Kolumne

Boris Johnson und das unerhörte Spektakel

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Lars Haider (l.) ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero".

Lars Haider (l.) ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, Christoph Schwennicke ist Chefredakteur des Magazins "Cicero".

Foto: Laible/Cicero

Zwischen Hamburg und Berlin: Ein E-Mail-Wechsel von Abendblatt und „Cicero".

Christoph Schwennicke, Chefredakteur des in Berlin produzierten Magazins „Cicero“, und Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, pflegen eine E-Mail-Freundschaft, die wir jeden Sonnabend an dieser Stelle veröffentlichen.

Haider: Lieber Christoph, wie kann es eigentlich sein, dass ausgerechnet ein Mann wie Boris Johnson Premierminister einer der stolzesten Demokratien der Welt ist?

Schwennicke: Weil er nicht der Alfred E. Neumann ist, als den der „Spiegel“ ihn schon zweimal plakatiert hat. Das ist nicht der Depp, zu dem er hierzulande gemacht wird.

Haider: Sondern?

Schwennicke: Dieses Land hatte seit jeher Schmerzen mit dem Dasein in der Europäischen Union. Leider. Die Politik der vergangenen Jahre nicht zuletzt von Deutschland hat diese Schmerzen verstärkt. Leider. Dann kam es zum Referendum. Knapp pro Brexit. Theresa May, die Vorgängerin von Boris Johnson, war zu schwach. Johnson nimmt jetzt die Brechstange. Die ihm aber das Parlament entringt. Oder jedenfalls teilweise. Das ist zwar ein unerhörtes Spektakel. Auch eine Staatskrise. Aber genauso ein vitales Zeichen einer Demokratie im Ausnahmezustand.

Haider: Aber es ist doch auch das Gegenteil von seriös, verantwortungsvoll, besonnen – also allem, was man von einem Regierungschef normalerweise an Eigenschaften erwartet.

Schwennicke: Was wäre denn besonnen und verantwortungsbewusst deiner Ansicht nach 50 Tage vor dem finalen Datum, dem 31. Oktober?

Haider: Ich würde das Volk jetzt noch einmal befragen.

Schwennicke: Und dann? Geht es wieder knapp aus. Und du hast weiter böses Blut. Neuwahlen, und ein Wahlausgang pro Remain wären das Beste. Aber dazu hat sich Labour mit diesem Zausel Corbyn nicht klar genug positioniert. Der ist mindestens so schuld am Schlamassel wie Johnson.

Haider: Vielleicht ginge ein neues Referendum aber auch klarer aus, weil die Briten gesehen haben, was sie mit dem Austritt aus der EU angerichtet haben. Oder ist das eine zu romantische Vorstellung?

Schwennicke: Ich fürchte: ja.

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