Hamburg. Die Grünen haben die Entscheidung des SPD-Landesvorstands vom späten Dienstagabend, erneut eine Koalition mit dem bisherigen Partner anzustreben, am Mittwoch begrüßt, stellen sich aber auf harte Verhandlungen ein.
„Das ist für uns ein folgerichtiger Schritt“, sagte die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne). „Wir haben die letzten Jahre erfolgreich und sehr gut miteinander regiert. Gerade in diesen doch sehr unruhigen Zeiten ist es wichtig, eine stabile und verlässliche Regierung zu haben.“ Obwohl sie „viele inhaltliche Schnittmengen mit der SPD“ sehe, gehe sie davon aus, dass die Verhandlungen „sicher an der einen oder anderen Stelle hart geführt werden“. Dennoch hätten die Sondierungsgespräche schon gezeigt, dass es „keine unüberwindbaren Hürden“ gebe.
SPD hat CDU als möglichen Partner in der Hinterhand
„Verhandlungen sind immer hart, wenn sie ernsthaft geführt werden“, hatte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Vorabend gesagt und an die Koalitionsgespräche mit den Grünen vor fünf Jahren erinnert. Maßstab für die SPD sei es, dass „die richtigen Ziele und Projekte für die Stadt“ vereinbart würden. „Auch die Grünen haben ein Interesse an einer verlässlichen Koalitionsvereinbarung“, so Tschentscher.
Dass die SPD die CDU als möglichen Partner in der Hinterhand hat, sehe sie „gelassen und entspannt“, sagte Fegebank. „Das ist Teil des politischen Spiels. Für uns ist das Wählervotum eindeutig: Da stehen die Zeichen ganz klar auf Rot-Grün.“ Zur Strategie für die Verhandlungen äußerte sie sich nur vage: „Es wird uns darum gehen, natürlich eine deutlich grüne Handschrift, entsprechend dem Wahlergebnis, in die Verhandlungen und dann auch in einen möglichen Koalitionsvertrag einzubringen.“ Die Grünen hatten ihren Stimmenanteil bei der Bürgerschaftswahl von 12,3 auf 24,2 Prozent nahezu verdoppelt, die SPD war von 45,6 auf 39,1 Prozent abgerutscht.
Bei Entwürfen für die Stadt gibt es Unterschiede
„Die bekannten Schnittmengen mit den Grünen sind so groß, dass wir gern in Koalitionsverhandlungen eintreten wollen“, sagte SPD-Landeschefin Melanie Leonhard. Bei den „Entwürfen für die Stadt“ gebe es jedoch zum Beispiel Unterschiede. „Das müssen wir zusammenkriegen“, sagte Leonhard. Deswegen werde man auch über Hürden sprechen müssen. Ein Blick in die Wahlprogramme von SPD und Grünen genügt, um zu sehen, wo die Hürden lauern:
Klimaschutz: Im gemeinsam beschlossenen Klimaplan strebt Rot-Grün an, den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent zu senken und Hamburg bis 2050 zur „klimaneutralen“ Stadt zu machen. Während die SPD an diesen Zielen festhält, wollen die Grünen „Hamburg bis 2035 zur klimaneutralen Stadt machen“. Sprengstoff liefert auch der Vorschlag des Bürgermeisters, das Kohlekraftwerk Moorburg früher als 2030 abzuschalten, einen Block in ein Gas-und-Dampf-Kraftwerk (GuD) umzurüsten und auf dem Gelände eine Wasserstoffproduktion zu errichten. Das widerspricht zwar nicht prinzipiell den Zielen der Grünen, kollidiert aber mit dem von Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) entwickelten Plan für eine neue Fernwärme-Versorgung, der ebenfalls den Bau eines GuD-Kraftwerks vorsieht – aber an anderer Stelle. Da Tschentscher ankündigte, seine Idee zum Thema in Koalitionsverhandlungen machen zu wollen, dürfte er nicht so leicht davon abrücken.
Verkehr: Rot-Grün hat zwar gemeinsam an der Verkehrswende gearbeitet, doch auch hier haben die Grünen deutlich ehrgeizigere Ziele als die SPD. So streben die Grünen eine flächendeckend „autoarme“ Innenstadt an, während die SPD sich das nur punktuell vorstellen kann. Und während die Sozialdemokraten darauf verweisen, dass zuletzt 30 bis 40 Kilometer neue Radwege pro Jahr entstanden sind, und an diesem Tempo festhalten, wollen die Grünen das ursprüngliche (verfehlte) Ziel, 50 Kilometer pro Jahr zu schaffen, sogar auf 100 Kilometer steigern.
A 26-Ost/Köhlbrandquerung: Aus Sicht der Grünen ist es unsinnig, mit der geplanten Autobahn 26-Ost und dem nötigen Ersatzbau (Tunnel oder Brücke) für die marode Köhlbrandbrücke zwei extrem teure Querungen über den Köhlbrand zu finanzieren. „Der Bau einer zweiten Querung steht den Grundsätzen einer zukunftsorientierten Mobilität diametral entgegen“, heißt es im Grünen-Programm, das „eine kritische Überprüfung der A 26-Ost“ fordert. Eine strikte Ablehnung wäre mit der SPD auch nicht zu machen. Sie hält an beiden Projekten fest und schreibt über die A 26-Ost: „Den Bau wollen wir jetzt zügig umsetzen.“
Flughafen: Die Grünen lehnen die geplante Kapazitätserweiterung des Flughafens ab, wollen Starts und reguläre Landungen nach 23 Uhr verbieten und fordern eine „effiziente Gewinnabschöpfung“ bei Zuwiderhandlung. Für die SPD ist der Flughafen dagegen „ein wichtiger Standortfaktor“, sie setzt sich für „mehr Platz und Komfort für die Passagiere“ ein und will die Betriebsregeln beibehalten. Allerdings will auch sie den nächtlichen Lärm mindern und strebt die „Klimaneutralität des Flughafenbetriebs“ an.
Verkehrsbehörde: Die Grünen wollen im Senat die Zuständigkeit für das Thema Verkehr bekommen. Da diese derzeit noch in der Wirtschaftsbehörde angesiedelt ist, die die SPD wiederum nicht abgeben möchte, dürfte hier ein hartes Ringen einsetzen. Als denkbar gilt, dass die Behörde geteilt wird und dafür eine andere, etwa die Gesundheitsbehörde, ihre Eigenständigkeit verliert.
Inneres: Nachdem auf Druck der Grünen die Kennzeichnungspflicht für Polizisten eingeführt wurde, fordert die Partei nun, die Vermummung bei Demonstrationen von einer Straftat zu einer Ordnungswidrigkeit herabzustufen – und stößt bei der SPD auf heftige Ablehnung. Dass Polizisten sich kennzeichnen müssen, während Demonstranten sich vermummen dürfen, sei mit ihm nicht zu machen, hatte Tschentscher zugespitzt im Wahlkampf klargestellt. Allerdings hatte Fegebank bereits Bereitschaft zum Einlenken signalisiert. Auch die Grünen-Forderungen nach einer von der Polizei losgelösten Versammlungsbehörde und einem „unabhängigen Polizeibeauftragten“ als Ansprechpartner für die Bürger stößt in der SPD nicht auf Gegenliebe.
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