Weiterhin finden Kontrollen auf drei „Gefahreninseln“ statt. Eine St. Paulianerin will mit Aktion im Internet die komplette Aufhebung erreichen – bislang 5000 Unterzeichner.

Hamburg. Die Polizei will das umstrittene Gefahrengebiet auf „Gefahreninseln“ rund um die Polizeikommissariate an der Davidstraße, Mörkenstraße und Lerchenstraße verkleinern. Renate Brokelmann geht das nicht weit genug. Die Initiatorin einer Online-Petition gegen das Gefahrengebiet tritt weiter für die komplette Aufhebung ein. Über Facebook und Twitter verbreitete sie den Aufruf, der in 24 Stunden fast 5000 Befürworter fand. „Die neuen Zonen sind immer noch sehr groß, viel zu groß“, sagte sie dem Abendblatt.

Sie werde die Petition an die neue Lage anpassen und weiterlaufen lassen. „Das ist ein untragbarer Zustand.“ Sie lebe auf St. Pauli, fühle sich durch die massive Präsenz und das Vorgehen der Polizei in ihren Persönlichkeitsrechten „stark eingeschränkt“. Aus Sicht demokratischer Bürger sei es unzumutbar, dass die Polizei in dem Gebiet „schalten und walten kann, wie sie will“.

Brokelmann steht nicht allein da: Auch Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan fordert die Auflösung der Maßnahme. „Der öffentliche Druck hat Wirkung gezeigt. Es ist gut, dass die SPD einsieht, dass dieses großflächige Gefahrengebiet eine überzogene Maßnahme war.“ Dies sei aber nicht mehr als ein erster Schritt zur Deeskalation. Es falle auf, dass die neuen Sonderzonen um die drei Polizeiwachen ziemlich großzügig gezogen seien.

Steinwurf verletzt einen Unbeteiligten an der Simon-von-Utrecht-Straße

Während die Polizei die Einrichtung des Gefahrengebietes hingegen grundsätzlich als Erfolg wertet, blieb die Lage in dem ursprünglich acht Hektar großen Gebiet bis zuletzt angespannt. So beteiligten sich auf St. Pauli am Mittwochabend rund 350 Menschen aus dem linken Spektrum an einer nicht angemeldeten Demonstration gegen das Gefahrengebiet. Am Paulinenplatz kesselte die Polizei 50 Menschen ein, bis zu 250 Demonstranten waren auf den Straßen unterwegs. Außerdem legten wenig später 80 Aktivisten durch eine Sitzblockade für kurze Zeit den Verkehr auf der Feldstraße lahm. Bis in die Nacht zogen kleinere Gruppen durch das Schanzenviertel, durch Altona und St. Pauli. Vereinzelt flogen Böller, in Altona-Altstadt brannten zwei Autos. An der Simon-von-Utrecht-Straße wurde ein unbeteiligter 40-Jähriger von einem Stein am Kopf getroffen. Er kam mit einer Platzwunde ins Krankenhaus.

Daher könnte es in der Bürgerschaft erneut zu einer interfraktionellen Resolution gegen Gewalt kommen. SPD-Fraktionschef Andreas Dressel will sich mit den Kollegen der anderen Fraktionen auf einen Text einigen, der dann in der Sitzung Ende Januar beschlossen werden soll. Die fünf Fraktionen hatten vor der großen Demonstration zur Flüchtlingspolitik und Roten Flora am 21. Dezember zu Gewaltfreiheit aufgerufen, allerdings vergebens. Die CDU will eine eigene Unterstützungskampagne starten, an die die Partei eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Polizeibeamte knüpft.

In dem bisherigen Gefahrengebiet hat sich eine Art Ritual etabliert: Die Aktivisten verabreden sich zu spontanen Kundgebungen, irgendwann eskaliert die Situation, die Polizei löst den Aufzug auf. Dann beginnt das übliche Katz- und Maus-Spiel zwischen Kleingruppen und den Beamten. Zum gängigen Protest-Repertoire gehört inzwischen auch die Verballhornung der Staatsgewalt: Immer wieder sind bei den Aufzügen Aktivisten zu sehen, die mit Klobürsten herumlaufen – eine Anspielung auf eine Szene in der „Tagesschau“, wo zu sehen war, wie Polizisten bei der Durchsuchung eines Demonstranten eine Klobürste im Hosenbund entdeckten. Hinzu kommen weitere Szene-Accessoires, beispielsweise Flaschen, aus denen Taschentücher ragen und an „Molotow-Cocktails“ erinnern sollen – oder kleine Tütchen mit weißem Pulver (meist Natron), die demonstrativ in der Gegenwart von Polizeibeamten gegen Geldscheine getauscht werden – als ginge hier gerade ein Drogengeschäft über die Bühne.

Weiter in der Diskussion ist der Angriff auf die Davidwache am 28. Dezember, einem der Auslöser für die Einrichtung des Gefahrengebietes. Wie berichtet, hatte der als Rote Flora-Anwalt bekannte Strafverteidiger Andreas Beuth, die polizeiliche Darstellung des Geschehens vor der Davidwache als „falsch“ kritisiert. Beim Hamburger Abendblatt hatte sich daraufhin ein Polizist der Davidwache gemeldet und erklärt, dass er verwundert sei, wie teilweise über den Angriff berichtet würde. Wenn einem Anwalt eine Plattform gegeben werde, auf der er behaupten könne, dass es den Angriff gar nicht gegeben hätte, sei das „wie ein Schlag ins Gesicht“, sagte er.