Im Hamburger Michel verabschiedeten sich zahlreiche Weggefährten von der berühmten Drombusch-Darstellerin. Auch Prominente dabei.

Hamburg. Sie war „Mutter Drombusch“ – und eine engagierte Kämpferin für Kinder in Not. Die Schauspielerin Witta Pohl starb am 4. April im Alter von 73 Jahren. Bei einer Trauerfeier im Hamburger Michel haben sich Fans und Freunde, Kollegen und Angehörige von ihr verabschiedet.

Die letzte Ehre erweisen die „Drombuschs“ ihrer legendären Film-Mutter gemeinsam: Bei einer Trauerfeier für Witta Pohl im Hamburger Michel haben sich Familie und Freunde von der Schauspielerin verabschiedet – allen voran ihre Weggefährten aus dem einstigen TV-Serienerfolg „Diese Drombuschs“. Tief bewegt und traurig begaben sich die Schauspieler Hans-Peter Korff, Marion Kracht und Sabine Kaack am Montag in die Kirche, in der üppiger pastellfarbener Rosenschmuck den Sarg bedeckte. Pohl, die sich als resolute Vera Drombusch in den 80er Jahren in die Herzen der Fernsehzuschauer deutschlandweit gespielt hatte, war vor zwei Wochen im Alter von 73 Jahren an einer Krebserkrankung gestorben.

Zahlreiche Fotografen und einige Fans warteten bereits vor der Kirche, als Pohls TV-Ehemann Korff als einer der ersten Gäste eintraf. „Es ist ein großer Verlust. Sie war eine Ikone, eine außergewöhnliche Persönlichkeit“, sagte der Darsteller des Siggi Drombusch. „Ich bin sehr traurig. Der Schreck geht einem durch den ganzen Körper. Und erst im Nachhinein merkt man, wie gern man sich gemocht hat.“ Als „unglaublich herzlichen und warmherzigen Menschen“ behält Marion Kracht ihre Kollegin in Erinnerung. Kracht mimte in der Darmstädter TV-Familie die Freundin von Drombusch-Sohn Chris - dargestellt von Mick Werup, dessen Selbstmord Anfang des Jahres auch Pohl zutiefst erschüttert hatte.

Kurze Zeit nach Werups Tod erkrankte Pohl an Leukämie. Sie sei nicht so stark gewesen, wie man wegen ihrer Rolle als Vera Drombusch immer dachte, meinte Kracht. „Sie hat immer viel gezweifelt an sich und an den Dingen in der Welt.“ Wie Kracht hob auch ihre Kollegin Kaack das soziale Engagement der Frau hervor, die nicht nur in ihren Rollen wie eine Löwin kämpfte. Pohl hatte sich mehr als drei Jahrzehnte lang für Kinder in Not engagiert und dazu 1991 mit der Kinderluftbrücke in Hamburg einen eigenen Verein ins Leben gerufen. „Davon kann sich so mancher eine Scheibe abschneiden“, sagte Kaack. „Wenn es Probleme gab, war sie immer da. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie so früh treffen durfte“, meinte die Schauspielerin, die einst als Drombusch-Tochter Marion vor der Kamera stand.

Während der Trauerfeier erinnerte ihr Bruder Diethart Breipohl in einer bewegenden Rede an die gemeinsame Kindheit. So wurde in der Zeit im Teutoburger Wald nach dem Zweiten Weltkrieg „die Liebe zur Natur geboren, die wir alle teilen“. Es habe aber auch traurige Momente gegeben, etwa nach dem Tod des Vaters. Die sechs Gechwister hätten sich später „vielleicht manchmal aus den Augen verloren, aber nie gänzlich“. Ihnen blieben nun „deine zahlreichen guten Taten, die Erinnerung und die Verbundenheit untereinander“.

„Witta Pohl hat uns verlassen und sie ist uns geblieben in ihren vielen Theater- und Fernsehrollen“, sagte Heinz Ungureit, der frühere ZDF-Redaktionsleiter. Er hob ihr „warmherziges und selbstbewusstes Schauspiel“ hervor. Als Vera Drombusch habe sie nicht nur den Mikrokosmos Familie sondern auch den Zeitgeist der

1980er Jahre auf den Bildschirm gebracht. „Mehr als 20 Millionen Zuschauer fühlten sich berührt, wenn die Familie Drombusch kleine und große Katastrophen durchzustehen hatte.“

Neben dem „Drombusch“-Ensemble, zu dem ehemals der verstorbene Günter Strack gehörte, waren auch Pohls Ex-Ehemann und Schauspieler Charles Brauer – Vater der gemeinsamen Zwillinge – sowie die frühere „Tagesschau“-Sprecherin Dagmar Berghoff und NDR-Moderator Rüdiger Wolff unter den Gästen der Trauerstunde im Michel. Neben dem Sarg zeigte ein großes Porträtfoto noch einmal den einstigen Publikumsliebling – davor lagen Blumenkränze und -sträuße. „Aus meinem Herzen kommst Du nicht raus – da kannst Du fix dran glauben“, stand auf einem Schleifenband.

Mit der Trauerfeier im Michel wollten ihre beiden Kinder Florian und Stefanie sowie die Geschwister der Schauspielerin all jenen Menschen die Möglichkeit zum Abschied geben, die Pohls Wirken ermöglicht haben. Dafür hatten sie unter anderem eines der Lieblingsgedichte der Verstorbenen ausgesucht: Oft habe Witta gemeinsam mit ihrer Schwester Ursula „Der Gast“ von Albrecht Goes rezitiert, berichtete ein Angehöriger. „Verzeih mir, dass ich weitergeh, begreif: Ich bin ein Gast“, heißt es darin, „der Wind ist mein, der weiterweht, und keiner weiß wohin – und mein sind deine Tränen auch, dass ich von hinnen bin“.

„Sie hatte die Gabe, mit ihrem unglaublichen Charme Unglaubliches zu erreichen“, sagte Ingeborg Scheffler vom Verein Kinderluftbrücke, dem Lebenswerk Witta Pohls. „Ihr Herz war verwundet von der Liebe zu den notleidenden Kindern“, erklärt Pastor Erich Purk. Was bleibe nun nach ihrem Tod? „Ehre und Anerkennung sind wichtig, aber sie verblassen. Namen auf Grabsteinen verwittern. Doch was man an Liebe verschenkt hat, das bleibt. Denn die Liebe eines Menschen kann man nicht begraben.“ Beigesetzt werden soll Witta Pohl in den nächsten Tagen auf dem Friedhof Ohlsdorf – im engsten Familienkreis.

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Witta Pohl: Sie war immer für andere da

Es war ihr Blick. Dieser leicht vorwurfsvolle Blick, der Enttäuschung signalisierte, sofort ein schlechtes Gewissen verursachte und nur noch eine einzige Frage zuließ: "Ist das vielleicht fair?" Mit diesem Blick prägte Witta Pohl alias Vera Drombusch vor fast 30 Jahren eine ganze Generation - und es machte ihr offiziell keineswegs etwas aus, dass sie von ihren Fans häufiger mit "Mutter Drombusch" angesprochen wurde als mit "Frau Pohl". Dies empfand die Schauspielerin zwar stets als großes Kompliment und als Bestätigung, dass sie die Rolle glaubhaft dargestellt hatte. Andererseits ärgerte es sie insgeheim doch, wenn ihre Fans am Hinterausgang eines Tourneetheaters warteten, wo sie etwa gerade "Play Strindberg" gegeben hatte und ihre Verwunderung darüber äußerten, dass sie so etwas auch könne: "Hallo, Mutti Drombusch, wie geht's denn weiter?"

Doch "Diese Drombuschs" war eben die Familienserie der 1980er-Jahre schlechthin. Damals sehnten sich nicht wenige Menschen im Land insgeheim nach einer neuen "Mutter der Nation". Denn Inge Meysel, die diesen Titel bis dato durch "Die Unverbesserlichen" seit den 1960er-Jahren innehatte, mutierte in fortschreitendem Alter auf dem Bildschirm rascher als gewünscht zur larmoyant-renitenten Seniorenzicke. Bis derselbe, unverbesserliche Drehbuchautor - Robert Stromberger - der damals 46 Jahre alten Witta Pohl die Hauptrolle in der neuen ZDF-Serie anbot, die das Alltagsleben einer normalen Familie zwischen "Banalität und Schicksalsschlägen" zeigen sollte; garniert mit den damals aufkeimenden Konfliktstoffen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus, gewalttätigen Polizisten oder dem Umgang mit alten Menschen. Über der Serie schwebte immer das imaginäre Wort des "Selbstbetrugs", zu dem Menschen bekanntlich einen latenten Hang haben. Außer Vera Drombusch, die bei ihrer schonungslosen Aufklärungsarbeit aber nie einen Zweifel daran ließ, dass sie offensichtlich selbst zu kurz kam.

Witta und Vera konnten parallele Leben führen, völlig unverkrampft. "Ich fand die Inhalte so gut. Weil alles so einen Sinn hatte und alles mit einer Zärtlichkeit und großem Verantwortungsbewusstsein geschrieben war", sagte Witta Pohl auf einem "Drombusch"-Fanfest vor rund zwei Jahren, "zum Beispiel über die Verantwortung, die man anderen Menschen gegenüber haben muss, und auch über die Liebe, um für andere da zu sein." Manchmal war das jedoch ganz schön anstrengend für die Zuschauer. Vor allem dann, wenn die "Drombuschs" sich mal wieder quälend lange Momente am Abendbrottisch anschwiegen, um dann plötzlich eine schier endlose Familienkonferenz loszutreten, wobei Vera Drombusch in der Regel das letzte Wort hatte.

Als Paradebeispiel hierfür dient vielleicht der folgende Dialog zwischen Vera und Siegfried (Hans-Peter Korff), als sie ihm vorwarf, für die ungenügende Beaufsichtigung der Hausarbeiten ihres Sohnes verantwortlich zu sein. Als er konterte, dass schließlich sie diejenige sei, die zu Hause ist, antwortete Vera: "Stimmt. Ich bin in der Tat sonnabends zu Hause. Während du aufregende Entspannung auf der Fußballtribüne suchst. Ich bin auch sonntags zu Hause. Während du beim strapaziösen Frühschoppen überparteiliche Beziehungen pflegst. Und besonders bin ich in der Woche abends zu Hause. Wenn du bei zeitungsträchtigen Vereinsfeiern die Partei vertrittst, bedeutungsvolles Blablabla machst und mit städteverschwisternden Damen charmierst. Das ist das Partnerschaftsbild der Jahrhundertwende!" - "Ich möchte doch sehr bitten, ja? Du wirst die einträchtige Wechselbeziehung zwischen Politik und Geschäft nicht bestreiten wollen." - "Das tue ich auch gar nicht. Aber wo bleibt die Wechselbeziehung zwischen Vater und Sohn?"

Doch diesem Realismus, der manchmal bis zur Schmerzgrenze ging (und häufig ein Stückchen darüber hinaus), konnten sich in der damaligen, noch privatsenderlosen Zeit bis zur Hälfte aller TV-Zuschauer einfach nicht entziehen. Das weibliche Familienoberhaupt, das ganze Fässer voller Lebensweisheiten ausschütten konnte, war unbestritten die moralische Institution der Fernsehwelt. Nur als Vera Drombusch nach dem Tod ihres Serien-Ehemanns Siegfried mit dem verheirateten Arzt Dr. Martin Sanders (Michael Degen) ein Techtelmechtel begann, wackelte kurzzeitig die Sittenikone, hagelte es Proteste. Wenigstens hatten jetzt alle Zuschauer begriffen, dass sogar patente Fernsehmütter Sex haben können. Und Lust empfinden dürfen.

Witta Pohls privates Leben verlief ebenfalls recht stürmisch. Aber sie machte wenig Wind. Wer weiß schon, dass sie dreimal verheiratet war, ja, genau, auch mit Charles Brauer, dem Schauspielerkollegen, Vater ihrer Zwillinge Stefanie und Florian, die beide schon längst in den Vierzigern sind.

Auch über ihre entbehrungsreiche Kindheit hat sie sich nur selten öffentlich und wenn, dann nur zurückhaltend geäußert: über die dramatische Flucht aus Königsberg, wo sie 1937 als Witta Breipohl zur Welt gekommen war; über den Tod ihres Vaters, eines Frauenarztes, der 1945 in Berlin erschossen wurde; über ihre Mutter, die nun insgesamt sechs Kinder durchbringen musste, allein. Das kämpferische Frauenbild der Vera Drombusch hatte Witta Pohl bereits in jungen Jahren in allen Facetten vorgelebt bekommen.

Und je mehr Erfolg sie für sich verbuchen konnte, desto häufiger stellte Witta Pohl sich eine Frage: "Was ist Glück? Wissen wir das überhaupt noch? Wir, die wir auf der Sonnenseite dieser Erde leben? Kann man Glück überhaupt erklären, anderen klarmachen? Hat nicht jeder Mensch eine andere Vorstellung vom Glück? Es ist schon ein Glück, wenn wir überhaupt noch einen Blick für jene haben", schrieb sie auf der Homepage des Vereins Kinderluftbrücke, dessen Mitbegründerin und Gesicht sie seit dem Jahre 1991 war.

Es sei ja nur ein kleiner Verein, meinte Witta Pohl bescheiden, doch tatsächlich verteilte die private Hilfsorganisation allein während der vergangenen zehn Jahre Sachspenden im Wert von mehr als 20 Millionen Euro an Kinderkrankenhäuser und andere Einrichtungen in Osteuropa. "Immer schon hat sie ihre ganze Kraft in die Kinderluftbrücke gesteckt", sagt die Theater-Intendantin Isabella Vértes-Schütter, "wir verabschieden uns von einer großen Schauspielerin von hoher Professionalität, die sich allen Aufgaben gestellt hat: vor der Kamera, auf der Bühne, bei ihrem sozialen Engagement."

Noch im Januar hatte Witta Pohl dafür gesorgt, dass ihr Serienkollege Mick Werup, der sich mit 52 Jahren das Leben genommen hatte, ein anständiges Begräbnis erhielt. Dann, im Februar, klagte sie plötzlich über Unwohlsein, brach zusammen und wurde ins Uniklinikum Eppendorf eingeliefert, wo man bei ihr eine besonders tückische Form von Blutkrebs diagnostizierte. Eine Chemotherapie schlug nicht an.

Witta Pohl verstarb am vergangenen Montagmorgen im Kreis ihrer Familie. "Die Ärzte haben unserem Wunsch entsprochen und alles getan, damit unsere Mutter zu keiner Zeit Schmerzen hatte und nicht leiden musste", erklärten ihre Kinder. "Wir sind unendlich traurig und empfinden tiefen Schmerz. In unserem Leben wird sie eine große Lücke hinterlassen." Das werden sich jetzt viele Menschen sagen.