Der Räuber und gerissene Ausbrecher Thomas Wolf ist wegen Entführung und Erpressung angeklagt. Er war auf der Reeperbahn verhaftet worden.

Hamburg/Wiesbaden. Die extremen Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht Wiesbaden signalisieren: Es könnte gefährlich werden. Hinter dickem Panzerglas müssen die Zuschauer Platz nehmen, dann sehen sie, wie Schwerverbrecher Thomas Wolf in Fuß- und Handfesseln von Zivilpolizisten in den Gerichtssaal geführt wird.

Er schnauft, hält an, sinkt schließlich erschöpft auf die Anklagebank. Der bis vor zwei Jahren international gesuchte Schwerverbrecher ist erst 58 Jahre alt, aber er wirkt vor Beginn seines Prozesses vor dem Wiesbadener Landgericht wie ein alter Mann. Mit dem Bild eines gefährlichen Entführers, notorischen Räubers und gerissenen Ausbrechers, der die Polizei zuletzt fast ein Jahrzehnt lang an der Nase herumgeführt hat, hat dieser Angeklagte in Trachtenjacke und Gesundheitsschuhen nichts gemein.

Thomas Wolf leidet als Folge eines Zeckenbisses unter einer Borreliose- Infektion, nur drei Stunden am Tag ist er deshalb verhandlungsfähig. Sein Verteidiger Joachim Bremer sagt, im Gefängnis sei die tückische Infektionskrankheit nicht rechtzeitig behandelt worden, sodass sein Mandant nun gegen starke Kopfschmerzen, Schwächeanfälle und Konzentrationsschwächen ankämpfen müsse.

Schon die Frage nach der Sitzordnung führt zum Prozessauftakt zu erheblichen Verzögerungen. Wolf sitzt zwischen zwei Justizbeamten auf der Anklagebank. "Dadurch entstehen erhebliche Nachteile für die Verteidigung", sagt Bremer. Die Sitzordnung mache eine direkte und ungestörte Kommunikation mit seinem Mandanten unmöglich. Der Vorsitzende Richter Jürgen Bonk folge "irgendwelchen Latrinenparolen" aus dem Untersuchungsgefängnis, wonach Wolf eine Geiselnahme im Gericht angekündigt habe. Dies sei angesichts des schlechten Gesundheitszustandes seines Mandanten absurd, sagt Bremer und beantragt, dass sein Mandant neben ihm sitzt.

Doch damit dringt der Verteidiger bei Gericht nicht durch. Nach der allgemeinen Sicherheitsbewertung sei eine Fluchtgefahr aktenkundig, von Gerüchten habe sich das Gericht mitnichten leiten lassen.

Der Verteidiger beantragte daraufhin, dass die Richter und Schöffen wegen Befangenheit abgesetzt werden. Folge: Nach nur drei Stunden musste der Prozess vertagt werden, ohne dass auch nur die Anklage verlesen wurde. Am Freitag wird die Verhandlung fortgesetzt. Bis dahin soll nach Angaben des Gerichts die Entscheidung anderer Richter über den Befangenheitsantrag vorliegen.

Der 58-jährige Wolf ist angeklagt, im März 2009 eine Wiesbadener Bankiersgattin entführt und 1,8 Millionen Euro Lösegeld erpresst zu haben. Neben der Entführung werden ihm in dem Prozess noch zwei frühere Banküberfälle in Hamburg und den Niederlanden zur Last gelegt. Bereits bei seiner Vernehmung räumte er nach Angaben der Justiz die Taten ein. Die Staatsanwaltschaft will prüfen, ob sie Sicherungsverwahrung des Straftäters beantragt.

Die kriminelle Karriere des gebürtigen Düsseldorfers reicht weit zurück. Nach Angaben der Justiz wurde Wolf bereits im Alter von 15 Jahren erstmals zu einer Jugendstrafe verurteilt, damals ging es um Diebstahl und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Später lautete die Anklage unter anderem auf schweren Raub und Banküberfall. Immer wieder wurde Wolf zu Gefängnisstrafen verurteilt, viermal gelang ihm die Flucht. So sägte er einmal die Gitterstäbe seiner Zelle durch, türmte ein anderes Mal aus dem Landeskrankenhaus. "Wir haben es mit einem Angeklagten zu tun, der nichts zu verlieren hat", sagte Staatsanwältin Maria Klunke.

Zuletzt kehrte er 2000 von einem Hafturlaub nicht zurück, sechs Jahre hätte er damals noch absitzen müssen. Unter falschem Namen lebte er mehrere Jahre in Frankfurt am Main, auch seine Lebensgefährtin wusste offenbar nichts von seinem Doppelleben, bis er 2009 die Bankiersgattin entführte. Nach der Geldübergabe floh der Täter quer durch Deutschland. Durch einen Tipp konnte die Polizei Wolf nach zwei Monaten auf der Reeperbahn in Hamburg festnehmen. Doch der Prozessbeginn verzögerte sich aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes.

Der Vertreter der Nebenklage kritisierte den schleppenden Prozessbeginn. Seine Mandantin, die am Tag der Entführung vor zwei Jahren knapp zwölf Stunden in der Hand Wolfs gewesen sei, habe lange auf den Beginn des Verfahrens gewartet. Für sie sei es wichtig, dass es nun beginne. Wolf sei verhandlungsfähig und bis heute "ein gefährlicher Mann".