Jeder zweite Haushalt in der Hansestadt hat Anspruch auf eine Sozialwohnung, sagt die Diakonie und legt einen Forderungskatalog vor.

Hamburg. Das Diakonische Werk Hamburg fordert schnelle Maßnahmen, um die Wohnungsnot für benachteiligte Menschen in Hamburg zu lindern. Für große Familien, arme Menschen, Behinderte, Migranten oder Obdachlose sei es nahezu aussichtslos, eine passende Wohnung zu finden, sagte Diakonie-Vorstand Gabi Brasch und sprach von einer "dramatischen Situation". Deshalb hat die Diakonie jetzt ein Zehn-Punkte-Programm zur Bekämpfung der Wohnungsnot vorgestellt. Der geplante Neubau von Wohnungen allein reiche nicht aus, so die Diakonie.

Fast jeder zweite Haushalt in Hamburg (43 Prozent) habe mittlerweile Anspruch auf eine Sozialwohnung. Damit sei die Nachfrage rund viermal höher als das derzeitige Angebot auf dem Markt. Der Bestand an Sozialwohnungen sinkt seit Jahren kontinuierlich. Knapp 100 000 öffentlich geförderte Wohnungen gibt es noch. Gleichzeitig steigen wegen der allgemein angespannten Marktlage die Mieten.

Vor allem Gruppen, die bei der Wohnungssuche benachteiligt sind, darunter finanziell schwache Familien, junge Erwachsene, Migranten und Obdachlose, seien noch stärker mit der "massiven Wohnungsnot" konfrontiert.

Anders als Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD), die lediglich von einem "Wohnungsmangel" in bestimmten Szenevierteln ausgeht, benutzt Brasch bewusst das Wort "Wohnungsnot". Diese beschränke sich nicht nur auf Szeneviertel wie Sternschanze oder Ottensen, sondern habe mittlerweile alle Stadtteile erreicht.

+++ Der Zehn-Punkte-Plan des Wohnungsbaukoordinators +++

Eine große Verantwortung kommt nach Ansicht der Diakonie der Wohnungswirtschaft zu, die ihrem "sozialen Versorgungsauftrag" gerecht werden müsse. Wenn nicht anders möglich, müsse sie dazu "verpflichtet" werden, diesem Auftrag nachzukommen. Eine "Schlüsselrolle" bei der Erschließung von Wohnraum für Benachteiligte habe die Saga/GWG als kommunales Unternehmen mit 130 000 Wohnungen. Brasch fordert die Politik auf, die Rahmendbedingungen so zu gestalten, dass die Saga/GWG diese Rolle auch erfüllen kann. Notfalls müsse Hamburg dafür auf Gewinne des Unternehmens verzichten. Weder das städtische Wohnungsunternehmen noch seine privaten Konkurrenten konnten seit 2005 die freiwillige Selbstverpflichtung erfüllen, wonach jährlich rund 700 Sozialwohnungen pro Jahr entstehen sollten. 2009 fehlten insgesamt rund 3364 Sozialwohnungen.

Begründung der Saga: "Wir brauchen bezahlbare Grundstücke für bezahlbaren Wohnraum in innenstadtorientierten Quartieren", sagte der Sprecher von Saga/GWG, Michael Ahrens. Aktuell sei der Markt für derartige Grundstücke aber "wie leer gefegt". Ahrens: "Wir sind bei dieser Situation auf städtische Angebote angewiesen."

In den vergangenen Jahren wurden städtische Grundstücke vor allem nach dem Höchstpreisverfahren vergeben. Das heißt: Wer am meisten zahlt, bekommt das Grundstück. Auch wenn dieses Verfahren unter Schwarz-Grün theoretisch geändert wurde - hin zu "projektbezogenen Verkäufen" -, wirkt das Höchstpreisverfahren bis heute. Hier muss die SPD-Regierung nach Meinung der Saga/GWG nachsteuern.

Eine Forderung, die auch die Diakonie in ihrem Zehn-Punkte-Plan aufstellt. Da, wo die Stadt - etwa bei Grundstücksvergaben - entsprechenden Einfluss hat, soll "jeder Bauherr in jedem Stadtteil beim Bau von Mehrfamilienhäusern verpflichtet werden, eine feste Quote von Sozialwohnungen" einzuplanen.

Tatsächlich geht der Bestand von Sozialwohnungen seit den 70er-Jahren kontinuierlich zurück. Mitte der 70er- Jahre hatte Hamburg noch etwa 400 000 Sozialwohnungen. Bereits im Jahr 2000 war der Bestand auf 167 000 Sozialwohnungen gesunken. Heute liegt diese Zahl nur noch bei knapp 100 000. Die durchschnittliche Bruttowarmmiete (also inklusive der Heiz- und Betriebskosten) ist von 1991 bis 2009 um 49 Prozent gestiegen.

In ihrem Zehn-Punkte-Papier fordert die Diakonie deshalb auch: die Wohnungswirtschaft auf ihren sozialen Versorgungsauftrag verpflichten, den Bestand an Sozialwohnungen sichern und ausweiten, Wohnungshilfeplanung aus einem Guss entwickeln, Diskriminierung am Wohnungsmarkt bekämpfen, zielgruppenspezifische Programme entwickeln, Menschen mit Behinderung beim Bezug einer eigenen Wohnung unterstützen, Verträge der Wohnungswirtschaft einhalten, persönliche Hilfen ausbauen, die Qualität der Wohnunterkünfte verbessern und der Unterbringungsverpflichtung umfassend nachkommen.

Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau sagte zu den Forderungen: "Bezahlbare Wohnungen sind in den letzten Jahren zu wenig gebaut worden, der Anteil der Sozialwohnungen sinkt. Dieser Fehlentwicklung müssen wir gegensteuern."