Überraschend kippt die Sozialbehörde das Projekt. Angebot werde schlecht angenommen. Kostenersparnis beträgt nur 20.000 Euro.

Hamburg. Als der Hamburger Familienpass im Mai 2007 vorstellt wurde, lobte ihn der damalige Senat als große Errungenschaft - als Schritt zu noch mehr Familienfreundlichkeit in der Hansestadt. Mit dem Jubel ist es vorbei, denn völlig überraschend wird das Angebot, das allen in Hamburg lebenden Eltern und ihren Kindern unter 18 Jahren erhebliche Ermäßigungen beim HVV und bei etwa 50 weiteren Kultur- und Freizeiteinrichtungen bescherte, wieder abgeschafft. "Ab dem 1. Dezember werden keine Pässe mehr ausgegeben", sagt Julia Seifert, Sprecherin der Sozialbehörde, "das spart etwa 20.000 Euro pro Jahr für Bürokosten und Flyer."

Das Angebot des Familienpasses werde nicht mehr so angenommen, sagte die Behördensprecherin, "nach dem Wegfall der HVV-Ermäßigung hat der Familienpass viel an Attraktivität verloren." Nur noch bis Ende 2010 erhält jedes Familienmitglied, das einen Familienpass hat, fünf Euro Ermäßigung pro Monat auf HVV-Zeitkarten.

+++ Dossier: Hamburg muss sparen, sparen, sparen +++

Eine vierköpfige Familie beispielsweise konnte so bis zu 240 Euro im Jahr sparen. Und das Angebot wurde gut angenommen: "Mit Stand September 2010 haben 33 100 Personen diese Ermäßigung genutzt", sagt HVV-Sprecherin Gisela Becker, "2009 waren es im Schnitt 37.500 Kunden". Bereits im Rahmen der Sparbeschlüsse 2009 war festgelegt worden, dass diese Förderung, deren Kosten die Stadtentwicklungsbehörde trug, auslaufen soll. Dabei ging es um höhere Beträge: Die Zuschüsse für den HVV betrugen 2009 rund 2,3 Millionen Euro.

Derzeit sind nach Angaben von Seifert 73.000 Familienpässe im Umlauf. Damit können Familien bislang beispielsweise mit ermäßigten Tickets auf dem Alster-Dampfer fahren, erhalten Rabatt in mehreren Bäderland-Bädern, sparen den Aufnahmebetrag in einer Reihe von Sportvereinen, können günstiger verschiedene Theater oder Museen besuchen. Damit ist Schluss.

Die Kritik ließ gestern nicht lange auf sich warten. Landespastorin Annegrethe Stoltenberg, Chefin des Diakonischen Werkes Hamburg: "Wir lehnen die Abschaffung des Familienpasses aus zwei Gründen ab: Erstens würde sie besonders die Familien mit geringen Einkommen treffen, ist also schlicht unsozial. Zweitens widerspricht es dem Gedanken der Nachhaltigkeit. Wie wir gerade in der Studie ,Zukunftsfähiges Hamburg' gezeigt haben, müssen wir zügig aus sozialen, aber auch aus ökologischen Gründen weitere Schritte hin zu einem kostenlosen öffentlichen Nahverkehr machen." Kritik kam auch von Carola Veit, familienpolitische Sprecherin der SPD: "Dieser Senat ist kein verlässlicher Partner für Hamburgs Familien. Spitze ist Hamburg nur mehr bei den Kita-Gebühren. CDU und GAL belegen erneut eindrucksvoll, dass Familienfreundlichkeit nicht die geringste Priorität hat." Dass die HVV-Vergünstigung wegfalle, sei schlimm genug für die Familien, "aber deshalb gleich den ganzen Pass abschaffen?"

Wenig Verständnis hat auch Andrea Howe für die Einsparungen: "Ich bin alleinerziehende Mutter und habe drei schulpflichtige Kinder, die alle den öffentlichen Nahverkehr beanspruchen. Durch die Streichung des Familienpasses und das stetige Ansteigen des HVV-Preises bleibt unserer Familie nicht mehr viel Geld für Freizeitaktivitäten wie zum Beispiel den Besuch von Hagenbeck", sagt die 46-jährige Rechtsanwaltsfachangestellte, die den Familienpass seit drei Jahren nutzt. Sie ist auch schon durch die Kita-Gebührenerhöhung von den Sparbeschlüssen des Senats betroffen. Seit August zahle sie auch noch 30 Euro mehr Kitagebühren: "Zum Schuldenausgleich wird die Mittelschicht finanziell immer mehr belastet. Von Familienfreundlichkeit kann nicht die Rede sein."

Auch Edith Aufdembrinke, Vorsitzende von Dago Kinderlobby e. V., der sich 2003 als Interessensvertretung für Kinder in Hamburg gegründet hat, hält die neue Sparvorgabe auf dem Rücken von Familien für grundverkehrt: "Wie passt das mit Familienfreundlichkeit zusammen? Erst wurden die Kita-Gebühren erhöht und jetzt wird der Familienpass gestrichen. Aber es ist Geld da für ein 112-Millionen-Euro-Softwareprogramm", ereifert sich Aufdembrinke. "Was ist das für eine Klasse von Politikern, die immer unten wegstreicht." Wer schnell ist, kann noch bis zum 30. November Familienpässe bei den Kundenzentren der Bezirksämter beantragen. Pro Familie kosten die Ausweise nur fünf Euro.