“Zwischen uns passt kein Blatt Papier“, so die Aussage von einem der sieben Bezirkschefs. Auch wenn es um Sparplände des Senats geht.

Hamburg. "Wer bei uns Bezirken kürzt, kürzt beim Bürger." Dieser Satz stammt von Christoph Krupp (SPD), Chef der Senatskanzlei und als rechte Hand von Bürgermeister Olaf Scholz mitverantwortlich für die Umsetzung dessen Sparprogramms. Er sagte diesen Satz allerdings nicht in seiner heutigen Funktion, sondern als Bezirksamtsleiter von Bergedorf vor einem Dreivierteljahr. Elf Tage vor der Bürgerschaftswahl waren die sieben Hamburger Bezirksamtsleiter gemeinsam an die Öffentlichkeit gegangen, um die Sparpläne des damaligen Senats zu kritisieren. Ein bis dahin einmaliger Vorgang.

Dass die Bezirke aber auch unter einer SPD-Alleinregierung nicht vom Sparen ausgenommen werden, zeigte sich dann im Spätsommer. Bei dem monatlichen Treffen zwischen Bezirksamtsleitern und Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) am 9. September wurde dann klar, dass wegen der drohenden Einsparungen eine Sondersitzung nötig sein wird. Auf 22,5 Millionen Euro sollten die Bezirke bis 2015 verzichten. "Das können wir nicht", kritisierten die Verwaltungschefs unisono, von denen immerhin fünf ein SPD-Parteibuch haben.

Ihnen war aber gleichzeitig klar, dass sie ein Angebot machen mussten. Nicht zu sparen war keine Option, und Tschentscher sollte nicht vergrätzt werden. Womöglich würde er dann das Maximale aus den Sparvorhaben herausholen. Und so schickten die Verwaltungschefs ihre Stellvertreter los, einen Kompromiss zu finden. In Zusammenarbeit mit einem Mitarbeiter aus der Finanzbehörde, Abteilung Bezirksverwaltung, sollte ein Angebot zur Konsolidierung der Bezirksämter entstehen und auf dem Sondertreffen am 30. September präsentiert werden. Daran teilnehmen sollten Tschentscher und Krupp.

Unter den Stellvertretern entstand die Idee, den Haushalt mit einer Gewaltanstrengung sofort zu entlasten. Statt innerhalb von zehn Jahren, wie vom Senat gefordert, 170 Stellen abzubauen, wollten es die Bezirke auf einen Schlag tun. Selbstredend würden nicht mit einem Mal 170 Menschen ihre Arbeit verlieren. Die Stellen würden durch die natürliche Fluktuation wegfallen. Doch die Bezirke sahen sich in der Lage, den Gegenwert, nämlich 8,5 Millionen Euro im Jahr, ab sofort zu erbringen. Der Senat sollte dafür akzeptieren, dass die Bezirke nicht die volle Sparsumme erbringen, sondern nur 65 Prozent.

Mit dieser gemeinsamen Idee, niedergelegt in einem siebenseitigen Papier, die das Abendblatt in dieser Woche enthüllte, sollte Tschentscher überzeugt werden. Diese Geschlossenheit der Bezirksamtsleiter hat ihren Ursprung in der Spätphase von Schwarz-Grün. Seit der damalige Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) darüber nachgedacht hatte, die Bezirksämter aufzulösen oder zumindest deren Zahl von sieben auf vier zu verringern, artikulieren die Verwaltungschefs ihre Interessen lauter und selbstbewusster.

Wie eng sie stehen, zeigte sich zuletzt vor gut zwei Wochen, als Markus Schreiber, Verwaltungschef in Mitte, wegen des Aufbaus eines Zaunes gegen Obdachlose arg in Bedrängnis geraten war. Mit einer Solidaritätserklärung stärkten die übrigen sechs Bezirkschefs ihrem Kollegen den Rücken. In einer öffentlichen Mitteilung ließen sie wissen, dass "das Bezirksamt zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung tätig werden musste". Mehr Zusammenhalt geht nicht. "Zwischen uns passt kein Blatt Papier", sagte einer von ihnen.

Einigkeit, das geht aus dem Papier hervor, besteht auch darin, wie die Bezirke sparen wollen. Ein zentraler Punkt ist die Schließung von Kundenzentren, etwa wenn sie nah beieinander liegen, so an Bezirksgrenzen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das beim Bürger schlecht ankommt, bedeutet es doch weitere Wege und längere Wartezeiten. "Sparen hat Konsequenzen. Und deshalb soll uns der Finanzsenator auch Rückendeckung bei der Schließung der Kundenzentren geben", fordert ein Bezirksamtsleiter. Die Rollenverteilung ist klar: Nicht die Bezirke, sondern der Senat soll für die Einsparungen den Kopf hinhalten.

In die Karten spielt den Bezirken, dass sie die SPD-Bürgerschaftsfraktion auf ihrer Seite haben. So ist den Abgeordneten bewusst, dass die Bezirksämter durch Bundesgesetze Mehraufgaben etwa beim neuen Personalausweis haben. Außerdem stehen die Parlamentarier zum Wahlprogramm, das die Stärkung der Bezirke vorsah. "Die Fraktion will keine Kundenzentren schließen", sagt denn auch ein prominenter SPD-Abgeordneter.

Auch Tschentscher wird vermutlich großes Verständnis für die Nöte der Bezirke aufbringen. Schließlich hat er eine intensive Bezirkssozialisation genossen. Er war 17 Jahre lang Mitglied der Bezirkversammlung Nord und davon acht Jahre lang Fraktionschef der SPD. Und auch er wird sich an das Wahlversprechen gebunden fühlen.

Offizielle Gespräche gab es noch nicht. Das geplante Treffen Ende September wurde wegen Terminschwierigkeiten abgesagt. Ein neues soll kommende Woche stattfinden. Es steht unter einer weiteren guten Prognose. Denn vielleicht wird Christoph Krupp auch einen anderen Satz nicht vergessen haben, den er Anfang des Jahres gesagt hat: "Verwaltung sollte sich nicht mit sich selbst beschäftigen, sondern sich um die Bürger kümmern."