Die Rechnung ging nicht auf: Das Loch im “Sondervermögen Stadt und Hafen“ wurde seit Jahren ignoriert. Es fehlen rund 400 Millionen Euro.

HafenCity/Altenwerder. Im Hamburger Haushalt gibt es ein Loch, das ist so groß, dass die Elbphilharmonie hineinpassen würde - gemessen am finanziellen Anteil der Stadt. Es geht um mindestens 300 Millionen Euro, die für den weiteren Ausbau der HafenCity fehlen, wahrscheinlich sind es sogar mehr als 400 Millionen. Der Krater ist unübersehbar, und seine Existenz ist Finanzpolitikern und den zuständigen Behörden auch seit Jahren bekannt. Getan wurde trotzdem nichts. Das soll sich jetzt ändern. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) bestätigte auf Abendblatt-Anfrage, dass es Überlegungen gibt, das Loch so schnell wie möglich zu stopfen.

+++ Jedes fünfte Büro in der HafenCity steht leer +++

Dass der gigantische Fehlbetrag bislang so diskret behandelt wurde, liegt auch daran, dass er in einem Schattenhaushalt klafft, nämlich dem "Sondervermögen Stadt und Hafen". Es war eine der letzten bedeutenden Amtshandlungen des damaligen Bürgermeisters Henning Voscherau (SPD), mit dem "Gesetz über das Sondervermögen Stadt und Hafen" die Finanzierung für "sein" größtes Projekt zu sichern, den Bau der HafenCity. Das war am 27. August 1997, zweieinhalb Monate später trat Voscherau zurück.

Das Prinzip des Sondervermögens ist simpel: Diese außerhalb des Haushalts geführte Gesellschaft bekam die Grundstücke in der HafenCity überschrieben und sollte durch deren Verkauf bis 2026 die Infrastruktur in dem neuen Stadtteil finanzieren - Straßen, Brücken, Kaimauern. Das hätte wohl auch funktioniert, wenn das Sondervermögen nicht noch einen weiteren Auftrag bekommen hätte: Es sollte auch das Geld für den Bau des Containerterminals Altenwerder (CTA) erwirtschaften. Den Gedanken dahinter gab die Wirtschaftsbehörde noch 2002 der Bürgerschaft zu Protokoll: Das "Konzept ging von der Annahme aus, dass mit der Aufgabe und Verwertung eines alten Hafengebietes für andere Zwecke - also die HafenCity - ein neues Hafengebiet erschlossen werden muss".

Klingt zunächst logisch, doch die Rechnung ging nicht auf. Denn erstens ist die Erschließung der HafenCity noch aufwendiger als erwartet. Und zweitens fehlen die 235 Millionen Euro, die für die Hafenerweiterung in Altenwerder abgezweigt wurden. Beides hat maßgeblich dazu beigetragen, dass im Sondervermögen ein Minus von 300 Millionen Euro aufgelaufen. "Je nach Entwicklung der Zinsen kann es auch auf mehr als 400 Millionen steigen", sagte Tschentscher dem Abendblatt.

Der Finanzsenator favorisiert einen klaren Schnitt: Er möchte alle Kredite für Altenwerder zurückzahlen, das Containerterminal aus dem Sondervermögen herauslösen und an die Hafenbehörde HPA andocken. Das Geld für die Schuldentilgung will Tschentscher umschichten: Bislang wollte er die prognostizierten Steuermehreinnahmen nutzen, um ein 710-Millionen-Euro-Loch im Versorgungsfonds für städtische Bedienstete (HVF) schrittweise zu schließen. Da der Fonds darauf aber erst in einigen Jahren angewiesen sein wird, während die Schuldenuhr im Sondervermögen bereits tickt, mache es Sinn, die Millionen lieber dort einzusetzen. "Die Opposition hatte ja ohnehin kritisiert, dass wir den Fonds ohne Not auffüllen wollen", sagte Tschentscher. Er hofft, dass die Finanzierung des weiteren Baus der HafenCity klappt, wenn das Sondervermögen die Altenwerder-Belastung nicht mehr mittragen muss. Seine Vorstellungen muss er zwar noch mit Senat und Fraktion abstimmen. Der Finanzsenator geht aber davon aus, dass es eine gewisse Sensibilität gibt, schließlich habe er mehrfach auf das Problem hingewiesen - nur gab es halt nie eine Reaktion.

"Die Finanzsenatoren aller Couleur haben auf das Prinzip Hoffnung gesetzt und die Augen vor dem Problem verschlossen", sagte GAL-Fraktionschef Jens Kerstan dem Abendblatt. Das Herauslösen Altenwerders aus dem Sondervermögen unterstützt er: "Voscheraus Konzept ist nicht aufgegangen, es ist ein Schattenhaushalt entstanden. Den jetzt glatt zu ziehen ist richtig."

CDU-Haushaltsexperte Roland Heintze warnt hingegen vor Eile und verweist auf die "HHLA-Milliarde": Aus dem Teil-Verkauf des Hafenunternehmens seien noch einige Hundert Millionen übrig, ohne dass klar sei, wofür die eingeplant sind. "Bevor der Finanzsenator jetzt ein singuläres Problem löst, erwarten wir vom Senat ein Konzept zur Finanzierung anderer Hafenprojekte wie der Elbvertiefung oder zum Bau des neuen Terminals Steinwerder."

In der Tat gibt es weitere offene Fragen. So basieren die Erwartungen an den Grundstücksverkauf in der HafenCity auf der Annahme, dass die U 4 bis zu den Elbbrücken verlängert wird. Das würde Hamburg 150 Millionen Euro kosten - das Geld steht aber noch in keinem Haushalt. Doch wenn die U 4 nicht gebaut wird, so die Schätzung der HafenCity-Planer, wären die Grundstücke 100 Millionen Euro weniger wert. Das nennt man eine Zwickmühle.