Bürgermeister Scholz zeigt sich von Shanghai beeindruckt. Trotz der Gegensätze könne Hamburg aber von der Partnerstadt lernen.

Shanghai. "Schauen Sie", sagt die junge Dame in ihr Headset und lässt einen grünen Laserpunkt hin und her tanzen. "Im Osten ist Pudong - und im Westen ist Puxi", säuselt es aus Lautsprechern. Was für Auswärtige wie Fix und Foxi klingt, sind die Hälften, in die Shanghai vom Fluss Huangpu geteilt wird, jede für sich so groß, dass Hamburg mit seinen knapp 1,8 Millionen Einwohnern nur ein Stadtteil davon wäre.

Olaf Scholz steht mit der jungen Dame, ihr Namensschild weist sie als Mitarbeiterin 204 des Stadtplanungsmuseums von Shanghai aus, auf einem Balkon über dem Stadtmodell und staunt still in sich hinein. Auf Knopfdruck erstrahlen alle Wolkenkratzer weiß, es wird ziemlich hell in der Modellstadt. Dann leuchten gelb die Highways auf, wobei das hier wörtlich zu nehmen ist. Unter den mehrspurigen "Hochstraßen" verlaufen in der Regel weitere Straßen - und manchmal darunter noch eine.

Es ist der schiere Wahnsinn, den Hamburgs Bürgermeister hier vorgeführt bekommt. Im 3-D-Kino des Museums fliegen die Besucher durch eine Stadt der Zukunft, ohne dass sich trennen lässt, was noch Zukunftsmusik ist und was schon Realität. Alles scheint möglich in dieser 23-Millionen-Menschen-Metropole. Der Transrapid fährt jedenfalls schon.Und das 492-Meter-Hochhaus, das den benachbarten Oriental Pearl Tower (nur 468) als höchstes Gebäude Chinas ablöst, wird auch gebaut. "2014 ist es fertig", sagt die Dame, es gibt da keinen Zweifel. Kitschige Hollywood-Klassik beschallt die Hamburg-Delegation, manch einer fühlt sich wie in einen Roland-Emmerich-Film.

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Schnitt. Hamburgs Erster Bürgermeister steht im Garten der Residenz seines Amtskollegen Han Zheng, den er gleich treffen wird, und zeigt sich vom Gesehenen beeindruckt. "Mich hat der Fortschrittsoptimismus sehr berührt", sagt er umständlich, wird dann aber doch deutlicher: "Wenn wir uns von diesem Optimismus anstecken lassen, würde Hamburg davon auch profitieren. Es ist beeindruckend zu sehen, dass es Städte gibt, die in einem Jahr so viele Wohnungen bauen, wie wir in zehn Jahren planen." Wobei geplant in Hamburg noch lange nicht gebaut ist. Dass immer häufiger Minderheiten durch Bürgerentscheide Projekte aushebeln, die aus seiner Sicht für die Stadt gut wären, macht Scholz Sorgen, auch wenn er das nicht so direkt sagen würde. Ob in den Gesprächen in China mal die Zielzahl seines Senats von 6000 neuen Wohnungen pro Jahr angesprochen worden sei? Scholz kichert nur. Natürlich nicht. "Das bauen die hier in ein paar Wochen." Aber eine Wolkenkratzer-Skyline wie Shanghai, nein das brauche Hamburg nicht und das wolle er auch nicht, sagt Scholz, obwohl er bekennender Anhänger der "Big City"-Theorie ist - große Städte, hoch verdichtet, in denen der Puls der Gesellschaft schlägt. Aber eben auch mit guter Infrastruktur, kurzen Wegen und daher lebenswert und gleichermaßen ressourcenschonend. Ist Shanghai ein Vorbild? Man könne immer voneinander lernen, sagt Scholz. "Ich glaube, dass wir bereit sein müssen, an der einen oder anderen Stelle etwas höher zu bauen." Er meint damit ein bis zwei Stockwerke in der Innenstadt und außerhalb davon vielleicht hier und da ein Hochhaus.

Seit 25 Jahren sind Shanghai und Hamburg nun Partnerstädte, das ist der Grund für Scholz' Besuch in China, sein erster überhaupt. Beide Städte sind aufs Engste miteinander vernetzt, es gibt 440 chinesische Firmen in Hamburg und das weltberühmte Teehaus aus der Altstadt von Shanghai wurde an der Alster nachgebaut (leider ist es zurzeit geschlossen). Im Gegenzug sitzen 50 Hamburger Firmen in Shanghai - plus ein sehr aktives Hamburg-Office. Es werden gemeinsame Feste gefeiert, es gibt einen Schüleraustausch, Kammern, Hochschulen - fast alle haben Kooperationen. Einige besuchte Scholz, wie gestern das Hamburg-Shanghai-College, an dem die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) beteiligt ist. Auch der Fluglinie China Eastern stattet er einen Besuch ab, weil der seit Ende August angepriesene "Direktflug" von Hamburg mit Shanghai eben noch kein Direktflug ist. Die Zwischenlandung in Frankfurt, die hätte Hamburg gern weg. Airline-Chef Ma Xulun ist ein freundlicher Mann. "Je nach Marktlage" werde die Verbindung ausgebaut. Also erst einmal nicht.

Es ist einer dieser Momente, in denen klar wird, wer im Verhältnis dieser beiden Städte mehr Trümpfe auf der Hand hat. Aber die Chinesen lassen ihre Gäste das sehr selten spüren. Scholz bekommt Termine bei allen wichtigen Personen, er wird im schwarzen Mercedes mit Polizeieskorte durch die Stadt gefahren, und jeder, den man fragt, betont, wie wichtig Hamburg für Shanghai ist. Aber es ist eben auch nur eine von 71 Partnerstädten der zweitgrößten Stadt des größten Landes der Erde. Und obwohl die beiden Bürgermeister freundlich die lange Tradition ihrer Beziehungen und die Gemeinsamkeiten ihrer Städte hervorheben, könnten die Gegensätze krasser kaum sein. Hier das beschauliche Hamburg, das Jahre an einem Konzerthaus rumschraubt und sich wochenlang mit einem Zaun unter einer Brücke rumschlägt - dort das laute, glitzernde, wuchernde Shanghai, dessen "Masterplan 2020" vorsieht, zur Entlastung des Zentrums acht neue Vorstädte zu bauen. Für jeweils 600 000 Menschen.

Manchmal hat diese Partnerschaft aber auch etwas Anrührendes. Beispielsweise, wenn die Chinesen, die in der Regel bestens über ihre Gäste informiert sind, Scholz am Hamburg-Shanghai-College stolz einen Raum mit Fotos der Hansestadt zeigen. Auf einem Bild ist unter einem rosa blühenden Kirschbaumzweig das Rathaus zu sehen. Plötzlich lautes Gelächter. Was war los, Herr Scholz? "Die haben mir mein Amtszimmer gezeigt."