Im Ernst-Deutsch-Theater wurden sechs Schülerprojekte ausgezeichnet, die sich mit verschiedenen Schicksalen in der NS-Zeit befassten.

Hamburg. Preisträger wie diese lassen hoffen. Jeder Einzelne. Auch das ist ein Merkmal des seit 1998 ausgerichteten, am Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus verliehenen Bertini-Preises: Ausgezeichnet wird der individuelle Mut der Schülerinnen und Schüler. Das Kleine im Großen. "Es sind immer auch einzelne Menschen, die die Geschichte der Welt bestimmen", zitierte Bildungssenatorin Christa Goetsch in ihrem Grußwort die Schriftstellerin Astrid Lindgren.

220 junge Menschen haben sich um den 12. Bertini-Preis beworben, sechs Schülergruppen wurden gestern im voll besetzten Ernst-Deutsch-Theater mit dem Preis für Zivilcourage geehrt. "Euch ist zu danken", lobte der ehemalige Hamburger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi in seiner Festrede die Preisträger, "denn eine solidarische, freie und demokratische Gesellschaft lebt von solidarischen, freien und demokratischen Bürgerinnen und Bürgern. Von nachdenklichen und mutigen Bürgern."

Die Sieger-Projekte sind thematisch so vielfältig wie die Erscheinungsformen der Zivilcourage in der Realität, fünf von ihnen befassen sich dabei mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen. So die Broschüre "Uetersen im Nationalsozialismus", in der neun Schüler die dunkel umwölkte Vergangenheit ihres Schulstandortes aufarbeiteten. "Ihr habt euch nicht mit dem kollektiven Nicht-wissen-Wollen zufrieden gegeben", lobte Abendblatt-Kulturchef Hans-Juergen Fink, Preis-Pate des Projektes.

Ähnlich beispielhaft arbeiteten die drei Schülerinnen des Gymnasiums Buckhorn in ihrer Dokumentation "Ein unerkannter Held: Das Leben des Georg Mewes", in der sie einem längst vergessenen NS-Opfer ein Gesicht verliehen. Es sind allesamt Projekte, die sich nicht im luftleeren Raum bewegen, sondern auf ein öffentliches Interesse stoßen, die Wirkung zeigen: In Gedenken an Georg Mewes wurde das Verlegen eines Stolpersteines beschlossen; Schüler der Gelehrtenschule des Johanneums wurden nach Los Angeles eingeladen, im Museum of Tolerance ihre Ausstellung über Musikerschicksale in der NS-Zeit zu zeigen.

Mit dem Johanneum verbindet Ralph Giordano, Schriftsteller und Ehrenvorsitzender des Bertini-Preises, eine persönliche Erfahrung - Grund genug, die Patenschaft des Projektes zu übernehmen: Von 1933 bis 1940 habe er hier die Schulbank gedrückt, "bis ich aus rassischen Gründen verjagt worden bin". Nun blickt er mit Stolz auf die sechs 15- bis 17-jährigen Schüler. Ein Brückenschlag zwischen dem Vergangenen und der Gegenwart, der das Wesen des Bertini-Preises einmal mehr deutlich macht.

"Lasst euch nicht einschüchtern!" - das Motto wurde auf der von Julia-Niharika Sen (NDR-"Hamburg Journal") moderierten Verleihung zitiert. "Nicht körperlicher Mut, ziviler Mut ist der Kern von Zivilcourage", so Klaus von Dohnanyi. Dafür brauche es Selbstvertrauen, Mut zur eigenen Meinung und nicht zuletzt das nötige Quäntchen Glück.

Ralph Giordano erinnerte in seinen Schlussworten an das Schicksal des im September 2009 ermordeten Dominik Brunner, der "noch das Vielfache dieser Zeit vor sich gehabt hätte - wenn, ja, wenn der Mangel an Zivilcourage nicht dazu beigetragen hätte, es vorzeitig auszulöschen". Wolfgang Rose (Ver.di Hamburg) plädierte in seiner Laudatio für sein Patenprojekt dafür, ruhig auch mal unbequem zu sein: "Immer denen widersprechen, die da sagen: Jetzt muss aber langsam mal Schluss sein mit diesen alten Geschichten." Nein, es darf niemals Schluss sein damit. Auch dafür steht der Bertini-Preis.