Dieter Lenzen wollte mit seinen Thesen zur Hochschulreform provozieren und erhält dafür viel Beifall. Studenten sind begeistert.

Hamburg. Der Ton war scharf, der Inhalt aber durchaus treffend. So lautet größtenteils das Echo auf die Kritik von Uni-Präsident Dieter Lenzen an der europäischen Hochschulreform. Vor allem die Studenten der Hamburger Uni sind angesichts der klaren Worte ihres Präsidenten begeistert. "Bologna riecht nach Truppenversorgung und Zwangsernährung", hatte Lenzen auf der "Zeit-Konferenz" zum Thema Hochschule und Bildung in Frankfurt gesagt. Und weiter: Bei den neuen Studiengängen handele es sich nicht um ein Angebot, sondern um eine "Zumutung". Bildung könne in ihnen nicht stattfinden.

"Ich bin generell gegen das Bachelor/Master-System, deshalb finde ich es gut, dass Herr Lenzen mal deutliche Kritik geäußert hat", sagt Moritz Wagenbrenner, 21, der Sozialökonomie auf Bachelor studiert. So sieht es auch die Studentin der Erziehungswissenschaften Iskra Stanisceva: "Die große Mehrheit der Studenten hier ist ja gegen die Hochschulreform, deshalb ist es richtig, dass Herr Lenzen mal für die Studenten spricht", sagt die 24-Jährige. Sie finde das System überfordernd, in sechs Semestern sei der Bachelor kaum zu schaffen.

+++ Das sagen Studenten und Professoren +++

Dass Lenzens Kritik derart harsch ausgefallen ist, scheint Sinn und Zweck zu haben. Die Diskussion über die notwendige Revision der Hochschulreform sollte durch seinen Vortrag "durchaus provozierend stimuliert werden", sagte Dieter Lenzen dem Abendblatt. Für die Uni Hamburg könne es als Anregung verstanden werden, die Debatte in den für Curricula und Prüfungen allein zuständigen Fakultäten aufzunehmen und gegebenenfalls zu berücksichtigen. "Eine Revision darf sich nicht in einer Korrektur von kleineren Problembereichen erschöpfen, sondern mit ihr muss die Frage der Funktion von Universität neu aufgeworfen werden", sagte Lenzen.

Kernziel der Bologna-Reform ist es, die Abschlüsse zu vereinheitlichen, wobei der auf drei Jahre angelegte Bachelor berufsqualifizierend und der darauf aufbauende Master eher theoretisch ausgerichtet ist. Die gewollte Berufsorientierung enthalte aber das Risiko, dass Universitätsbildung durch Wissenschaft im eigentlichen Sinne zu kurz komme, so Lenzen.

Voll und ganz hinter Dieter Lenzen stehen auch viele Lehrende. Der stellvertretende Leiter des Fachbereichs Physik, Prof. Dr. Jochen Bartels, hält die Abschaffung des Diploms für mehr als falsch und kritisiert ebenso die Verschulung des Studiums. "Die Studenten stehen heute unter enormem Leistungsdruck", sagt er.

In der Politik ist man lediglich, was den Ton angeht, geteilter Ansicht. "Derber Tobak", so nennt der hochschulpolitische Sprecher der CDU, Wolfgang Beuß, die Äußerung. Lenzen sei ja dafür bekannt, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. In diesem Fall wäre ein bisschen weniger aber mehr gewesen, so Beuß. "Ich würde sagen, wir warten erst einmal ganz in Ruhe die Evaluierung der Hamburger Hochschulreform ab." Allerdings, so räumte Beuß ein, gebe es Punkte bei Bologna, über die auch er nicht glücklich sei. Dazu zählte die harte Prüfungstaktung.

Vom Grundsatz her stimmt so auch Dorothee Stapelfeldt, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion, der Kritik Lenzens zu. Ein Studium dürfe nicht aus der zeitlichen Vorgabe von drei Jahren heraus entwickelt werden, sondern vielmehr aus dem für die Fächer notwendigen Stoff, sagt sie. Uneingeschränkt begeistert reagierte die Linke: "Endlich sagt mal einer aus dem universitären Bereich das, was wir schon lange sagen", so Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn. "Ich hoffe, dass das endlich gehört wird."

Das hofft man auch beim Studierendenausschuss AStA. Super sei er, der Anstoß von Lenzen - "jetzt wollen wir aber auch Taten sehen", sagt Vorsitzende Aida Golghazi. Momentan sei es Trend, dass jeder versuche, an dem neuen System herumzudoktern, ohne dass sich wirklich etwas positiv verändere. Deshalb brauche man jetzt Leute, die sich mit der Funktion der Uni und der Art der Bildung auseinandersetzten.

Dieter Lenzen, so die Studenten, könnte so jemand sein. Zumindest sei seine Kritik schon einmal ein Vorteil zur früheren Unipräsidentin, sagt Pädagogik-Student Arne Reinisch, 28. Er ist klarer Reformgegner. "Mir gefällt nicht, dass die Module vorgegeben sind und die Studenten keine Schwerpunkte mehr nach Interesse setzen können", sagt Reinisch.

Für die FDP ein klarer Fall. Landesvorsitzender Rolf Salo: "Der Bachelor als berufsqualifizierender Abschluss ist gescheitert."