur quälend lang. Und fürchte, dass Harald Christ recht hat mit dem Hinweis, dass dort eine Drift ins Linksromantische zu erkennen ist. Wenn dies dem Votum am Ende entspräche, vollzöge die SPD den Suizid.
Haider: Heißt, dass Olaf Scholz nicht mal ins Finale kommt? Schwennicke: Ich habe auch keine Glaskugel. Glaube schon, dass Geywitz/Scholz ins Stechen gehen. Aber auch er macht mehr Konzessionen an diese verhängnisvolle Sehnsucht, als ich mit ihm verbinde.
Haider: Kubicki zitiert einen hochrangigen Genossen: „In der SPD haben leider die Erfolglosen das Sagen. Wer mal ’ne Wahl gewonnen hat, wird argwöhnisch beäugt.“ Stimmt, oder? Woher kommt die Sehnsucht nach der Opposition? Wenn die das Allheilmittel wäre, müsste die SPD in Bayern seit Jahren mit Mehrheit regieren.
Schwennicke: Dieser Reflex, Partei der Loser zu sein, ist leider strukturell.
Haider: Woher kommt dieser Reflex?
Schwennicke: Weil sie sich, was ja begrüßenswert ist, für die Beladenen zuständig fühlt und für sie mehr Mitgefühl und Zuneigung hat als für andere. Auch in den eigenen Reihen und bei der Suche nach Führungspersonal. Und dann wird es fatal.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kolumnen