Ein 118-Jähriger erinnert sich in “Mr. Nobody“ an sein ziemlich bewegtes Leben

Wie hätte das Leben aussehen können, welchen Weg hätte man einschlagen sollen? Um Entscheidungen, Möglichkeiten und Chancen, um Erinnerung, Reue und Bedauern geht es im neuen Film des belgischen Regisseurs Jaco van Dormael, den man durch seinen bezaubernden "Toto, der Held" (1991) und den märchenhaften "Am achten Tag" (1996) noch in guter Erinnerung hat. Diesmal hat er einen Science-Fiction-Film inszeniert, angesiedelt im Jahr 2092.

Der Mr. Nobody des Titels, dargestellt von Jared Leto, ist in einer Welt des ewigen Lebens der letzte Sterbliche. Nun wartet jedermann auf seinen nahen Tod. Vorher soll der Greis aber noch einem Reporter erzählen, was er in 118 Jahren so alles erlebt hat. Doch Mr. Nobody, auch kurz Nemo genannt, erinnert sich nur schlecht, Ärzte helfen ihm mit Hypnose auf die Sprünge. So habe er sich als Neunjähriger auf dem Bahnsteig zwischen abfahrender Mutter und rufendem Vater entscheiden müssen. Schon als Bub habe er drei Mädchen heiraten wollen, und der Film spielt alle drei Möglichkeiten durch, so wie es nur das Kino kann: Die manisch-depressive Elise (Sarah Polley) ist trotz dreier Kinder an der Seite Nemos todunglücklich, mit der viel zu perfekten Jeanne (Linh-Dan Pham) führt er ein geordnetes, luxuriöses und langweiliges Leben. Anna (Diane Krüger) hingegen ist seine große Liebe - eine Beziehung, bestimmt durch Trennung, Verlust und neuerlicher Begegnung.

Van Dormael macht es dem Zuschauer nicht leicht. Mehrere Erzählstränge, Zeitkorridore und Wirklichkeitsebenen fächern das Geschehen bildgewaltig und einen Tick zu raffiniert auf. Wie bei einem Bisley-Schrank öffnet sich stets eine neue Schublade mit einer neuen Geschichte, einer neuen Anspielung, einer neuen visuellen Idee. Kubricks "2001", Gilliams "Twelve Monkeys" oder Kieslowskis "Der Zufall möglicherweise" kommen einem in den Sinn. Einflüsse und Zitate, die "Mr. Nobody" viel von seiner Eigenständigkeit nehmen. Ein wenig zu kühl, ein wenig zu detailfreudig, ein wenig zu manieriert spult van Dormael seine Illusionsmaschine ab - bis man beeindruckt und doch enttäuscht das Kino verlässt.

Beurteilung: annehmbar Mr. Nobody D/F/B/CAN 2009, 139 Minuten, ab 12 Jahren, R: Jaco van Dormael, D: Jared Leto, Sarah Polley, Diane Krüger, Linh-Dan Pham, täglich im Holi; www.mrnobody-film.de