Angela Merkel, in Hamburg geborene Bundeskanzlerin, fordert die CDU in der Fischauktionshalle zu einem engagierten Wahlkampf auf.

Altona-Altstadt. Manchmal sind es die kleinen Geschichten am Rand, die besonders im Gedächtnis bleiben. Am Sonnabend in der Fischauktionshalle zum Beispiel. Da erzählte eine aufgeräumte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), wie sie, geboren im Hamburger Elim-Krankenhaus, im Alter von sechs Wochen "in die DDR abtransportiert" worden sei. "In einer Tragetasche." Ihre Eltern hätten gar keinen Kinderwagen für sie gehabt. "Sie dachten, dass man den in dem Dorf, in dem mein Vater seinen Dienst als Pastor antrat, sowieso nicht hätte brauchen können." Das klang ein bisschen nach Vertreibung aus dem Paradies, und als Merkel Hamburg dann auch noch eine "tolle Stadt" nannte ("Als Bundeskanzlerin muss ich bei so etwas ja immer vorsichtig sein"), hatte sie die 800 geladenen Gäste in ihrem Bann.

Sie war gekommen, um den Hamburger Christdemokraten vier Wochen vor der Bürgerschaftswahl Mut zu machen. Die Elb-CDU steht nicht gut da. Nach dem Rücktritt von Ole von Beust und dem Aus für Schwarz-Grün stürzte die Union in Hamburg in den Umfragen auf 26 Prozent ab. "Lassen Sie sich nicht entmutigen", warnte die CDU-Bundesvorsitzende, stilecht in dunkelblauem Samtblazer (auch aus Hamburg), vor Resignation. "Ran an den Speck, ran an die Menschen" müsse jetzt die Devise sein. Hamburg sei in den vergangenen zehn Jahren gut regiert worden, "und das soll weitergehen".

Gemeinsam mit Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) war die Parteichefin, untermalt von sanften Jazzklängen, in die Fischaktionshalle eingezogen. "Ihr Besuch ist eine Motivationsspritze, die wir jetzt brauchen", hatte der Altonaer Bürgerschaftsabgeordnete Robert Heinemann kurz zuvor gesagt - und sich dann geschickt für ein Foto neben die Kanzlerin geschummelt.

Harald Krüger, CDU-Bürgerschaftsabgeordneter aus Harburg, bekannte: "Der Wahlkampf ist hart. So ein Besuch baut auf." Auch Parlamentarierin Bettina Machaczek, die mit ihrem Ehemann, Kultursenator Reinhard Stuth, gekommen war, sagte: "Wir sammeln die Kräfte und atmen durch. Wir können nur nach oben gehen." Ähnlich sahen es wohl die meisten in der Halle. "Das Ruder lässt sich noch herumreißen", übte CDU-Mitglied Veronika Tangen, mit 26 Jahren eine der jüngeren im Saal, sich demonstrativ in Jetzt-erst-recht-Stimmung.

Angesichts des prognostizierten Siegs der SPD schrieb die Chefin aus Berlin, die direkt vom Parteitag der CDU Mecklenburg-Vorpommerns in Güstrow kam, ihren Parteifreunden Bewährtes ins Stammbuch. In 44 Jahren ununterbrochener SPD-Regierung bis 2001 habe die Hansestadt "ein Stück Anschluss verloren", so Merkel. Dagegen habe die CDU das Konzept der wachsenden Stadt gesetzt. "Bei allem Respekt für Olaf Scholz", sagte sie über den SPD-Spitzenkandidaten, der auch mal Arbeitsminister der Großen Koalition mit Merkel im Bund war. "Olaf Scholz hat seine Chance in Hamburg gehabt." Die Kanzlerin habe wenig Vertrauen, dass die SPD nach einem möglichen Wahlsieg an die Erfolge der CDU anknüpfen könne. Auch der GAL verpasste Merkel einen Seitenhieb. "Von den Grünen will ich gar nicht erst reden, das hat in dieser Stadt ein bisschen den Sinn verloren." In ihrer 45-minütigen Rede nahm sie auch zum Scheitern der Schulreform Stellung. "Wir haben verstanden", kommentierte sie den Volksentscheid und bekannte sich ausdrücklich zum gegliederten Schulsystem. Das Thema Bildung werde auf dem nächsten CDU-Bundesparteitag auf der Tagesordnung stehen. Merkel: "Die Hamburger Erfahrungen sind ein wichtiger Baustein."

Labsal für Seelen der Wahlkämpfer. Und auch für Bürgermeister Ahlhaus, dessen "engagierte Arbeit" Merkel mehrfach lobte. Von der Bühne hatte der CDU-Frontmann, der am Vormittag drei Termine auf Wochenmärkten absolviert hatte, seiner Frau Simone im Publikum für die Unterstützung im Wahlkampf gedankt. Er präsentierte sich als "Bürgermeister zum Anfassen", der die Sorgen der Menschen ernst nehme. Seiner Partei attestierte er "eine spürbare Geschlossenheit".

Das werde dazu führen, "dass jemand, der sich wie der ,König von Hamburg' aufführt, zu früh freut", sagte er in Hinblick auf seinen Herausforderer Scholz. Programmatische Visionen entwickelte Ahlhaus an diesem Nachmittag nicht, wiederholte aber seine Formel von der Versöhnung von Ökologie und Ökonomie. Sein Ziel sei es, "Hamburg zu einer Art Silicon Valley der Umwelttechnologie" zu machen.

Exakt zwei Stunden dauerte der Besuch der Kanzlerin, die meisten waren angetan. "Ich nehme Zuversicht mit", sagte die stellvertretende CDU-Fraktionschefin Viviane Spethmann.

Für den Schluss hatte sich das Wahlkampfteam noch eine Überraschung einfallen lassen - und ließ die HSV-Hymne "Hamburg, meine Perle" anstimmen. Der Bürgermeister sang kräftig mit. Die Bundeskanzlerin guckte irritiert. Dieser Teil von Hamburg war ihr dann doch fremd.