Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan fordert von Parteien, Kirchen und Gruppen ein Bekenntnis zu einer politischen Lösung. Sorge vor weiterer Eskalation.

Hamburg. Die Bilder der Gewalt in den vergangenen Wochen haben viele Hamburger erschüttert und erschreckt. Was jetzt gebraucht wird, ist ein umfassendes Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit, das nicht nur die Parteien, sondern auch die Kirchen sowie Verbände und politische Gruppen aller Art mittragen – und zwar unabhängig davon, wie sie inhaltlich zur Roten Flora, zum Abriss der Esso-Häuser oder zur Flüchtlingspolitik des Senats stehen.

Die Demokratie lebt von der Debatte, ja der Auseinandersetzung und dem Streit. Doch all dies muss mit Worten und Meinungen ausgetragen werden, nicht mit Gewalt. Schnell kann es zu einer Situation kommen, in der Aktion und Reaktion zu Radikalisierung führt – deswegen muss jetzt Schluss damit sein.

Jens Kerstan ist Vorsitzender der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft. Er richtet einen Appell an alle Beteiligten. „Wir brauchen jetzt schnell ein zivilgesellschaftliches Bündnis gegen Gewalt, damit es keine weitere Spirale der Eskalation gibt“, sagt er. Es müsse klar sein, dass es keinerlei Rechtfertigung für die blindwütigen Gewaltexzesse der letzten Wochen gebe. Kontraproduktiv für ein solches Bündnis sei aber die Errichtung des Gefahrengebietes und erst recht die Debatte über Gummigeschosse und Elektroschocker, so Kerstan. „Die betroffenen Polizisten haben unsere uneingeschränkte Solidarität. Kein Verständnis haben wir aber für symbolische Demonstrationen von Härte und für Aktionismus durch Polizeiführung und Innenbehörde.“

Kerstan rief beide Seiten zur Besonnenheit auf, damit in der gegenwärtig zugespitzten Situation nicht Prozesse in Gang gesetzt würden, die sich niemand wünschen könne. „Wenn die Attacken auf Polizeibeamte und -wachen mit Gummigeschossen und Elektroschockern beantwortet würden, kann das nur zu einer weiteren Eskalation führen. Die Stadt muss unaufgeregt Strafverfolgung betreiben und das Gewaltmonopol des Staates sicherstellen, dafür brauchen wir aber keine Sonderzonen und keine martialische Töne“, appellierte der Grünen-Fraktionsvorsitzende.

Zudem gerate durch die Gewaltexzesse der parteiübergreifende Konsens zum Erhalt der Roten Flora in Gefahr. Vor den Krawallen habe es in der Stadt keine politischen Kräfte gegeben, die die Flora räumen wollten. „Zu einer zivilgesellschaftlichen Lösung gehört auch, diesen unverantwortlichen Spekulanten Kretschmer und Baer das Heft aus der Hand zu nehmen. Diese heizen aus reiner Profitgier den Konflikt an und wollen bewusst die Polizei ins Feuer schicken, um den Kaufpreis für die Flora nach oben zu treiben.“

Deshalb, so Kerstan, müsse der Senat Wege finden, mit den Aktivisten der Roten Flora ins Gespräch zu kommen über eine neue Eigentumslösung für dieses Kulturzentrum. Das müsse ein Verkauf der Flora sein und könne eine Genossenschaftslösung wie bei der Hafenstraße sein oder die Überführung der Roten Flora in eine Stiftung.

„Die Losung muss sein: Flora bleibt, aber ohne Gewalt – und dieser Zusatz fehlt mir bisher“, sagte Kerstan. „Ich will daran erinnern, dass es vor der Demonstration am letzten Adventssonnabend einen gemeinsamen Appell aller Bürgerschaftsparteien zur Gewaltlosigkeit gab und würde mir wünschen, dass das noch einmal bekräftigt wird.“ Sein Appell richte sich „natürlich auch an eigene Bündnispartner“ der Grünen. „Den Leuten, die jetzt zur Gewalt greifen, muss klar sein, dass sie das Geschäft der Spekulanten betreiben“, so Kerstan weiter.

„Ich bin wirklich in großer Sorge, dass wir Eskalationen in dieser Stadt bekommen, und ich will einfach nicht, dass Hamburg zum Anlaufpunkt für gewaltbereite Autonome aus ganz Europa wird, wenn der Konsens über die Rote Flora zerbrechen sollte.“ Man dürfe das Feld nicht den Hardlinern überlassen. Jetzt müsse die Politik das Spiel übernehmen. „Es muss deutlich werden, dass Gewalt bei der Lösung dieses Konflikts kein Mittel ist – und das sollten auch die Bündnispartner im Umkreis der Lampedusa-Gruppe erklären. Zudem muss die SPD den Weg für eine politische Diskussion wieder ebnen– durch die Abschaffung der Gefahrengebiete.“ In dem Bündnis könnten sich Parteien, aber auch Kirchen, Verbände, politische Gruppen und auch Einzelpersonen klar zur Gewaltlosigkeit bekennen und für eine politische Lösung eintreten. „Wir brauchen schnell eine Entschärfung der Situation, damit das Thema nicht in den Wahlkampf gerät und sich weiter aufschaukelt.“