Die Zahl der Briefwähler beim Volksentscheid zur Schulreform ist mit 400.000 geringer als erwartet. Die ursprüngliche Kalkulation war 600.000.

Hamburg. Nach Angaben von Landesabstimmungsleiter Willi Beiß ist die Zahl der Briefwähler beim Volksentscheid über die sechsjährige Primarschule hinter den Erwartungen zurückgeblieben. "Die ursprüngliche Kalkulation war 600.000. Das werden wir wohl nicht mehr schaffen", sagte Beiß. Bis gestern waren 393.934 rote Abstimmungsbriefe in den sieben Bezirksämtern eingetroffen. "Bis Sonntag werden wir wohl die 400.000 erreichen", so Beiß.

Völlig offen ist, wie viele Hamburger am Sonntag eines der 201 Abstimmungslokale aufsuchen, um ihre Stimme persönlich abzugeben. 2007, beim bislang einzigen Volksentscheid unabhängig von einem Wahltermin, hatten gut 90.000 Hamburger direkt im Wahllokal abgestimmt. Allerdings: Der Termin im Oktober lag anders als die jetzige Abstimmung außerhalb der Sommerferien. Und: Damals hatten die Wahlberechtigten nur drei Wochen für die Briefwahl Zeit, jetzt sind es sechs Wochen. "Vielleicht erreichen wir dennoch die 90 000", sagte Willi Beiß.

Schon jetzt zeigt sich, dass die Teilnahme am Volksentscheid von Bezirk zu Bezirk durchaus unterschiedlich ist. Die fleißigsten Briefwähler leben im Bezirk Altona, wo bereits 34,8 Prozent der Wahlberechtigten votiert haben. Knapp dahinter folgen Eimsbüttel (33,9 Prozent), Nord (32,1) und Wandsbek (31,8). Etwas abgeschlagen sind Bergedorf mit 27,3, Harburg mit 25,5 und Mitte mit nur 21,7 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei 31,1 Prozent.

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Die FDP, die als einzige Partei gegen die Reform ist, frohlockt bereits, weil die Bezirke mit Hochburgen der Primarschulgegner wie Altona besonders hohe Beteiligungen hätten. "Wir gehen davon aus, dass Reformgegner grundsätzlich stärker motiviert sind und sich daher signifikant stärker beteiligen", sagte FDP-Chef Rolf Salo.

Landesabstimmungsleiter Beiß rechnet mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Befürwortern und Gegner der Primarschule. Das ist eine Erwartung, die auch die letzten Umfragen bestätigen, bei denen die Gegner knapp vor den Befürwortern lagen. Die Bürger können zwischen zwei Vorlagen entscheiden: Die Volksinitiative "Wir wollen lernen" will, dass es bei vier Jahren Grundschule bleibt, während der Senat und die vier Fraktionen der Bürgerschaft - CDU, SPD, GAL und Linke - für sechs Jahre gemeinsames Lernen sind.

Drei Hürden muss die Vorlage von "Wir wollen lernen" nehmen, um erfolgreich zu sein: mehr Ja- als Neinstimmen, die Jastimmen müssen mehr als ein Fünftel der Wahlberechtigten der Bürgerschaftswahl 2008 ausmachen (exakt 247 335 Stimmen) und mehr Jastimmen als die Vorlage der Bürgerschaft, falls diese auch die ersten beiden Bedingungen erfüllt. Verpasst "Wir wollen lernen" eine Hürde, hat das Schulgesetz Bestand, nach dem die Primarschule zum kommenden Schuljahr eingeführt wird. Setzen sich die Befürworter durch, gilt das Gleiche.

Nach Angaben von Beiß sind bislang nur knapp zwei Prozent der abgegebenen Abstimmungsbriefe ungültig. Grund: Der Abstimmungsschein fehlte oder war nicht unterschrieben. Das ist aber die Voraussetzung, dass der selbstverständlich bis zum Sonntag um 18 Uhr ungeöffnete blaue Umschlag mit dem eigentlichen Stimmzettel an der Auszählung teilnehmen kann.

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Nachdem am Sonntag um 18 Uhr die Abstimmungslokale geschlossen sind, beginnt die Auszählung dort und in den sieben Bezirksämtern. Genau 2089 Wahlhelfer hat Beiß bereits rekrutiert. Die Zahl war auf der Basis von zunächst kalkulierten 600 000 Briefwahlstimmen ermittelt worden, soll aber jetzt angesichts der niedrigeren Beteiligung nicht verringert werden.

Die Auszählung ist öffentlich. Walter Scheuerl, Sprecher der Initiative "Wir wollen lernen", kündigte an, Beobachter in die Abstimmungslokale zu entsenden. Scheuerl hat Bedenken, weil in 190 Grundschulen Stimmen abgegeben werden können. "Es kann ja nicht sein, dass Schulleiter, Lehrer oder Hausmeister der Schulen die Stimmen auszählen und gleichzeitig für die Primarschule eintreten oder von ihr profitieren", sagte Scheuerl. Nach Angaben des Landeswahlamt-Sprechers Asmus Rösler handelt es sich bei den Wahlhelfern jedoch fast ausschließlich um Mitarbeiter der Bezirksämter.

Briefwahl ist noch bis zum Sonntag möglich: Bis spätestens 18 Uhr müssen die Unterlagen persönlich oder per Boten in einem der sieben Bezirksämter abgegeben werden. Da die Wählerlisten elektronisch geführt werden, muss es nicht das zuständige Bezirksamt sein. Wer seinen Stimmzettel per Post verschicken will, sollte das bis spätestens Donnerstag tun, damit die Sendung rechtzeitig ankommt.

Die Wahllokale sind am Sonntag von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Auch hier gilt: In welchem Lokal man seine Stimme abgibt, ist egal. Wer keine Wahlunterlagen bekommen oder sie verlegt hat, kann neues Material in einem Bezirksamt seiner Wahl beantragen. Möglich ist es auch, am Sonntag mit Personalausweis in ein Wahllokal zu gehen.

Beiß bezifferte die Kosten des Volksentscheids mit 3,48 Millionen Euro. Die größten Posten betreffen das Porto und die Ausstattung der Schulen. Es ist sichergestellt, dass an keiner der fünf Schulen mit Videoüberwachung diese Technik eingeschaltet ist.