Deutschland sollte sich auch weiter nicht an Einsätzen wie in Libyen beteiligen.

Während sich die 42 Jahre währende Herrschaft des libyschen Despoten Muammar al-Gaddafi unter blutigen Straßenkämpfen unaufhaltsam dem Ende zuneigt, nimmt die Diskussion über die Rolle Deutschlands in diesem Konflikt wieder Fahrt auf. Wenn der Tyrann von Tripolis stürzt, wenn eine neue Zeit für Libyen anbrechen kann, dann war dieser Erfolg der Rebellen nur möglich aufgrund der militärischen Hilfe der Nato. Rund 20 000 Lufteinsätze von Amerikanern, Briten und Franzosen gab es bislang; dazu Drohnen-, Satellitenaufklärung und vieles mehr. Ohne dies wären die Aufständischen rasch erbärmlich zusammengeschossen worden.

Deutschland wird noch einmal gefragt werden, ob seine Totalverweigerung militärischer Hilfe - abgesehen von ein paar Soldaten in Nato-Führungsstäben - die richtige Entscheidung war. Zunächst einmal weiß noch niemand, ob die libysche Rebellion tatsächlich in ein pluralistisches Staatswesen mündet - von einer Westminster-Demokratie sollte niemand träumen - oder ob sich ein Bürgerkrieg der Stämme mit islamistischer Komponente anschließen wird.

Die Supermacht USA hat wirksam, aber unauffällig geholfen, weil ihr Präsident seinem verstörten Volk keinen dritten Krieg zumuten wollte. Die Führer Frankreichs und Großbritanniens haben nicht zuletzt aus innenpolitischer Profilierungstaktik die kühnen Feldherren gegeben.

Doch das funktioniert in Deutschland mit seiner gründlich gebrochenen Militärtradition nicht. Es würde Merkel und Westerwelle sogar ganz erheblich schaden, wenn sie unser Land in einen derartigen Krieg verstrickten. Deutschland gilt als hauptverantwortlich für den Ausbruch des Ersten und alleinverantwortlich für den des Zweiten Weltkriegs. Allein beim Angriffskrieg der deutschen Wehrmacht in der Sowjetunion starben zwischen 22 und 27 Millionen Menschen. Und weder Amerikaner noch Briten oder Franzosen haben erlebt, dass Abermillionen ihrer Bürger getötet oder vertrieben und ihre Städte dem Erdboden gleichgebombt wurden. Was Krieg anbelangt, ist Deutschland gründlich kuriert. Zudem hat die Bundesrepublik nach dem Ende des Kalten Krieges massiv abgerüstet. Standen einst fast 500 000 Bundeswehrsoldaten mit rund 4000 Kampfpanzern bereit, so sind es heute noch 240 000 mit 350 "Leoparden". Von Freunden umzingelt, will unser Land keine maßgebliche Militärmacht sein.

Natürlich wäre es selbst mit den vergleichsweise bescheidenen Mitteln möglich gewesen, in Libyen einzugreifen. Doch abgesehen davon, dass die Nato ihr begrenztes Uno-Mandat zum Schutz libyscher Zivilisten weit überzog und zur Bürgerkriegspartei wurde - wohin soll diese offensive Strategie der Allianz mit dem libyschen Präzedenzfall eigentlich führen? Soll die Bundeswehr eines Tages in Syrien, im Sudan oder Somalia mit eingreifen?

Im Kern fordert die Nato-Strategie von ihren Mitgliedern, sich notfalls gegenseitig zu verteidigen. Dazu muss und wird Deutschland jederzeit bereit sein; die Verbündeten waren es 40 Jahre lang in unserem dringendsten Interesse auch. Nun sind seit einer Änderung der Nato-Strategie 1999 auch Einsätze außerhalb des Bündnisgebiets möglich. Doch unser Land hat eben eine andere Geschichte als andere Staaten; und militärische Abenteuer deutscher Armeen sollten äußerst sparsam dosiert werden. Schon jetzt kann wohl kaum ein Politiker oder kommandierender General einer deutschen Mutter plausibel erklären, dass ihr Sohn leider in Afghanistan fallen musste, damit dort eine etwas weniger brutale Herrschaft etabliert werden kann. Was haben wir dort zu suchen? Deutschland ist kein Weltpolizist; und derzeit sind in Afghanistan, in Libyen oder sonst wo auf der Welt auch keine nationalen Interessen bedroht, die einen Kriegseinsatz rechtfertigen würden.